Februar 2012 |
120204 |
ENERGIE-CHRONIK |
Diese IZES-Grafik zeigt den typischen Verlauf der Stromnachfrage binnen eines Tages, wie er sich im ersten Halbjahr 2011 oberhalb einer Grundlast von 46.000 MW darstellte (graue Kurve). Wie man sieht, wurde der Mehrbedarf in erheblichem Maße – je nach Jahreszeit mehr oder weniger stark - von der Solarstromeinspeisung ausgeglichen. Da Solarstrom vorrangig abgenommen werden muß, verdrängte er so zum Teil den Strom aus teueren Spitzenlastkraftwerken und dämpfte die Preise am Spotmarkt. Paradoxerweise beschert dieser Preisrückgang an der Börse den Verbrauchern aber keine Entlastung, sondern eine erhöhte EEG-Umlage. |
Solarstrom ersetzt inzwischen zum guten Teil den teuren Spitzenlaststrom, der sonst in Pumpspeicher- oder Gaskraftwerken erzeugt werden müßte, damit das Stromangebot der im Tagesverlauf steigenden Nachfrage folgen kann. Deshalb sind auch am Spotmarkt der Strombörse die Preise zurückgegangen. Den Nutzen davon haben aber nur die Stromhändler bzw. Stromanbieter. Für den Endverbraucher entsteht sogar eine zusätzliche Belastung, weil die seit über einem Jahr geltende Neuregelung des EEG-Ausgleichs (091201) dafür sorgt, daß die preisdämpfenden Effekte des Solarstroms eine Erhöhung der EEG-Umlage bewirken und so zu einer Erhöhung des Strompreises führen. Dies ergibt sich aus einer "Kurzstudie", die jetzt vom "Institut für ZukunftsEnergieSysteme" (IZES) im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) vorgelegt wurde.
Der Studie zufolge senkt Solarstrom die durchschnittlichen Preise an der Epex Spot (091209) um bis zu zehn Prozent, zur Mittagszeit sogar um bis zu 40 Prozent. Insgesamt beläuft sich der Preissenkungseffekt für das Jahr 2011 demnach auf 520 bis 840 Millionen Euro, was einer Preisminderung von vier bis sechs Euro pro Megawattstunde entspricht.
Jährliches Verhältnis Epex-Base zu Epex-Peak |
Installierte PV-Leistung zum Jahresende in GW |
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2002 | 126,4 % | 0,3 |
2003 | 125,5 % | 0,4 |
2004 | 119,2 % | 1,1 |
2005 | 121,8 % | 2,1 |
2006 | 125,6 % | 2,8 |
2007 | 128,3 % | 4,0 |
2008 | 120,8 % | 6,0 |
2009 | 120,5 % | 9,8 |
2010 | 114,4 % | 17,3 |
2011 | 111,7 % | 24,5 (vorläufig) |
Die Preissenkung entsteht deshalb, weil Solarstrom – anders als die ebenfalls fluktuierende Einspeisung von Windstrom – im Tagesverlauf just zu jener Zeit anfällt, in der die Nachfrage am größten und Strom deshalb an der Börse am teuersten ist (siehe Grafik 1). Die IZES-Studie belegt, daß in den Jahren 2007 bis 2011 – parallel zum Zubau an Solarstrom – die Differenz zwischen den Preisen für "Peak-Strom" und "Base-Strom" kontinuierlich geringer geworden ist (siehe nebenstehende Tabelle). Peak-Strom ist solcher Strom, der am Spotmarkt für die Zeit von 8.00 bis 20.00 Uhr gehandelt wird. Er ist deshalb teuerer als Base-Strom, dessen Preis dem Mittelwert von 24 Stunden entspricht. Die Durchschnittspreise für beide Kategorien werden an der Epex Spot in Form des Physical Electricity Index - abgekürzt "Phelix" - ermittelt (siehe Grafik 2).
Die Preise am Spotmarkt gelten nicht nur für die dort umgesetzten Mengen, sondern dienen zugleich als Referenzpreise für den gesamten Stromhandel in Deutschland, also auch für den Terminmarkt und bilaterale Geschäfte. Dennoch profitieren die Endverbraucher nicht von der durch Solarstrom bewirkten Preissenkung, weil die frühere Absatzgarantie für EEG-Strom beseitigt und durch den Zwangsverkauf des gesamten EEG-Aufkommens an der Börse ersetzt wurde. Das hat zum einen bewirkt, daß Windstrom zum großen Teil verramscht oder sogar gegen Aufzahlung verschenkt werden muß. Die dadurch entstehen Defizite werden den Verbrauchern zusätzlich zu den Einspeisungsvergütungen in Form der EEG-Umlage aufgebürdet und haben diese explodieren lassen (101001). Bei Solarstrom verläuft die Einspeisungskurve prinzipiell günstiger als bei Windstrom, weil er gerade zu Zeiten des Spitzenbedarfs anfällt. Sein obligatorischer Verkauf über die Börse hat aber zur Folge, daß die dadurch sinkenden Preise am Spotmarkt auch die Erlöse aus dem Verkauf des Solarstroms mindern. Als Folge steigt das Vermarktungs-Defizit, das über die EEG-Umlage den Endverbrauchern in Rechnung gestellt wird. Zum Beispiel können laut der IZES-Studie die erhöhten Kosten des Solarstroms bei einem Börsenpreis von 66 Euro pro Megawattstunde zu 43 Prozent aus den Erlösen gedeckt werden, so daß nur 57 Prozent über die EEG-Umlage bezuschußt werden müssen. Fällt der Börsenpreis aber auf 51 Euro/MWh, schrumpft der Erlösanteil auf 34 Prozent, während die Belastung aus der EEG-Umlage auf 66 Prozent steigt.
