März 2009 |
090303 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutschen Energiekonzerne dürfen das Eigentum an ihren Strom- und Gasnetzen behalten und auch den Betrieb der Netze weiterhin von Tochterunternehmen durchführen lassen. Am 23. März einigten sich Unterhändler des Europäischen Parlaments und der EU-Regierungen darauf, neben der von der EU-Kommission ursprünglich geforderten eigentumsrechtlichen Entflechtung und dem Konzept des "Independent System Operator" (ISO) auch das neu erfundene Modell des "Independent Transmission Operator" (ITO) zuzulassen. Dabei soll die Unabhängigkeit des Netzbetriebs vom Mutterkonzern lediglich durch einige Auflagen sichergestellt werden. Beispielsweise müssen die Unternehmen im Einvernehmen mit der nationalen Regulierungsbehörde eine Person benennen, die über die Einhaltung der EU-Standards wacht. Ferner sollen die nationalen Regulierungsbehörden gestärkt und unabhängiger werden.
Zunächst hatte das Parlament auf der eigentumsrechtlichen Entflechtung bestanden und sogar den "Independent System Operator" als unzureichenden Kompromiß abgelehnt (080603). Eine wirksamere Entflechtung scheiterte vor allem am Widerstand der Bundesregierung. Da es den nationalen Regierungen überlassen bleiben soll, welches der drei Modelle sie anwenden, werden deshalb die deutschen Energiekonzerne mit ziemlicher Sicherheit in den Genuß der schwächsten Lösung kommen. Der RWE-Konzern war sich dessen sogar so sicher, daß er bereits im Februar ankündigte, sein Höchstspannungsnetz als "Independent Transmission Operator" (ITO) zu organisieren (090209).
Aber auch mit der jetzigen Vereinbarung ist das weitreichende Zugeständnis an die deutschen Netzbetreiber und ihre politische Lobby noch nicht beschlossen. Vielmehr wird erst die Plenarabstimmung im April zeigen, wieweit das Parlament bereit ist, den Unterhändlern des Industrieausschusses zu folgen, der am 31. März offiziell die Annahme der jetzt ausgehandelten Lösung beschlossen hat.
Die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler, die als Vorsitzende des Industrieausschusses maßgeblich an den Verhandlungen mit den EU-Regierungen beteiligt war, bezeichnete die Durchsetzung des ITO-Modells als "Erfolg für Deutschland". Die britische Labour-Abgeordnete Eluned Morgan meinte, das Parlament brauche die deutschen Energiekonzerne gar nicht mehr zu zerschlagen, weil diese ohnehin dabei seien, sich in den diversen Mißbrauchsverfahren mit der Kommission (090304) selber zu zerlegen. Morgan hatte als Berichterstatterin die ursprüngliche Haltung des Ausschusses formuliert (080503) und auch am längsten daran festgehalten.
Als Gegenleistung für das Abrücken von der ursprünglichen Position machten die EU-Regierungen den Unterhändlers des Parlaments ein paar eher zweitrangige oder sogar zweifelhafte Zugeständnisse an die Bedürfnisse der Verbraucher. So sollen künftig die Verbraucher innerhalb von drei Wochen den Anbieter wechseln können. Außerdem haben die EU-Staaten nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß bis 2020 in 80 Prozent der Haushalte sogenannte intelligente Zähler installiert werden. Solche Zähler werden derzeit mit großem Reklameaufwand als angebliche Instrumente zum sparsamen Stromverbrauch propagiert. Einen wirklichen Nutzen davon haben aber nur die Stromversorger, denen auf diese Weise die Einführung lastvariabler Tarife ermöglicht wird (081013).