Januar 2022 |
220107 |
ENERGIE-CHRONIK |
Am 26. Januar gab die in der Schweiz angesiedelte Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG die Gründung der Tochtergesellschaft Gas for Europe GmbH nach deutschem Recht bekannt. Diese hat ihren Sitz in Schwerin und ist beim dortigen Amtsgericht ins Handelsregister eingetragen. Die Gazprom kann nun dieser "Enkelin" den durch deutsche Gewässer nach Lubmin führenden Teil der Ostsee-Pipeline übertragen und erfüllt damit die formalen Voraussetzungen, um als "Unabhängiger Transportnetzbetreiber" nach den Paragraphen 4b und 10 des Energiewirtschaftsgesetzes anerkannt zu werden (siehe 211103 und Hintergrund, November 2021).
Laut Handelsregister verfügt die Gazprom-"Enkelin" über ein Stammkapital von einer Million Euro. Geschäftszweck ist "der Betrieb, die Wartung, der Ausbau und die Vermarktung einer Transportleitung für Gas aller Art, insbesondere für Erdgas und Wasserstoff, sowie die Erbringung und Vermarktung von netzbezogenen und nicht netzbezogenen Dienstleistungen". Der Geschäftsführer, die Prokuristen und der Pressesprecher des neuen Unternehmens arbeiteten zuvor für die Nord Stream 2 AG.
Soweit klingt alles nach "business as usual". Die Gründung des Gazprom-Ablegers erfolgte allerdings parallel zu einem gigantischen russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine und hektischen diplomatischen Bemühungen zur Entschärfung dieser friedensbedrohenden Provokation, mit der die Machthaber im Kreml die völkerrechtswidrige Einverleibung der Krim (140304) und die faktische Einbeziehung der Ost-Ukraine in den russischen Machtbereich (140903) noch zu übertreffen drohen. Die Erteilung der Betriebserlaubnis würde sie unter diesen Umständen nur ermuntern, mit dieser brandgefährlichen Politik weiterzumachen.
Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat es vor diesem Hintergrund dem Ex-Diplomaten Dieter Haller untersagt, bei dem neuen Gazprom-Ableger den Vorsitz des Aufsichtsrats zu übernehmen. Wie "Die Zeit" und die "Süddeutsche Zeitung" berichteten, hatte der pensionierte Spitzenbeamte, der unter anderem deutscher Botschafter in Saudi-Arabien war, den Posten sogar schon angetreten – möglicherweise nicht nur inspiriert, sondern direkt veranlasst durch den einstigen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der seit vielen Jahren als Putin-Spezi und hochdotierter Gehaltsempfänger der Gazprom den beiden Nord-Stream-Gesellschaften als Galionsfigur im Aufsichtsrat dient (051202, 090212). Allerdings war Haller verpflichtet, eine solche Tätigkeit vorher dem Auswärtigen Amt anzuzeigen. Zunächst scheint dort nicht klar gewesen zu sein, um was es sich bei "Gas for Europe" handelte. Als dann aber der Groschen fiel, wurde Haller die Annahme dieses sicher sehr einträglichen Zubrots zu seiner üppigen Beamtenpension am 27. Januar strikt untersagt.
Unabhängig von der andauernden russischen Aggression wäre mit der Erteilung einer Betriebserlaubnis vorerst sowieso nicht zu rechnen. Nach der Eintragung ins Handelsregister müssten erst noch weitere Schritte vollzogen werden, sagte Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann der "Frankfurter Allgemeinen" (31.1.). Bei einem Blick auf die noch ausstehenden Prüfungen – unter anderem muss erst die EU-Kommission zustimmen – komme man "schnell zu dem Ergebnis, dass ein Abschluss im ersten Halbjahr kaum mehr möglich sein wird".
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