Mai 2021 |
210507 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die USA sind inzwischen offenbar bereit, die Vollendung der zweiten russischen Gaspipeline durch die Ostsee hinzunehmen. Unter Berufung auf "zwei Quellen, die mit der Entscheidung vertraut sind", berichtete der US-amerikanische Online-Nachrichtendienst Axios am 18. Mai, dass der neue US-Präsident Biden die Sanktionen gegen die in der Schweiz ansässige Nord Stream 2 AG aufheben werde, obwohl das Außenministerium wisse, dass diese und ihr Geschäftsführer Matthias Warnig "an sanktionswürdigen Aktivitäten beteiligt" sind (Warnig wird als "Putin-Kumpel und und ehemaliger ostdeutscher Geheimdienstoffizier" bezeichnet). Unter Berufung auf nationale Interessen der USA werde das Außenministerium jedoch auf die Anwendung von Sanktionen verzichten. Die Entscheidung zeige einerseits, dass die Biden-Regierung nicht gewillt sei, die Beziehungen zu Deutschland wegen dieser Pipeline zu gefährden. Andererseits verdeutliche sie die Schwierigkeiten, denen sich Präsident Biden gegenübersehe, wenn er sein Handeln "mit der Rhetorik eines härteren Vorgehens gegen Russland in Einklang zu bringen" versuche.
Am folgenden Tag berichtete Axios, dass die Aufhebung der Sanktionen durch das US-Außenministerium erfolgt sei. Die Biden-Regierung räume damit den Beziehungen zu Deutschland den Vorrang ein, das in die Pipeline "erhebliches politisches Kapital" gesteckt habe, weil sonst die Konfrontation mit einem wichtigen Verbündeten drohe. In beiden Häusern des Kongresses werde die Pipeline aber weiterhin verabscheut – besonders, aber nicht ausschließlich von den Republikanern – und die Regierung reagiere empfindlich auf Anschuldigungen, es an der notwendigen Härte gegenüber Russland fehlen zu lassen. Sie habe einen "unbequemen Mittelweg" beschritten und eine "verwirrende Botschaft" gesendet, indem sie zwar die Pipeline weiterhin für ein Unglück halte und sie verhindern wolle, sich aber gleichzeitig weigere, "den einen Schritt zu tun, der die Fertigstellung tatsächlich gefährden würde".
"Das empfinden wir als einen konstruktiven Schritt", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf Nachfrage von Journalisten zu der offiziell nicht bestätigten Meldung. Damit nähmen die USA Rücksicht auf einen guten Verbündeten.
Unterdessen sind die russischen Verlegeschiffe "Fortuna" und "Akademik
Tscherski" in deutschen und dänischen Gewässern mit der Vollendung
der Pipeline beschäftigt. Am 17. Mai erteilte das Bundesamt für Seeschifffahrt
und Hydrographie (BSH) die Änderungsgenehmigung für Bau und Betrieb
einer zwei Kilometer lange Teilstrecke in der deutschen ausschließlichen
Wirtschaftszone (AWZ). Mit der Verlegung der Rohre durfte sofort begonnen werden,
da es dort früher als erwartet keine rastenden Vögel mehr gab, die
geschützt werden müssen.