Februar 2020

200206

ENERGIE-CHRONIK


 


Die Ertragslage des Tarifvergleichers Verivox wurde 2011 durch die Affären um Teldafax und Flexstrom schwer beeinträchtigt, stabilisierte sich dann aber und ging seit 2016 wieder deutlich nach oben. Etwas anders sah es beim Bilanzgewinn aus, der 2016 mit 9,8 Millionen Euro ausgewiesen wurde, aber 2017 ein MInus von 2,7 Millionen Euro ergab. Grund des Fehlbetrags waren außerplanmäßige Abschreibungen von 17 Millionen Euro auf die beiden Töchter Toptarif und Preis24. Neuere Bundesanzeiger-Angaben liegen noch nicht vor.

Stiftung Warentest warnt vor Verivox

Die Stiftung Warentest warnt in der März-Ausgabe ihrer Zeitschrift "Finanztest" vor Veränderungen, die der Tarifvergleicher Verivox bei der Anzeige der Angebote von Strom- und Gasanbietern vorgenommen hat. Im Dezember 2019 habe er fast alle voreingestellten Filter bei der Erstanfrage abgeschafft. Dadurch stehe nicht immer der günstigste Tarif an erster Stelle. Außerdem empfehle Verivox nun vor allem Tarife mit einer Laufzeit von 24 Monaten, wobei verschleiert werde, dass dies für Kunden häufig ungünstiger sei. Die Stiftung Warentest rät deshalb Strom- und Gaskunden, andere Vergleichsportale zu nutzen oder einen Wechselservice zu beauftragen.

Tatsächliche Kosten von 24-Monate-Verträgen schöngerechnet

Die Tester hatten sich fünf Tage lang angesehen, welche Tarife Verivox bei der Standardsuche auf der Startseite für einen Berliner Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden listet. Als günstigstes Ergebnis rangierte an der Spitze der Ergebnistabelle ein 24-Monats-Tarif, wobei aber nur der Preis des ersten Vertragsjahres berücksichtigt wurde, der sich aus der Anrechnung eines Bonusses ergab. Bei Berücksichtigung der tatsächlichen Gesamtkosten für 24 Monate fanden sich auf den Plätzen vier bis zwölf andere Tarife, die billiger als der Erstplatzierte waren.

"Bonus einberechnen" bleibt voreingestellt

Bisher sei die Suche auf den aktiven Wechsler ausgerichtet gewesen, der alle zwölf Monate den Tarif ändert und dafür nur Postleitzahl und Jahresstromverbrauch eingeben musste. Die Ergebnistabelle habe dann nur 12-Monats-Tarife gezeigt. Die alten Voreinstellungen hätten außerdem weitere verbraucherfreundliche Kriterien wie eine kurze Kündigungsfrist von sechs Wochen enthalten. Nun seien bei der Vertragslaufzeit wie bei der Preisgarantie die verbraucherfreundlicheren Voreinstellungen entfallen, aber die Voreinstellung "Bonus einberechnen" beibehalten worden, was die nun vorrangig angezeigten 24-Monats-Tarife günstiger erscheinen lässt als sie sind. Außerdem berücksichtige Verivox weiterhin nur solche Stromanbieter, die sich zur Zahlung von Provisionen für die Vermittlung von Neukunden verpflichtet haben.

Skandale um Teldafax und Flexstrom beschädigten den Ruf von Verivox

Als die Stiftung Warentest vor zwölf Jahren zum ersten Mal die Tarifvergleicher untersuchte, hatte sie Verivox noch mit "sehr gut" bewertet, weil dieser als einziger fast immer die günstigsten Angebote fand (080815). Ins Zwielicht gerieten die Praktiken des Vergleichsportals aber spätestens mit der Teldafax-Affäre: Verivox soll diesem dubiosen Strom- und Gasanbieter geholfen haben, seine Angebote so zurechtzuschneidern, dass sie beim Tarifvergleich stets oben rangierten. Zugleich soll er von Teldafax besonders hohe Provisionen für die Kundenvermittlung kassiert haben, die der Stromanbieter auch dann noch pünktlich überwies, als er bereits zahllosen Kunden und Lieferanten das Geld schuldig blieb (110909). Im Zuge dieser Affäre korrigierte der Tarifvergleicher seine Voreinstellungen, die bis dahin automatisch Angebote mit Vorkasse und Kautionszahlungen in den Vergleich einbezogen und so an die Spitze der vermeintlich günstigsten Angebote beförderten (111018). Kurz darauf beendete er auch die Vertriebspartnerschaft mit dem Strom- und Gasanbieter Flexstrom, der die Kunden mit mißverständlichen Bonus-Versprechen über den Tisch zu ziehen pflegte (111211). Der durch beide Affären erlittene Image-Schaden wirkte sich negativ auf die Wechselquote und damit auf die Erlöse des Unternehmens aus. Anfang 2012 verlor deshalb fast ein Viertel der 200 Mitarbeiter in der Heidelberger Zentrale den Arbeitsplatz (120309).

Neuer US-Großaktionär will noch mehr Profite sehen

Als die Stiftung Warentest vor sieben Jahren erneut die Tarifrechner-Szene untersuchte, vergab sie kein einziges Mal die Note "gut". Verivox führte zwar weiterhin die insgesamt enttäuschende Ergebnisliste an, bekam aber nur noch die Note "befriedigend" (130205). Zur Abwertung führten vor allem die Bonus-Versprechungen, mit denen inzwischen fast alle Energieanbieter und die mit ihnen geschäftlich verbundenen Portale auf Kundenfang gingen, während das früher übliche Vorkasse-Modell kaum mehr eine Rolle spielte (130317). Intern soll Verivox die über den Tarifrechner gewonnenen Daten durch eine Tochterfirma zum Nachteil der Kunden vermarktet haben (150109). Im Jahr 2015 wurde der Tarifvergleicher vom Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 übernommen (150611). Zwei Jahre später steckte ihn der neue Eigentümer mit anderen Beteiligungen wie der Partnervermittlung Parship oder dem Sexspielzeug-Vertreiber Amorelie unter das Dach seiner neu gegründeten NuCom Group SE. An dieser E-Commerce-Sparte ist seit Frühjahr 2018 der US-Finanzinvestor General Atlantic mit 25,1 Prozent beteiligt. Die Amerikaner sollen sofort darauf gedrängt haben, die Umsätze und Gewinne der NuCom-Gesellschaften stark zu steigern. Diese blinde Profitorientierung könnte erklären, weshalb die Stiftung Warentest nun sogar gänzlich von der Nutzung eines Portals abraten muss, das sie vor vielen Jahren mit "sehr gut" bewertet hat.

 

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