März 2012

120309

ENERGIE-CHRONIK


Massenentlassung beim Tarifvergleicher Verivox

Der Tarifvergleicher Verivox hat fast ein Viertel der Beschäftigten seiner Heidelberger Zentrale entlassen. Am 29. Februar erhielten 47 von insgesamt 200 Mitarbeitern überraschend die Kündigung. Das Unternehmen begründete den Personalabbau mit der Verschlechterung der Geschäftslage: Man habe im vergangenen Jahr mehrere Millionen Euro in Personal und Technik investiert. Das erwartete weitere Wachstum sei jedoch ausgeblieben, weshalb man nun den Personalbestand reduzieren müsse.

Die Verschlechterung der Geschäftslage begann offenbar mit der Insolvenz der Firma Teldafax, die im Sommer vergangenen Jahres rund 400.000 Kunden auf ihren Vorkasse-Verträgen sitzen ließ (110613). Teldafax war bei Tarifvergleichen immer an der Spitze der Ergebnislisten aufgetaucht und der wichtigste "Vertriebspartner" von Verivox. Dem Tarifvergleicher entgingen nun die besonders hohen Provisionen, die Teldafax beim Zustandekommen von Lieferverträgen zahlte. Außerdem mußte er sich gegen den Vorwurf verteidigen, Teldafax geholfen zu haben, die Angebote stets so zurechtzuschneidern, daß sie im Vergleich mit Konkurrenten am günstigsten erschienen (110909).

Hinzu kam die anschließende Auseinandersetzung mit dem Stromanbieter Flexstrom, der seine Kunden mit dem mißverständlich formulierten Versprechen einer Bonus-Zahlung zu ködern pflegt. Verivox war es leid, sich deshalb weiterhin mit enttäuschten Kunden auseinandersetzen zu müssen, die sich von Flexstrom über den Tisch gezogen fühlen. Anscheinend stritt man auch um die Höhe der zu zahlenden Provisionen. Jedenfalls beendete Verivox im Dezember 2011 die "Vertriebspartnerschaft" mit Flexstrom, worauf der Streit zwischen den beiden Unternehmen bis zu Strafanzeigen und gerichtlichen Auseinandersetzungen eskalierte (111211).

Verivox beklagt "erheblichen Reputations- und Imageschaden"


Seit 2006 ging es mit den Jahresergebnissen und dem Unternehmenswert von Verivox gewaltig nach oben. Vier ehemalige Mitgesellschafter, die sich 2006 für nur 2,76 Millionen Euro von 71,4 Prozent des Stammkapitals trennten, klagen deshalb jetzt auf 295 Millionen Euro Schadenersatz.
Quelle: Bundesanzeiger

"Die Insolvenz von Teldafax hat die Verbraucher massiv verunsichert, was sich auf die Wechselquoten ausgewirkt hat", bestätigte Verivox auf Anfrage der ENERGIE-CHRONIK. Auch habe "die Unzufriedenheit der Verbraucher mit Versorgern, die Ihre Versprechen nicht halten, das Interesse an einem Wechsel nicht unbedingt beflügelt". Ferner habe die gestiegene EEG-Quote die Wechselfreudigkeit gebremst. Dadurch sei die Zahl der von Verivox getätigten Vertragsvermittlungen bzw. der damit verbundenen Provisionen im vergangenen Jahr hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Aus der Stellungnahme geht ferner hervor, daß das Geschäftsergebnis nicht allein durch den Wegfall der Provisionen von Teldafax und Flexstrom beeinträchtigt wurde. Vielleicht noch gravierender ist der Image-Schaden, den Verivox und andere Tarifvergleicher erlitten haben:

"Daß die Zahl unserer Vertragsvermittlungen im Jahr 2011 hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, ist auch darauf zurückzuführen, daß wir falschen und haltlosen Vorwürfen ausgesetzt waren, die bei uns zu einem erheblichen Reputations- und Imageschaden geführt haben. Diese Vorwürfe haben sich allesamt nicht bewahrheitet bzw. konnten von uns vor Gericht erfolgreich abgewiesen werden. Allerdings war ein großer Teil unserer Ressourcen durch die Abwehr dieser Vorwürfe gebunden und konnte nicht in die Weiterentwicklung kundenfreundlicherer Produkte fließen."