Eine zusätzliche Belastung entsteht für die Stromverbraucher durch die Anreize zur Direktvermarktung von EEG-Strom, die vor einem halben Jahr mit der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes noch erheblich erweitert wurden (110603). Als Folge der Direktvermarktung müssen die Übertragungsnetzbetreiber vor allem jenen Teil des EEG-Stroms abnehmen und zu Niedrigpreisen an die Börse bringen, der einen geringen Marktwert hat. Strom aus Wasserkraft und andere Filetstücke der EEG-Erzeugung gelangen dagegen erst gar nicht an die Börse, weil sich hier die Produzenten vorbehalten, den Strom direkt zu vermarkten.
Die fatale Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens wurde von der Erneuerbaren-Lobby mitgetragen oder zumindest nicht kritisiert. Der Grund dafür war vermutlich, daß die zunächst unscheinbar wirkende Verordnung vom Mai 2009 (090507), für die bereits in das EEG aus dem Jahr 2008 in § 64 Abs. 3 eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage eingebaut worden war, weder die Höhe der Einspeisungsvergütungen noch den Einspeisungsvorrang für EEG-Strom in Frage stellte. Das war freilich eine Milchmädchenrechnung, weil die Empörung über die nun stattfindende Explosion der EEG-Umlage sogar den politischen Rahmen der EEG-Förderung in Frage stellte und vor allem die Photovoltaik in argen Mißkredit brachte. Die Branchen-Lobby hat deshalb seit längerem versucht, die hohen Defizite bei der "Vermarktung" von EEG-Strom an der Börse als verbraucherfreundliche Senkung der Börsenstrompreise darzustellen, indem sie die tatsächlichen Auswirkungen auf die Endverbraucherpreise verschwieg oder beschönigte (101001).
Die jetzige Pressemitteilung des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) zu der IZES-Studie unterscheidet sich davon wohltuend. Sie stellt zwar ebenfalls den preisdämpfenden Effekt des Solarstroms an der Börse in den Vordergrund. Zugleich läßt sie aber keinen Zweifel daran, daß die Stromverbraucher davon nichts haben außer einer noch höheren Belastung:
"Der preissenkende Effekt kommt derzeit vor allem Großhändlern und Großverbrauchern zugute, die ihren Strom am Spotmarkt beziehen. Für die stromintensive Industrie entsteht somit durch den Solarstrom eine lukrative Win-Win-Situation. Zum einen profitiert sie von den günstigen Einkaufspreisen an der Strombörse, zum anderen wird sie größtenteils von der Zahlung der EEG-Umlage befreit. Die privaten Verbraucher hingegen spüren von den kostensenkenden Effekten nichts. Im Gegenteil: Für sie verteuert sich die EEG-Umlage, weil sie für die Differenzkosten zwischen billigem Peak-Strom und garantierter Einspeisevergütung aufkommen müssen. Würde man die preissenkende Wirkung der Photovoltaik hingegen bei der Berechnung der EEG-Umlage berücksichtigen, entspräche dies einer Entlastung der Verbraucher-Stromtarife in Höhe von rund 0,15 Cent pro Kilowattstunde."
Verfasser der IZES-Studie sind Eva Hauser und Jörg Frantzen. Das "Institut für ZukunftsEnergieSysteme gGmbH" ist eine gemeinnützige Gesellschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes. Es entstand 2005 aus der Verschmelzung des Zentrums für Zukunftsenergiesysteme ZES e.V. mit der Energieagentur des Saarlandes (AZES GmbH). Gesellschafter sind das Land (69,29 %), die Evonik New Energies GmbH (9 %), die Stadtwerke Saarbrücken AG (9 %), die VSE AG (9 %), die Pfalzwerke AG (3,18 %), die HTW (0,4 %) und die Universität des Saarlands (0,13 %). Der Leiter des Instituts, Prof. Uwe Leprich, wurde Anfang des Jahres zum stellvertretenden Sprecher des "ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien" gewählt.