Oktober 2012

121001

ENERGIE-CHRONIK


 

Wie diese Grafik erkennen läßt, begann der unverhältnismäßig starke Anstieg der EEG-Umlage im Jahr 2010, als der neue "Ausgleichsmechanismus" in Kraft trat. Damit entfiel die bisherige Absatzgarantie für EEG-Strom. Stattdessen wird der Strom seitdem zu Niedrigpreisen an der Börse verramscht. Den Nutzen haben die Stromanbieter, denn die Börsenpreise sind dadurch deutlich zurückgegangen. Die erhöhten Kosten des Ausgleichsverfahrens werden dagegen den Verbrauchern aufgebürdet. Außerdem hat man immer größere Teile der industriellen Stromverbraucher von der Zahlung der EEG-Umlage weitgehend befreit, wodurch die EEG-Umlage für den "nichtprivilegierten Letztverbrauch" von Haushaltskunden und Gewerbe ebenfalls gestiegen ist (siehe Hintergrund).

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EEG-Umlage steigt auf 5,277 Cent pro Kilowattstunde

Die von den Stromverbrauchern zu bezahlende EEG-Umlage beträgt im kommenden Jahr 5,277 Cent pro Kilowattstunde. Bisher lag sie bei 3,59 Cent/kWh. Sie steigt somit um 47 Prozent bzw. um knapp die Hälfte des bisherigen Satzes. Dies teilten die vier Übertragungsnetzbetreiber am 15. Oktober mit. Da auch auf die staatlich verfügten Belastungen des Strompreises zusätzlich die Mehrwertsteuer fällig wird, beträgt die reale Belastung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz 6,28 Cent/kWh. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden bedeutet dies im kommenden Jahr eine Mehrbelastung um 70 Euro, die den EEG-Anteil seiner Stromrechnung auf 220 Euro erhöht.

Der enorme Anstieg der EEG-Umlage desavouiert die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am 9. Juni 2011 vor dem Bundestag angekündigt hatte, daß die Umlage nicht über die damalige Größenordnung von 3,5 Cent/kWh hinaus steigen werde (120701). Und noch im November 2011 hatte das Bundesumweltministerium versichert: "Die EEG-Umlage wird in den nächsten beiden Jahren relativ stabil bleiben und höchstens geringfügig ansteigen." Das Ministerium widersprach damit einer Prognose der Übertragungsnetzbetreiber, die die Bandbreite der EEG-Umlage 2013 mit 3,66 bis 4,74 Cent/kWh veranschlagten. Das hätte einer Steigerung um 2 bis 32 Prozent entsprochen (111110).

Im Laufe dieses Jahres zeichnete sich immer deutlicher ab, daß sogar diese Prognose wenig realistisch war und der darin genannte Maximalwert deutlich überschritten werden würde (120701). Die Bundesregierung wurde in ihren Verlautbarungen vorsichtiger und stimmte am Ende die Öffentlichkeit selber auf eine bevorstehende Erhöhung ein. Innerhalb der Regierungskoalition nutzte die FDP den Unmut über diese und andere Belastungen des Strompreises, um einen Generalangriff auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu starten und dessen Ablösung durch eine Quoten-Regelung zu fordern (120801). Die Oppositionsparteien griffen das Thema ebenfalls auf, indem sie der Regierung vorwarfen, sie habe die Großverbraucher weitgehend von der EEG-Umlage befreit und damit die Belastung der übrigen Stromkunden unnötig in die Höhe getrieben.

Kanzlerin räumt ein, daß Verramschung des EEG-Stroms an der Börse die Umlage hochgetrieben hat

Die ständig steigenden Strompreise dürften damit ein wichtiges Thema des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes werden. Kurz nach Bekanntgabe der neuen EEG-Umlage ging die Bundeskanzlerin in die Offensive, indem sie am 16. Oktober in ihrer Rede vor dem Deutschen Arbeitgebertag in Berlin "dringenden Reformbedarf beim EEG" sah und auch eine Überprüfung der Ausnahmeregelungen für Großverbraucher ankündigte. Diese seien zu pauschal auf den Stromverbrauch abgestellt worden, anstatt die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen: "Wir müssen also prüfen, ob es eigentlich richtig war, daß wir so viele Unternehmen herausgenommen haben, denn es sind nun mehr als diejenigen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Wenn der Effekt ist, daß alle die, für die keine Ausnahme gilt, einen hohen Strompreis haben, während andere, die auch nicht im internationalen Wettbewerb stehen, aber gerade noch unter die Ausnahmeregelung fallen, einen geringeren Strompreis zahlen, dann ist das schwierig."