Töchter von Entlassungen nicht betroffen

Von den Kündigungen nicht betroffen sind die Tochterunternehmen i12 GmbH und MaximilianOnlineMedia GmbH, die beide im hessischen Linden etwa 50 weitere Angestellte beschäftigen. Die MaximilianOnlineMedia GmbH betreibt die Internet-Angebote "billiger-telefonieren.de", "stromseite.de" und "billiger-surfen.de". Die i12 GmbH bezeichnet sich als Online-Verlag, der rund zwei Dutzend Internetseiten mit Nachrichten, Tarifvergleichen und anderem "Content" beliefert. Dazu zählen etwa "strom magazin", "stromtarife.net", "tarife.de", "dsl magazin" oder "speedreport.de".

Auch das Internetportal "energie.de", das 2002 von der MVV Energie gegründet (021017) und 2005 dem VWEW Energieverlag überlassen wurde (050809), gehört inzwischen zum Netzwerk der Verivox-Firma. Es firmiert nun als Gemeinschaftsunternehmen der i12 GmbH und der EW Medien und Kongresse GmbH. Letztere entstand 2009 aus der Umbenennung des VWEW Energieverlags, der quasi der Hausverlag des früheren VDEW bzw. des heutigen BDEW ist. Generell ist Verivox mit der etablierten Stromwirtschaft sehr gut vernetzt.

Aus kleinen Anfängen zu einer Umsatzrendite von 32 Prozent

Die Verivox GmbH wurde Ende 1998 in Heidelberg von Nikolaus Starzacher und Andrew Goodwin gegründet. Kurz darauf stieß als Mitgesellschafter und Geschäftsführer Alexander Preston hinzu, der ein Cousin von Goodwin ist. Es handelte sich zunächst um ein typisches Start-up-Unternehmen. Noch 2006 entfielen 80 Prozent der Umsatzerlöse auf Prepaid-Karten. Das heutige Hauptgeschäft, das in der Vermittlung von Stromlieferanten und anderen Verträgen besteht, machte lediglich neun Prozent der Umsatzerlöse aus.

In den folgenden Jahren entwickelte sich Verivox dann aber zum führenden Dienstleister für den Vergleich von Strom- und Gastarifen im Internet, der auf Knopfdruck auch gern den Lieferantenwechsel besorgt. Die dafür gezahlten Provisionen wurden zum Hauptgeschäft. Nach zuletzt veröffentlichten Angaben erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2010 mit 158 Mitarbeitern einen Umsatz von 54,6 Millionen Euro sowie einen Rekord-Jahresüberschuß von 17,5 Millionen Euro. Das entsprach einer Umsatzrendite von 32 Prozent, von der andere Unternehmen nur träumen können.

An die Stelle der alten Gesellschafter tritt eine Holding in London

An die bescheidenen Anfänge erinnert bis heute das Stammkapital der GmbH, das mit 42.000 Euro noch immer nicht viel höher als die 50.000 DM bei der Gründung ist. Wichtiger als das Stammkapital war das Risikokapital, das später hinzukommende Gesellschafter zusätzlich zur Verfügung stellten, und das die KfW-Tochter tbg mit einer stillen Beteiligung in Höhe von 1,5 Millionen Euro nochmals verdopppelte. Die KfW-Starthilfe wurde Ende 2006 abgelöst. Zum selben Zeitpunkt schieden vier der sechs Mitgesellschafter aus, die bisher 71,4 Prozent am Stammkapital besaßen und diese Beteiligungen für insgesamt 2,76 Millionen Euro verkauften. Darunter befand sich der Unternehmens-Mitbegründer Starzacher. Auch Goodwin und Preston verkauften ihre Anteile: Seit Ende 2006 gehörte Verivox zu hundert Prozent der ETF Homecheck Limited mit Sitz in London. Im Unterschied zu den vier ausgeschiedenen Mitgesellschaftern blieben Goodwin und Preston aber durchaus im Geschäft. Sie waren an der neuen Eigentümerin sogar mehrheitlich beteiligt. Heute firmiert die in London ansässige Holding als Verivox Holdings Ltd. Der 2007 neu formulierte Gesellschaftervertrag ist in Deutsch und Englisch abgefaßt (nach § 10 ist die deutsche Fassung maßgebend).

