August 2024 |
240804 |
ENERGIE-CHRONIK |
Schon seit Juni 2019 sieht Artikel 14 der neugefassten EU-Richtlinie zum Strombinnenmarkt in allen Mitgliedsländern die Einführung unabhängiger Vergleichsportale für Stromtarife vor (190501). Eigentlich hätte diese Regelung auch in Deutschland bis Ende 2020 umgesetzt werden müssen. Es dauerte indessen bis Februar 2021, ehe die damalige Große Koalition mit dem neuen § 41c im Energiewirtschaftsgesetz eine entsprechende Regelung beschloss, die dann im Rahmen des "Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrechts" vom Bundestag beschlossen wurde und im Juli 2021 in Kraft trat (210205). Dann hörte man zwei Jahre lang nichts mehr von dieser löblichen Absicht zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Inzwischen arbeitet die Bundesnetzagentur aber doch an einer entsprechenden Regelung, wie sich den Ergebnissen einer brancheninternen Anhörung entnehmen lässt, die sie im Mai gestartet hat und jetzt auf ihren Internetseiten veröffentlichte.
Der Aufruf der Behörde zur Interessenbekundung richtete sich nicht nur an etablierte Betreiber von Vergleichsportalen, sondern allgemein an betroffene Branchenkreise,. Besonders galt das für solche Unternehmen und Institutionen, die bisher nicht in diesem Bereich aktiv sind, sich aber den Aufbau eines derartigen Vergleichsportals zutrauen würden. Voraussetzung wäre in jedem Fall, dass das Portal den gesetzlichen Intentionen nach § 41c EnWG zum Schutz der Verbraucher entspricht und deshalb bestimmten Kriterien genügt, die von der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck vorgeschrieben und überwacht werden. Im Gegenzug bekäme ein solches Vergleichsportal – theoretisch könnten es auch mehrere sein – von der Bundesnetzagentur oder einer von ihr beauftragten Stelle ein entsprechendes "Vertrauenszeichen" verliehen. Dieser amtliche Segen wäre naturgemäß ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Portalen. Falls ein derartiges Portal zugleich weiterhin die Möglichkeit hätte, mit den Stromanbietern die Zahlung von Provisionen für Lieferverträge zu vereinbaren, die durch seine Vermittlung zustande kommen, wäre auch seine finanzielle Basis gesichert.
Falls sich trotz aller Anstrengungen kein privater Interessent finden sollte, bliebe es der Bundesnetzagentur unbenommen, ein solches Portal in eigener Regie aufzubauen und selbst zu betreiben. Das steht so zwar nicht im Energiewirtschaftsgesetz, ergäbe sich aber implizit und als ultima ratio aus dem in § 41c EnWG verankerten Auftrag, für alle Haushaltskunden und Kleinstunternehmen mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100.000 Kilowattstunden den unentgeltlichen Zugang zu einem solchen unabhängigen Vergleichsinstrument sicherzustellen. Und das wäre wirklich sehr wichtig und überfällig, um den Stromverbrauchern endlich einen problemlosen Lieferantenwechsel zu ermöglichen. Denn bisher mussten sie beim Preisvergleich stets damit rechnen, mit allerlei Tricks über den Tisch gezogen zu werden oder noch schlimmer unter die Räuber zu fallen, wie das einst den Kunden von Care Energy, Flexstrom oder aktuell bei der stadtenergie passiert ist.
Außer Stromtarifen sollen auf Basis von § 53 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) künftig auch die Preise von Telekommunikationsdienstleistungen über ein unabhängiges Internetportal verglichen werden können. Ferner ist bereits angedacht und aufgrund von § 41c des Energiewirtschaftsgesetzes möglich, analog zu den Stromtarifen eine entsprechende Regelung für Gasangebote einzuführen. Die in Vorbereitung befindliche EU-Richtlinie über "gemeinsame Vorschriften für die Binnenmärkte für erneuerbare Gase und Erdgas sowie Wasserstoff" sieht das in Artikel 12 ebenfalls vor. Sie soll in Kürze in Kraft treten.
