September 2021

210902

ENERGIE-CHRONIK


 


Am 10. September hob das Verlegeschiff "Fortuna" die Enden der bisher verlegten Teilstücke der Pipeline Nord Stream 2 vom Meeresboden wieder hoch, damit sie über Wasser miteinander verschweißt werden konnten. Nach erneuter Absenkung auf den Grund der Ostsee waren die beiden 1230 Kilometer langen Röhren zwischen Deutschland und Russland fertiggestellt.

Foto: Nord Stream 2 / Axel Schmidt

Nord Stream 2 ist fertig – aber die Erlaubnis zur Inbetriebnahme fehlt noch

Die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 ist jetzt vollständig verlegt. Wie die Betreibergesellschaft mitteilte, wurde am 6. September das letzte Rohr der beiden Stränge vor der deutschen Küste verschweißt und anschließend auf den Meeresboden heruntergelassen. Vier Tage später erfolgte die Verbindung dieses Leitungsabschnitts mit dem größeren Teilstück, das bereits von Russland bis in dänische Gewässer verlegt wurde (siehe Foto). Trotz der massiven Sanktionsdrohungen, mit denen die US-Regierung Ende 2019 den zeitweiligen Stopp der Verlegearbeiten erzwungen hat (191201), wurde die Pipeline mit anderhalbjähriger Verzögerung so doch noch fertiggestellt.

Die 1230 Kilometer lange Pipeline verläuft parallel zu den beiden Strängen von Nord Stream 1, die bereits vor zehn Jahren in Betrieb genommen wurden (111101und Hintergrund, November 2011) . Sie verdoppelt die Transportkapazität auf rund 110 Milliarden Kubikmeter. Bei voller Auslastung könnte sie mehr als den gesamten deutschen Gasverbrauch decken, der zuletzt bei 90 Milliarden Kubikmeter lag. Vor allem könnte sie die Transitleitungen durch die Ukraine und Polen überflüssig machen, über die bisher die russischen Gaslieferungen nach Westeuropa gelangen. Die neue US-Regierung ließ sich deshalb von der Bundesregierung zusichern, dass Russland keinesfalls versuchen dürfe, "Energie als Waffe zu benutzen" oder weitere aggressive Handlungen gegenüber der Ukraine zu begehen (210701). Andernfalls wären Deutschland und die Europäische Union zu Sanktionen verpflichtet. Diese beständen naheliegenderweise in einer entsprechenden Beschränkung der Transportkapazitäten der beiden Ostsee-Pipelines.


Die beiden Röhren von Nord Stream 2 verlaufen parallel zu der bereits seit zehn Jahren bestehenden Ostsee-Pipeline. Sie durchqueren dabei die Ausschließlichen Wirtschaftszonen von Finnland, Schweden und Dänemark, bevor sie in deutschen Hoheitsgewässern bei Greifswald anlanden. Mit einer Genehmigung durch die Küsten-Anrainer Estland, Lettland, Litauen und Polen konnte Gazprom nicht rechnen, da diese Staaten das Projekt bekämpften und bis heute ablehnen.

Grafik: Nord Stream 2

Mit der Zertifizierung ist erst nach Neubildung der Bundesregierung zu rechnen

Die in der Schweiz angesiedelte Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG kündigte an, die Pipeline noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen zu wollen. Zuvor muss sie allerdings die dafür erforderliche Genehmigung erhalten. Ursprünglich sollte dies eine maßgeschneiderte Ausnahmeregelung ermöglichen, die auf Betreiben der deutschen Regierung in die neue EU-Gasrichtlinie eingefügt wurde. Aus Gründen, die im einzelnen noch zu klären wären, wurde dieses Schlupfloch aber an die Fertigstellung der Pipeline bis zum Inkrafttreten der Richtlinie am 23. Mai 2019 gekoppelt, obwohl es technisch gar nicht möglich war, sie bis zu diesem Zeitpunkt zu vollenden. Die Bundesnetzagentur musste deshalb die von der Nord Stream 2 AG beantragte Befreiung von der Regulierung mangels Rechtsgrundlage ablehnen (200501). Eine daraufhin von der Gazprom-Tochter eingereichte Klage auf "Vertrauensschutz" blieb ebenfalls erfolglos (210801).

Weil dies absehbar war, stellte die Nord Stream 2 AG schon im Juni dieses Jahres "vorsorglich" bei der Bundesnetzagentur den Antrag, sie gemäß den Paragraphen 4b und 10 des Energiewirtschaftsgesetzes als "Unabhängigen Transportnetzbetreiber" zu zertifizieren. Die Gazprom müsste dann den Betrieb der Pipeline operativ und buchhalterisch von Gasförderung und -verkauf trennen. Vermutlich wird nun dieser Ausweg beschritten. Die Genehmigung durch die Bundesnetzagentur hinge dabei entscheidend von der Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums ab. Sie könnte sogar zum Streitpunkt bei den nun anstehenden Koalitionsverhandlungen werden und ist deshalb erst nach der Einigung über die Zusammensetzung der neuen Bundesregierung zu erwarten.

 

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