Die Bundeskanzlerin verwies ferner darauf, daß der Preisrückgang am Spotmarkt der Strombörse zum Anstieg der EEG-Umlage beigetragen hat: "Ein Teil der Erhöhung der EEG-Umlage beruht – man höre und staune – darauf, daß der Strom an der Börse billiger geworden ist. Da die Förderkosten für die erneuerbaren Energien natürlich immer die gleichen sind, der Strom aber billiger geworden ist, sind die Differenzkosten höher. Das heißt, auch das macht einen Teil der EEG-Umlage aus." Zur Ursache des Preisrückgangs am Spotmarkt äußerte sich die Kanzlerin nicht. Faktisch räumte sie damit aber ein, daß die seit 2009 praktizierte und seit 2010 gesetzlich vorgeschriebene Verramschung des EEG-Stroms an der Börse die EEG-Umlage hochgetrieben hat.

Wirbel um "Preisgarantie" von RWE, die bei näherem Hinsehen gar keine war

Anscheinend richtete sich diese Bemerkung der Kanzlerin vor allem an die Adresse der Stromkonzerne, die seit ungefähr vier Jahren von dem deutlichen Rückgang der Spotmarktpreise profitieren, ohne die Einsparungen an die Verbraucher weiterzugeben, die den Preisrückgang am Spotmarkt über eine erhöhte EEG-Umlage finanzieren müssen (120204). Die Bundesregierung glaubt deshalb von den Versorgern erwarten zu dürfen, daß sie nun Zurückhaltung üben und die massive Erhöhung der EEG-Umlage nicht nolens volens auf die Strompreise aufschlagen. Demonstrativ begrüßte sie eine vage Verlautbarung des RWE-Konzerns, der auf Presseanfragen hin erklärt hatte, den momentanen Strompreis in der Grundversorgung "bis in das Jahr 2013 stabil" halten zu wollen. Bundesumweltminister Altmaier kündigte daraufhin an: "Ich werde Gespräche führen, um andere zu überzeugen, daß sie sich diesem Beispiel anschließen." Das Magazin Focus (15.10.) berichtete sogar, daß die ganze Energiebranche bereit sei, vorerst auf eine Weitergabe der EEG-Umlage zu verzichten.

In Wirklichkeit kann RWE in diesem Jahr nicht schon wieder eine Preiserhöhung riskieren, nachdem der Tarif erst im August um 1,79 Cent/kWh erhöht wurde. Die Formulierung "bis in das Jahr 2013" bedeutet auch nicht mehr als eine Preisgarantie für den Rest des Jahres. Von einem Verzicht der ganzen Branche kann erst recht keine Rede sein. Das machte postwendend der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) deutlich, indem er das Ansinnen Altmaiers entschieden zurückwies: Viele Stadtwerke seien aufgrund der neuen EEG-Umlage gezwungen, die Strompreise zu erhöhen, erklärte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck am 17. Oktober. Es nutze niemandem, "einzelne Energieversorger in den Medien als Vorbild zu beschreiben, die selbst Teil eines Oligopols in der Stromerzeugung sind und dadurch auch Vorteile im Vertriebsbereich generieren können".

Regierung kündigt "grundlegende Reform des EEG" an, mit der aber vor den Wahlen nicht mehr zu rechnen ist

Die Kanzlerin betonte in ihrer Rede vor dem Deutschen Arbeitgebertag, daß sich das EEG nicht einfach "per Dekret" ändern lasse. Eine vernünftige Änderung der bestehenden Regelungen setze "zumindest eine Mehrheit im Deutschen Bundestag plus eine Mehrheit im Bundesrat voraus". Das darf als Hinweis gewertet werden, daß das EEG zwar im Wahlkampf eine Rolle spielen wird, mit einer grundlegenden EEG-Reform in dieser Legislaturperiode aber nicht mehr zu rechnen ist, zumal auch innerhalb der Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP keineswegs Einigkeit über die einzuschlagende Marschroute besteht.