Erstaunlicherweise haben sich an dem von der Bundesnetzagentur gestarteten Anhörungsverfahren nur neun Unternehmen und Verbände mit Stellungnahmen beteiligt. In alphabetischer Reihenfolge sind das:
GET AG (pdf / 96 KB)
Handyhase GmbH (pdf / 63 KB)
Mut-zum-Wechseln GmbH (pdf / 198 KB)
Telefónica Germany GmbH & Co. OHG (pdf / 147 KB)
teltarif.de Onlineverlag GmbH (pdf / 145 KB)
Technische Werke Schussental GmbH & Co. KG (pdf / 97 KB)
Verivox GmbH (pdf / 100 KB)
VKU - Verband kommunaler Unternehmen e. V. (pdf / 656 KB)
vzbv - Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (pdf / 249 KB)
Lässt man die drei Telekommunikations-Interessenten beiseite, reagierten drei Tarifvergleicher für Strom sowie ein kommunaler Versorger und zwei Verbände mit Stellungnahmen zum Kern des Vorhabens. Von diesen sechs zeigten sich die drei Tarifvergleicher mehr oder weniger stark interessiert am Betrieb eines solchen unabhängigen Vergleichsportals für Stromtarife mit amtlichem "Vertrauenszeichen": Zum einen war das die GET AG , die vor einigen Jahren in die Vergleichsbranche mit dem Versprechen einstieg, nicht unbedingt die billigsten Preise, aber nur absolut solide Angebote zu vermitteln (190112). Größere Bedeutung scheint dieser Geschäftszweig aber nicht erlangt zu haben. Ähnliches gilt für die Mut-zum-Wechseln GmbH, die sich ebenfalls als Alternative zu Lug und Trug empfiehlt. Bei der Verivox GmbH handelt es sich dagegen um den einstigen Platzhirsch in diesem Gewerbe (080815), der aber schon seit Jahren nur noch den zweiten Rang nach dem Vergleichsportal "Check24" belegt (181203). Die beiden Marktführer Check24 und Verivox hätten mit Abstand die größten Einbußen zu befürchten, wenn sich die Stromverbraucher einem mit amtlichem "Vertrauenszeichen" versehenen Vergleichsportal zuwenden würden. Dass "Check24" offenbar nicht auf das Anhörungsverfahren reagiert hat, bedeutet deshalb noch lange nicht, dass man sich dort keine Gedanken darüber machen würde, wie diesem Schlag ins Kontor am besten zu begegnen wäre.
Bei den drei anderen Rückmeldungen handelte es sich lediglich um Stellungnahmen. Die TW Schussental wollten eine kritische Anmerkung zur Darstellung dynamischer Stromtarife loswerden. Die Verbände der Kommunalwirtschaft (VKU) und der Verbraucherzentralen (vzbv) zeigten ebenfalls keine Ambitionen, ein solches Portal zu betreiben, begrüßten aber beide grundsätzlich das Vorhaben. Zugleich nutzten sie die Gelegenheit, um ihre jeweiligen Wünsche zur Ausgestaltung des geplanten Vergleichsportals vorzubringen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hielt es dabei für besonders wichtig, dass über das Vergleichsinstrument kein Vertragsabschluss mit Provisionszahlung stattfindet. Allenfalls "zur Nutzerfreundlichkeit" dürfe direkt zum Anbieter verlinkt werden. "Ein Vertragsabschluss muss jedoch ausgeschlossen sein, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen sowie als vertrauensvolles Instrument wahrgenommen zu werden", bekräftigte er zum Schluss seiner Stellungnahme. Der VKU hat dieses Problem dagegen gar nicht angesprochen – vermutlich mit Rücksicht auf seine Mitglieder, die in diesem Punkt wahrscheinlich unterschiedlicher Auffassung sind. Die Zulässigkeit einer Finanzierung durch Provisionen ist jedenfalls von entscheidender Bedeutung, da ein privates Unternehmen ein derartiges Portal ohne solche Einnahmen vermutlich nur mit Zuschüssen betreiben könnte. Dann wäre es aber sicher sinnvoller, den staatlich subventionierten Tarifvergleich von vornherein komplett der Bundesnetzagentur zu übertragen.