Februar 2009

090212

ENERGIE-CHRONIK


 


Während in deutschen Medien noch darüber gerätselt wurde, weshalb wohl der ehemalige Bundeskanzler in den Iran reise, nannte der deutschsprachige Dienst von RIA Nowosti ganz unverblümt Auftrag und Auftraggeber....

Gazprom läßt Schröder im Iran für "South Stream" werben

Die frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) reiste am 19. Februar in den Iran und führte dort ein Gespräch mit Staatspräsident Ahmadineschad. Die Bundesregierung stellte dazu fest, daß es sich um einen privaten Besuch handele und er von ihr keinen Auftrag habe. Die außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen von Union und SPD, von Klaeden und Weisskirchen, distanzierten sich ebenfalls. Ahmadineschad gilt als ein besonders fundamentalistischer Politiker, der den NS-Massenmord an den Juden leugnet und Israel das Recht auf Existenz abspricht.

Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti und die russische Tageszeitung "Kommersant" lösten das Rätsel um die Hintergründe von Schröders Reise: Der Ex-Bundeskanzler reiste als Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG (früher "North European Gas Pipeline Company"), die das Pipeline-Projekt durch die Ostsee betreibt (051202). Er war somit als Angestellter des russischen Staatskonzerns Gazprom unterwegs. Demzufolge dürfte sein Auftrag darin bestanden haben, die EU-Verhandlungen mit dem Iran über dessen Teilnahmen am Nabucco-Projekt zu durchkreuzen (090102). "Schröder gilt als Freund des Iran, deswegen wird er möglicherweise versuchen, die Islamische Republik dazu zu bewegen, eine eventuelle Abmachung mit der EU abzulehnen und sich stattdessen dem South-Stream-Projekt zuzuwenden", schrieb RIA Novosti am 20. Februar unter der Überschrift "Gazprom schickt Schröder auf Iran-Mission".

Der Ex-Bundeskanzler erhält einen weiteren Aufsichtsratsposten beim Ölkonzern TNK-BP

Der ehemalige Bundeskanzler hat inzwischen noch eine weitere Anstellung in Rußland gefunden: Als Aufsichtsratsmitglied des Ölkonzerns TNK-BP. Es handelt sich hierbei um ein russisch-britisches Gemeinschaftsunternehmen, bei dem ursprünglich der britischen BP die unternehmerische Führung zustand. Auf Betreiben der russischen Aktionäre waren dann aber die Briten durch Behörden und Justiz derart schikaniert worden, daß der Vorstandsvorsitzende fluchtartig Moskau verlassen mußte (080711). Die BP gab schließlich dem erpresserischen Druck nach und überließ den Russen die Leitung des Unternehmens (080908). Bestandteil des erzwungenen Kompromisses war die Erweiterung des achtköpfigen Aufsichtsrats um drei sogenannte unabhängige Mitglieder, deren Ernennung beide Seiten zustimmen müssen. Vor diesem Hintergrund darf nun Schröder in den Aufsichtsrat einziehen.

Schröder war Gazprom bereits als Bundeskanzler behilflich

Schröder hatte das Projekt der Ostsee-Pipeline bereits in seiner Amtszeit als Bundeskanzler kräftig gefördert. Es hatte solche Förderung auch nötig, denn ursprünglich war nur Gazprom daran interessiert. Sogar die Ferngasimporteure BASF und E.ON sahen zunächst keine Notwendigkeit, die Kapazität der bereits bestehenden Pipeline-Verbindungen durch die osteuropäischen Länder zu erweitern. Dagegen begehrten der Kreml und der eng mit ihm verbundene Gaskonzern eine Direktleitung nach Westeuropa, um die osteuropäischen Länder besser unter Druck setzen zu können, falls sie sich weigern sollten, die von Gazprom verlangten Preise zu zahlen. Nachdem es Gazprom geschafft hatte, sowohl die BASF als auch E.ON in das Projekt einzubinden – inzwischen ist noch die niederländische Gasunie hinzugekommen – , assistierte Schröder im April und im September 2005 gemeinsam mit Kremlchef Putin bei der Unterzeichnung der entsprechenden Grundsatzvereinbarungen, als ob es um einen Vertrag zwischen Regierungen gegangen wäre (050902).

Zusätzlich hatte die von Schröder geführte Bundesregierung im Oktober 2005 zugesagt, für einen Bankenkredit an Gazprom in Höhe von einer Milliarde Euro zu bürgen, um die Finanzierung des Pipeline-Projekts durch die Ostsee ermöglichen. Der Kredit sollte jeweils zur Hälfte von der Deutschen Bank und der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgebracht werden. Die Kreditzusage wurde allerdings erst im April 2006 bekannt, als Schröder längst kein Bundeskanzler mehr war, sondern auf der Gehaltsliste von Gazprom und anderen mehr oder weniger ehrenwerten Unternehmen stand (060406).

Schröder mußte im Herbst 2005 als Bundeskanzler abtreten, nachdem er mit seiner unsozial-neoliberalen Politik immer größere Teile der Wählerschaft verprellt und die SPD in eine beispiellose Krise gestürzt hatte. Er hatte damals vorgezogene Bundestagswahlen herbeigeführt, indem er vorgab, die Regierungsmehrheit für seine "Reformpolitik" durch Neuwahlen festigen zu wollen. In Wirklichkeit dürfte es dem routinierten Selbstdarsteller darum gegangen sein, sich einen einigermaßen passablen Abgang zu verschaffen, bevor ihm die turnusmäßigen Bundestagswahlen ein noch verheerenderes Ergebnis beschert hätten. Wegen der Patt-Situation nach den vorgezogenen Wahlen kam es zur Bildung der derzeit regierenden großen Koalition aus Union und SPD (051001, 051102).

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