November 2015

Hintergrund

ENERGIE-CHRONIK


 

Weil versäumt wurde, die Vergütungen rechtzeitig und in ausreichendem Maße der Verbilligung der Solarstromerzeugung anzupassen, explodierten ab 2009 die Zubau-Zahlen und die Vergütungen für Photovoltaik. Diese wurde dadurch zum Sündenbock für den rapiden Anstieg der EEG-Umlage, der freilich noch ganz andere Gründe hatte. (Grafik vergrößern)

Solarstrom-Förderung auf dem Tiefpunkt

(zu 151105)

Der Zubau von Solaranlagen war eigentlich als Wohltat für die Zukunft der Energieversorgung gedacht. Momentan wirkt er aber eher wie ein Übeltäter, den man dauerhaft eingesperrt hat, weil er immer wieder entwischt ist (siehe obige Grafik mit den Zubau-Zahlen bis 2012). Es half ihm auch nichts, daß er sich nach Inkrafttreten des EEG 2012 bald brav innerhalb des "Zielkorridors" bewegte. Auch unter dem EEG 2014 mußte er weiter dafür büßen, daß er früher so arg über die Stränge geschlagen hatte: Er sank nun immer tiefer unter die 2.400 MW, die als neue Untergrenze für den wünschenswerten Zubau gelten. Vermutlich ist der Absturz damit noch nicht zu Ende. Lediglich die Kürzungen der Solarförderung haben ein Ende erreicht.

Ab 2007 waren die Zubau-Raten explodiert, weil die Lobby eine wirksame Absenkung der Förderung verhindern konnte

In krassem Gegensatz zur heutigen Situation war die Lage auf dem Photovoltaik-Markt lange Zeit von einer Überförderung gekennzeichnet, weil die vom Gesetzgeber vorgenommenen Abstriche nicht Schritt hielten mit der Verbilligung des Anlagenbaues und der Solarstromerzeugung. Schon 2007 kam es deshalb zu einer denkwürdigen Auseinandersetzung innerhalb der Solar-Szene: Die eher wissenschaftlich-ideell orientierte "Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie" (DGS) forderte eine stärkere Kürzung der Vergütungen für Solarstrom, weil die in diesem Sektor erzielten Profite sonst nur Mitnahme-Effekte für die einschlägigen Unternehmen bewirken würden. Durch den Wegfall des Anreizes zu einer weiteren Kostensenkung würden die zu hohen Fördersätze sogar zu einem Hindernis für die Weiterentwicklung der Photovoltaik. Außerdem würden sie zu Milliarden-Lasten für die Verbraucher führen, die auf Dauer nicht haltbar seien. Dagegen hielt der kommerziell orientierte Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) überhaupt nichts von solchen Kürzungen, da sie logischerweise zu Lasten der Gewinne gegangen wären (070615).

Der damals registrierte Zubau von 1.271 MW war vergleichsweise bescheiden und lag sogar unter dem kläglichen Ergebnis von heute. Die EEG-Umlage belief sich auf 1,03 Cent pro Kilowattstunde, was weniger als einem Sechstel der heutigen Höhe entsprach. Vermutlich war dies der Grund, weshalb die Politiker die Brisanz nicht erkannten, die in der Warnung der DGS lag. Jedenfalls konnte die Lobby fünf Jahre lang verhindern, daß es zu wirklich wirksamen Abstrichen an der Solarförderung kam (080507).

Photovoltaik mußte als Sündenbock für den Anstieg der EEG-Umlage herhalten

Stattdessen ging es auf dem Felde der Gesetzgebung zu wie beim Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel: Kaum hatte der Gesetzgeber wieder mal eher zaghafte Abstriche vorgenommen, meldete die Photovoltaik-Branche neue Zubau-Rekorde (100403, 110101, 120101). Der Gipfel wurde in den Jahren 2010 bis 2012 erreicht, als der jährliche Zubau im Durchschnitt 7,5 Gigawatt erreichte (120101, 130203).

Mit den Zubau-Raten explodierten die zu zahlenden EEG-Vergütungen, wie die DGS befürchtet hatte. Der rasche Anstieg der EEG-Umlage war allerdings nicht nur auf die gestiegenen Kosten für die EEG-Vergütungen zurückzuführen. Auch die Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens und die weitgehende Befreiung der Industrie von der Umlage (140204) bewirkten eine erhebliche Mehrbelastung der Normalverbraucher (100407, 120204, 121001). In den Medien mußte nun jedoch die Photovoltaik als Sündenbock herhalten (101001).

Erst das EEG 2012 sorgte für eine wirksame Begrenzung des Zubaues

Bis 2012 war so die EEG-Umlage, die beim Inkrafttreten des EEG im Jahre 2000 bei 0,20 Cent/kWh gelegen hatte, auf 3,59 Cent/kWh gestiegen. Ein weiterer, besonders kräftiger Anstieg auf 5,28 Cent/kWh im folgenden Jahr war bereits absehbar. In dieser Situation kam es mit dem EEG 2012 erstmals zu einer wirklich durchgreifenden Reduzierung und Begrenzung der PV-Förderung (120301, 120602). Wegen der komplizierten Berechnungsmethode dauerte es noch etwas, bis offiziell ein deutlicher Rückgang des Zubaues zu konstatieren war (130706). Ab 2014 lagen dann aber die Zubau-Zahlen voll im damals geltenden Zielkorridor und tendierten weiterhin deutlich nach unten (140508).

