Juli 2020

200702

ENERGIE-CHRONIK


USA drohen mit neuen Sanktionen wegen Nord Stream 2

Die Trump-Regierung will die Vollendung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 weiter verhindern. Am 15. Juli drohte US-Außenminister Mike Pompeo vor der Presse in Washington mit neuen Sanktionen gegen Unternehmen und Personen, die der russischen Gazprom bei der Verlegung der restlichen Kilometer in irgendeiner Weise behilflich sein sollten. Er kündigte an, hierzu das aus dem Jahr 2017 stammende CAATSA-Gesetz (Countering America's Adversaries Through Sanctions Act) entsprechend anzupassen. Von diesem Gesetz war Nord Stream 2 seinerzeit ausgenommen worden, weil der Bau der Pipeline bereits begonnen hatte. Dies sei "eine eindeutige Drohung an Firmen, dass die Unterstützung und Begünstigung von Russlands Projekten mit bösartigem Einfluss nicht geduldet wird", sagte Pompeo. "Gehen Sie jetzt raus oder riskieren Sie die Konsequenzen."

Nach Informationen der "Welt am Sonntag" (26.7.) sind Vertreter der US-Regierung bereits bei verschiedenen Unternehmen vorstellig geworden, um unmittelbaren Druck auf sie auszuüben – eine Methode, wie sie im Dezember vorigen Jahres bereits gegenüber dem niederländisch-schweizerischen Verlegeschiff-Unternehmen "Allseas" erfolgreich praktiziert wurde (siehe Hintergrund). Die Firmen seien dabei per Videokonferenz mit bis zu zwölf Vertretern aus den drei US-Ministerien State Department (Außen), Treasury (Finanzen) und Energie konfrontiert worden.

Trump lässt Pläne für Truppenabzug regierungsoffiziell verkünden

Als Bestrafung für deutsche Unbotmäßigkeit ist auch die Ankündigung zu sehen, rund 12.000 der hierzulande stationierten US-Soldaten abzuziehen. Wie der amerikanische Verteidigungsminister Mark Esper am 29. Juli auf einer Pressekonferenz in Washington mitteilte, sollen von den rund 36.000 Soldaten an deutschen Standorten 6.400 in die USA und 5.600 nach Italien, Belgien und andere europäische Länder verlegt werden. Regierungsoffizielle Begründung ist eine strategische Neuausrichtung. Als US-Präsident Trump im Juni den Truppenabzug erstmals ankündigte, begründete er ihn allerdings damit, dass Deutschland zuwenig zum NATO-Budget beitrage: "Deshalb habe ich gesagt: Bis sie zahlen, ziehen wir lieber unsere Soldaten ab." Allerdings muss Trump die Gelder für die Truppenverlagerung erst vom Kongress bewilligt bekommen. Falls er die US-Präsidentschaftswahl im November verliert, dürfte mit einer Korrektur der Entscheidung zu rechnen sein.

BDI erwartet von Berlin und Brüssel deutliche diplomatische Reaktionen

In Deutschland wurden die neuen Drohungen der US-Regierung wegen Nord Stream 2 als völkerrechtswidrige bzw. "extraterritoriale" Anmaßung zurückgewiesen. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, gab am 17. Juli folgende Erklärung ab:

"Die wachsende Einflussnahme der USA auf Projekte der europäischen Energieversorgung belastet die transatlantischen Beziehungen ernsthaft. Die angedrohten Sanktionen schaffen ein erhöhtes Rechtssicherheits- und Investitionsrisiko für rund 120 große und kleine Unternehmen aus zwölf Ländern. Europäische Gasverbraucher müssen infolge dieser Androhungen mit steigenden Kosten rechnen.

Die deutsche Industrie kritisiert die völkerrechtswidrige extraterritoriale Anwendung von US-Sanktionen. Sie erwartet von der EU und den betroffenen Mitgliedstaaten deutliche diplomatische Reaktionen. Die EU muss eine politische Lösung mit den USA anstreben und an Wegen arbeiten, um europäische Unternehmen künftig vor den Auswirkungen unrechtmäßiger und einseitiger US-Sanktionen zu schützen. Es ist wichtig, die Rechtssouveränität und strategischen Wirtschaftsinteressen der EU zu verteidigen.

Die Unklarheit der Ausführungsbestimmungen macht die US-Sanktionsmaßnahmen besonders unkalkulierbar. Unternehmen wären den unberechenbaren politischen Entwicklungen unmittelbar ausgeliefert."

Maas: "Die europäische Energiepolitik wird in Europa gemacht und nicht in Washington"

Das Auswärtige Amt in Berlin veröffentlichte nach der Ankündigung der Trump-Regierung am 16. Juli folgende Stellungnahme von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD):

"Mit ihren Ankündigungen von Maßnahmen, die auch europäische Unternehmen mit Sanktionen bedrohen, mißachtet die US-Regierung das Recht und die Souveränität Europas, selbst zu entscheiden wo und wie wir unsere Energie beziehen. Die europäische Energiepolitik wird in Europa gemacht und nicht in Washington. Extraterritoriale Sanktionen lehnen wir klar ab.

Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen bereits vor dem Hintergrund einer möglichen Verschärfung von PEESA zahlreiche Gespräche mit der US-Seite geführt. Dabei haben wir unsere Position deutlich klar gemacht. Sich unter Partnern mit Sanktionen zu belegen, halten wir für falsch. Was wir brauchen ist eine gemeinsame transatlantische Haltung zu Sanktionen gegen Russland. Dieses Bemühen wird durch die gestrige US-Entscheidung noch schwieriger."

Merkel: "Diese Art exterritorialer Sanktionen entspricht nicht unserem Rechtsverständnis"

In der Sitzung des Bundestags am 1. Juli erklärte die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Antwort auf eine Frage der SPD-Abgeordneten Gabriela Heinrich, "dass die Art der exterritorialen Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten von Amerika verhängt werden, nicht unserem Rechtsverständnis entspricht". Die Vollendung von Nord Stream 2 werde dadurch schwieriger. Die Bundesregierung glaube aber trotzdem, "dass es richtig ist, dieses Projekt fertigzustellen, und in diesem Sinne agieren wir."

 

Links (intern)