In diese Richtung geht auch ein "Verfahrensvorschlag zur Neuregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes", den Bundesumweltminister Peter Altmaier einen Tag später vorlegte. Das Papier verlangt eine "grundlegende Reform des EEG, die über die bisherigen Korrekturen und Anpassungen hinausgeht". Demnach würden künftig – ähnlich wie bei der bereits erfolgten Deckelung des Photovoltaik-Zubaues (120602) – "zeitliche und quantitative Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien gesetzlich festgelegt". Energiepolitisches Ziel soll weiterhin sein, bis 2050 den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung auf 80 Prozent zu erhöhen. Das für 2020 vorgesehene Mindest-Ausbauziel von 35 Prozent werde voraussichtlich nicht nur erreicht, sondern deutlich überschritten. Deshalb sei dessen Anhebung auf etwa 40 Prozent angebracht.

Die vorläufig noch recht vage formulierten Eckpunkte des Papiers will Altmaier von November 2012 bis Mai 2013 mit insgesamt fünf Veranstaltungen in die politische Debatte einbringen. Anschließend soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, "der in strittigen Fragen unterschiedliche Lösungen zuläßt" und in den Bundestag eingebracht wird, "sobald Konsens über wesentliche Einzelfragen besteht". Daß dieser Konsens ausgerechnet in der heißen Phase des Wahlkampfs zustande kommt, ist freilich nicht zu erwarten. Die EEG-Novelllierung wird deshalb – sofern es überhaupt zu einem Gesetzentwurf reicht – wohl kaum noch in dieser Legislaturperiode den Bundestag passieren.

Bei der "Liquiditätsreserve" schöpfen die Netzbetreiber dieses Mal den Höchstsatz aus

Die Übertragungsnetzbetreiber haben jeweils bis 15. Oktober eines jeden Jahres die Höhe der EEG-Umlage für das nächste Jahr aufgrund einer prognostischen Einschätzung der zu erwartenden Belastungen bekanntzugeben. Abweichungen vom endgültigen Jahresergebnis werden bei der Prognostizierung der folgenden EEG-Umlage berücksichtigt. Außerdem haben sie jeweils bis zum 15. November die "realistische Bandbreite der EEG-Umlage des übernächsten Jahres" zu prognostizieren und zu veröffentlichen.

Bei der nun vorgelegten Berechnung der EEG-Umlage für 2013 gehen die Übertragungsnetzbetreiber von 18,74 Milliarden Euro Kosten aus, denen Einnahmen in Höhe von 2,58 Milliarden gegenüberstehen, so daß eine Deckungslücke 16,16 Milliarden entsteht. Die sogenannte Kernumlage zum Ausgleich dieses Defizits beläuft sich auf 4,19 Cent/kWh. Hinzu kommt ein Defizit von 2,59 Milliarden Euro aus der zu niedrig angesetzten EEG-Umlage für das Jahr 2012. Der Ausgleich dieses Prognosefehlers erhöht die EEG-Umlage um 0,67 Cent pro Kilowattstunde. Außerdem machen die Netzbetreiber erneut von der seit 2012 bestehenden Möglichkeit Gebrauch, eine sogenannte Liquiditätsreserve vorzusehen. Für 2012 wurde diese Liquiditätsreserve mit drei Prozent der Kernumlage festgesetzt. Nunmehr schöpfen die Netzbetreiber den zulässigen Höchstsatz von zehn Prozent voll aus und erhöhen damit die EEG-Umlage um 0,42 Cent/kWh. Insgesamt ergibt sich so ein Umlagebetrag von insgesamt 20,4 Milliarden Euro und die Gesamthöhe der neuen EEG-Umlage mit rund 5,28 Cent/kWh.

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