Die erfolgreiche Begrenzung des Photovoltaik-Zubaues wurde nicht nur in die ab 2014 geltende Neufassung des EEG übernommen, sondern diente als Vorbild für die Begrenzung des Zubaues bei anderen Arten der regenerativen Stromerzeugung. In den §§ 27 - 31dekretiert das neue EEG nun sowohl für die Photovoltaik als auch für landgestützte Windkraftanlagen einen Zielkorridor von 2.400 bis 2.600 MW, dessen Überschreitung nach oben zu einer Verschärfung der Degression führt, während es beim Verlassen des Korridors nach unten zu geringeren Abstrichen an der Förderung kommt. Eine ähnliche Regelung wurde mit der Zubaugrenze von 100 MW für Biomasse eingeführt, deren Überschreitung die vierteljährliche Förder-Absenkung von 0,5 Prozent auf 1,27 Prozent erhöht. Bei Offshore-Windkraftanlagen wäre dagegen die Dekretierung von Korridoren oder Zubaugrenzen sinnlos gewesen, da hier die Begrenzung des Zubaues auf andere Weise stattfindet (150501). Bei Wasserkraft, Deponiegas, Klärgas, Grubengas und Geothermie beließ man es ebenfalls bei sukzessive höheren Förder-Abschlägen, da hier der Zubau praktisch keine Dynamik aufweist.

Zielkorridor des EEG 2014 lag von Anfang an über dem tatsächlichen Zubau

Das EEG 2014 übernahm bei der Photovoltaik das Grundgerüst der bisherigen Regelung, veränderte aber den Zielkorridor und senkte die monatliche Standard-Degression von 1 auf 0,5 Prozent. Diese Lockerung der Daumenschrauben genügte freilich nicht, um den Zubau im Rahmen des Korridors zu halten, zumal nun auch noch der Eigenverbrauch aus netzgekoppelten PV-Anlagen mit 40 Prozent der EEG-Umlage belegt wurde (140601). Als das neugefaßte EEG zum 1. August 2014 in Kraft trat, hatte der Zubau den Korridor bereits nach unten verlassen. Die Fördersätze wurden deshalb nicht um die Standard-Degression von 0,5 Prozent, sondern lediglich um 0,25 Prozent gekürzt (141007). Aber auch das konnte die Talfahrt nicht aufhalten (150107), weshalb ab Oktober 2015 die Degression ganz entfiel und die Fördersätze auf dem bis dahin erreichen Minimum vorläufig eingefroren wurden.

Bei einer installierten Leistung von 52.000 MW endet die Förderung

Nach § 31 Abs. 6 EEG wird bei Erreichen einer installierten Gesamtleistung von 52.000 MW die Förderung ganz entfallen. Ende September belief sich die installierte PV-Kapazität auf 39.402 MW. Die verbleibende Differenz von 12.598 MW wäre somit in fünf Jahren aufgezehrt, falls sich künftig der Zubau im mittleren Bereich des Korridors bewegen würde. Das wäre jedoch eine recht optimistische Annahme. Zumindest würde sie eine weitere Verbilligung der Solarstromerzeugung voraussetzen, welche die mit dem EEG 2014 errichteten Hindernisse kompensiert.

Umstellung der Förderung auf Ausschreibungen wird Großunternehmen begünstigen

Noch völlig unklar sind vor allem die Auswirkungen, die sich aus der Umstellung der gesamten EEG-Förderung auf Ausschreibungen ergeben, wie sie von Union und SPD vereinbart wurde (140101) und laut § 2 Abs. 5 EEG schon bis 2017 verwirklicht werden soll. Der Photovoltaik ist hier die Rolle des Vorreiters zugedacht. Anfang 2015 erließ die Bundesregierung dazu eine entsprechend Verordnung (150101). Mittlerweile wurden zwei Ausschreibungsrunden für Freiflächenanlagen abgeschlossen (150405, 150615). Seit Anfang Oktober läuft das dritte Bieterverfahren.

Die Bundesnetzagentur bezeichnete die beiden ersten Tests als erfolgreich. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sah dagegen seine Befürchtung bestätigt, daß Ausschreibungen kein geeignetes Instrument sind, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben und kostengünstiger zu gestalten (140505). Neben einer Verfehlung der ohnehin schon stark reduzierten Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien drohe insbesondere eine Verringerung der "Akteursvielfalt". Konkreter gesagt: Die Umstellung der EEG-Förderung auf Ausschreibungen würde Stromkonzerne und andere größere Unternehmen begünstigen, die dann auch die Förderung für den verbleibenden Rest des Photovoltaik-Zubaues unter sich aufteilen könnten.

"Kriegserklärung an die dezentrale Energiewende"

Noch schärfer äußerte sich die Sonnenenergie-Vereinigung Eurosolar. Aus deren Sicht würde die Umstellung auf Ausschreibungen "eine Abschaffung des EEG" bedeuten und "die Energiewende endgültig abwürgen". Generell seien die aktuellen politischen Vorhaben der Bundesregierung eine "Kriegserklärung an die dezentrale Energiewende".

Neuesten Informationen zufolge will die Koalition die drohende Benachteiligung von einzelnen Bürgern und Bürgerinitiativen mit schmalem Budget etwas korrigieren, indem sie die Ausschreibungen nur für Erneuerbaren-Projekte ab 1 Megawatt einführt. Unterhalb dieser Grenze soll es bei der herkömmlichen Vergütung bleiben. Die Förderung der üblichen Solaranlagen auf Hausdächern wäre damit weiterhin möglich.