"Private-Equity"-Gesellschaft übernimmt die Mehrheit

Ende 2009 teilte die "Private-Equity"-Gesellschaft Oakley Capital mit, daß sie insgesamt 51 Prozent an Verivox erworben habe: 49 Prozent kamen vom irischen Verlagskonzern Independent News and Media PLC, der in Schwierigkeiten steckte und sich deshalb für 17 Millionen Euro von seinen Verivox-Anteilen trennte. Weitere zwei Prozent bekam die "Private-Equity"-Gesellschaft von den beiden Unternehmensgründern, die mit jeweils 24,5 Prozent an Verivox beteiligt blieben.

Ungenannt blieb die Summe, die Goodwin und Preston von der Private-Equity-Gesellschaft für die Abtretung der fehlenden zwei Prozent zur Erlangung der Mehrheit bekommen haben. Jedenfalls lag damit der Marktwert des Unternehmens bei mindestens etwa vierzig Millionen Euro. Ende 2006 hatten die Mitgesellschafter ihre Anteile in Höhe von insgesamt 71,4 Prozent für nur 2,76 Millionen Euro verkauft. Binnen drei Jahren war der Wert des Unternehmens also um das Zehnfache gestiegen. Das Rekordergebnis des Jahres 2010 mit einer Umsatzrendite von 32 Prozent trieb den Unternehmenswert noch weiter nach oben.

Vor einem Jahr wurde Verivox für 400 Millionen Euro zum Verkauf angeboten

Anfang 2011 nutzten Oakland Capital, Goodwin und Preston die überaus günstige Geschäftsentwicklung, um Verivox für 360 Millionen Pfund zum Verkauf anzubieten. Das waren 400 Millionen Euro. – Also nochmals eine Verzehnfachung des Unternehmenswerts gegenüber Dezember 2009, als Oakland Capital einstieg, und sogar das Hundertfache gegenüber November 2006, als die vier Mitgesellschafter fast drei Viertel der Anteile für nur 2,76 Millionen Euro verkauften.

Ehemalige Mitgesellschafter verlangen 295 Millionen Euro Schadenersatz

Das Verkaufsangebot wurde bereits damals für überhöht gehalten. Es war wohl auch eher ein Versuchsballon. Es war aber Wasser auf die Mühlen der vier ehemaligen Mitgesellschafter, die schon 2009 eine Schadenersatzklage eingereicht hatten, weil sie sich von den beiden geschäftsführenden Mitgesellschaftern über den Tisch gezogen fühlten. Sie werfen Goodwin und Preston vor, sie über die hervorragenden Geschäftsaussichten der Verivox GmbH getäuscht zu haben. Sie verlangen deshalb Schadenersatz in Höhe von 295 Millionen Euro. Wegen der Höhe der Summe belaufen sich allein die Gerichtskosten auf 274.000 Euro.

Goodwin und Preston reagierten mit einer Gegenklage. Anscheinend unterstellen sie den Klägern eine Art Erpressungsversuch: Es gehe ihnen letztlich nur darum, die Zahlung einer hohen Summe zu erreichen, damit die Klage zurückgenommen wird. Daran stimmt zumindest soviel, daß der mögliche Verkaufspreis von Verivox durch eine 295-Millionen-Klage stark gemindert wird.

Das Verfahren verzögerte sich zunächst, weil strittig war, welches Gericht zuständig ist. Inzwischen hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg bestätigt. Für Ende März wurde von der Kammer für Handelssachen ein erster Beschlußtermin angesetzt.

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