August 2020

200801

ENERGIE-CHRONIK


USA erpressen die Hafenstadt Sassnitz auf Rügen

In einem vom 5. August datierten Schreiben an die Fährhafen Sassnitz GmbH, die zu neunzig Prozent der Stadt Sassnitz und zu zehn Prozent dem Land Mecklenburg Vorpommern gehört, drohten die drei US-Senatoren Ted Cruz, Ron Johnson und Tom Cotton mit "vernichtenden" Wirtschaftssanktionen, falls die Hafenstadt auf der Insel Rügen weiterhin Beihilfe zur Verlegung der Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee leiste. Alle drei gehören wie der amtierende Präsident Trump der Republikanischen Partei an. Die Unterzeichner Cruz und Johnson hatten auf diese Weise schon im Dezember erfolgreich die Reederei Allseas erpresst, die daraufhin sofort die Verlegung der restlichen 160 Kilometer einstellte, die zur Vollendung der beiden insgesamt 2. 360 Kilometer langen Leitungsstränge noch fehlen (191201, siehe auch Hintergrund, Dezember 2019).

Der Fährhafen im Sassnitzer Ortsteil Mukran diene als Lager für Röhren zum Bau der Pipeline und versorge die unter russischer Flagge fahrenden Verlegeschiffe Fortuna und Akademik Tscherski, begründen die US-Senatoren ihre Drohung (siehe PDF). Als rechtliche Grundlage ihrer völkerrechtswidrigen Anmaßung nannten sie – wie schon bei dem vorangegangenen Drohbrief an die Reederei Allseas – den "National Defense Authorization Act" (NDAA) mit dem darin enthaltenen "Protecting Europe's Energy Act" (PEESA) , den US-Präsident Trump am 20. Dezember unterzeichnete und der alle Unternehmen mit der wirtschaftlichen Vernichtung bedroht, die weiterhin am Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 mitwirken. Außerdem verwiesen sie auf die Ankündigung des US-Verteidigungsministers Mike Pompeo vom 15. Juli, künftig auch das aus dem Jahr 2017 stammende Sanktionsgesetz CAATSA auf Unterstützer der Ostsee-Pipeline anzuwenden (200702).

Landtag verurteilt das US-amerikanische Vorgehen

Unter dem Titel "Erpressung hat im Welthandel nichts zu suchen" billigte der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern am 27. August einen Antrag, der das US-amerikanische Vorgehen "aufs Schärfste verurteilt". Die Bundesregierung wurde aufgefordert, auf diplomatischem Wege alle verfügbaren Möglichkeiten zur Verhinderung der geplanten Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu nutzen. Falls diese dennoch in Kraft treten, soll sie gemeinsam mit der EU-Kommission "eine geeignete Reaktion finden und umsetzen".

"Wir lassen solche Drohungen und Erpressungen nicht zu", erklärte die Minsterpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) zu dem Antrag, der von SPD, CDU und der Linken eingebracht worden war. Zugleich äußerte sie die Überzeugung, dass die Gaspipeline auch ein sinnvolles Projekt sei, weil es die ebenfalls sinnvolle deutsche Entscheidung absichere, sowohl aus der Kernenergie als auch aus der Kohle auszusteigen.

Fast alle EU-Staaten verwahren sich gegen die Anmaßung

Wie am 13. August erstmals die "Welt" berichtete, haben sich 24 EU-Staaten mit einer scharfen Protestnote gegen weitere Einmischungen der USA beim Bau der Ostsee-Pipeline verwahrt. Der Text der Note liege dem Blatt vor. Zudem habe eine von diesen 24 Staaten unterstützte EU-Delegation am 12. August per Videokonferenz dem US-Außenministerium die Position der Europäer dargelegt. Nur drei Länder wollten die Protestnote nicht unterstützten. Sie wurden in dem Bericht nicht genannt, dürften aber unter den osteuropäischen EU-Mitgliedern zu suchen sein.

"Kein Staat hat das Recht, Europas Energiepolitik mit Drohungen zu diktieren, und das wird auch nicht gelingen", bekräftigte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am 11. August anläßlich eines Treffens mit dem russischen Außenminister Lawrow in Moskau. Dies habe er auch sehr deutlich gegenüber seinem US-Amtskollegen Pompeo zum Ausdruck gebracht.

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