März 2012

120301

ENERGIE-CHRONIK


Bundestag billigt Solar-Kürzungen mit etlichen Änderungen

Der Bundestag beschloß am 29. März die drastischen Abstriche an den Vergütungen für Solarstrom, die von der schwarz-gelben Koalition im Februar angekündigt wurden (120201). Allerdings gelten die neuen Sätze nicht schon ab 9. März, sondern ab 1. April, und auch sonst nahm die Koalition noch etliche Änderungen vor. Entsprechend einer Empfehlung des Umweltausschusses vom 28. März – die dem Parlament also quasi in letzter Minute zuging – wurden die Übergangsfristen für kurz vor der Inbetriebnahme stehende Anlagen um ein paar Monate verlängert. Ferner wurde zum alten System des "atmenden Deckels" zurückgekehrt, statt die Bundesregierung zu ermächtigen, bei Nichteinhaltung bestimmter "Zubaukorridore" weitere Anpassungen der Vergütungen per Rechtsverordnung vorzunehmen. Andere Änderungen der ursprünglichen Vorlage sind die vierteljährliche Anpassung der Vergütungssätze an die Zubauraten, die Umwandlung der monatlichen Vergütungsabsenkung von einem Cent- in einen Prozentabschlag oder die Beschränkung des "Marktintegrationsmodells" auf Anlagen bis 1 MW.

Das aus insgesamt sieben Artikeln bestehende "Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien" wurde in der vom Umweltausschuß geänderten Fassung mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition gegen die der Opposition angenommen. In namentlicher Abstimmung votierten 305 Abgeordnete für und 235 gegen die Kürzung der Vergütung von Strom aus Solarenergie. Es gab eine Enthaltung.

Vergütungen werden einmalig stark reduziert und sinken dann monatlich um 1 Prozent

Der neugefaßte § 32 senkt die Vergütungen einmalig um 20,2 bis 29 Prozent, verringert die Zahl der Leistungsklassen bei Dachanlagen von bisher vier auf drei und beschränkt die Vergütung generell auf Anlagen bis 10 MW. In Absatz 1 setzt er die neue Grundvergütung auf 13,50 Cent/kWh fest. In Absatz 2 gewährt er für Dachanlagen bis 10 kW bzw. 1 MW erhöhte Vergütungen von 19,50 Cent/kWh bzw. 16,50 Cent/kWh. Gemäß Absatz 3 gelten diese erhöhten Fördersätze künftig nur noch für Anlagen auf "Wohngebäuden". Absatz 4 konkretisiert den Unterschied zwischen einem "Gebäude" allgemein und einem "Wohngebäude".

Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf sollten diese Ausgangsvergütungen monatlich um 0,15 Cent pro Kilowattstunde sinken. Gemäß § 20b Abs. 1 verringern sie sich nun aber ab dem 1. Mai 2012 monatlich um 1,0 Prozent. Dadurch sinkt beispielsweise die Vergütung für kleine Dachanlagen bis 2013 auf 17,81 statt 18,15 Cent/kWh – sofern nicht die im selben Paragraphen enthaltenen Zu- oder Abschläge wegen Verlassens der Zubaukorridore greifen.

"Atmender Deckel" wird beibehalten, aber vierteljährlich den Zubau-Zahlen angepaßt

Damit die Absenkung der Vergütungen kontinuierlicher erfolgt, sollte zunächst die bisherige jährliche Absenkung der Vergütungen um neun Prozent durch eine monatliche Verringerung um 0,15 Cent/kWh ersetzt werden. Zugleich sollten die bisherigen Zu- und Abschläge entfallen, die sich nach dem jährlichem Zubau an installierter Leistung richteten. Ersatzweise wollte man in § 64h Abs. 2 bestimmte "Zubaukorridore" für die Jahre 2012 bis 2017 vorgeben und die Bundesregierung zur Veränderung der Vergütungen ermächtigen, falls diese Korridore über- oder unterschritten würden.

Der Umweltausschuß beschloß indessen, zumindest vorerst zum alten System des "atmenden Deckels" zurückzukehren. Die Zubaukorridore aus dem wieder gestrichenen § 64h des Gesetzentwurfs stehen jetzt im neugefaßten § 20a und werden in § 20b für die Jahre 2012 und 2013 mit Zu- und Abschlägen je nach Einhaltung dieser Korridore versehen. Eine kontinuierlichere Anpassung der Vergütungen will man nun durch vierteljährliches Nachsteuern erreichen. § 20a Abs. 3 schreibt deshalb vor, daß die Bundesnetzagentur jeweils zum Ende der Monate Januar, April, Juli und Oktober die Entwicklung beim Zubau bekanntgibt. Diese Zahlen werden dann mit vier multipliziert, um sie aufs Jahr hochzurechnen, und gemäß § 20b in Ab- oder Zuschläge umgerechnet.

Vergütungsfähige Strommenge wird auf 80 bzw. 90 Prozent begrenzt – aber nur für Anlagen bis 1 MW

§ 33 enthält nun ein "Marktintegrationsmodell für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie". In Absatz 1 begrenzt er die normale Vergütung für Anlagen bis 10 kW auf 80 Prozent bzw. für Anlagen bis 1 MW der im Kalenderjahr erzeugten vergütungsfähigen Strommenge. Für größere Anlagen bis 1 MW sind es 90 Prozent. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah dagegen 85 Prozent bis 10 kW und 90 Prozent für alle größeren Anlagen vor. Für eine über diese Prozentsätze hinausgehende Einspeisung gibt es nur noch eine abgesenkte Vergütung, falls es der Betreiber nicht vorzieht, diese Strommenge selber zu verbrauchen oder zu vermarkten. Der bisher in § 33 Abs. 2 gewährte Bonus für Eigenverbrauch entfällt, weil man davon ausgeht, daß für selbst verbrauchten Strom bereits die "Netzparität" erreicht und unterschritten ist (d.h. daß der Eigenverbrauch auch ohne Vergütung günstiger kommt, als wenn man den Strom aus dem Netz zum durchschnittliche Haushaltsstrompreis beziehen würde).

Bei Inbetriebnahme bis 30. Juni gelten noch die alten Vergütungen

Abweichend vom generellen Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. April gelten nach § 66 Abs. 18 für Solaranlagen noch die alten, deutlich höheren Vergütungen, wenn sie bis zum 30. Juni in Betrieb gehen und der Netzanschluß vor dem 24. Februar beantragt wurde. Eine weitere Ausnahmeregelung in § 66 Abs. 18a verlängert die Übergangsfrist für Freiflächenanlagen auf Konversionsflächen bis zum 30. September 2012, senkt aber ab 1. Juli die Vergütung von 17,94 auf 15,94 Cent/kWh.

Beseitigung der "50,2-Hertz-Problematik" wird über Netzentgelte und EEG-Umlage finanziert

Der neue § 35 Abs. 1b betrifft die Beseitigung der "50,2-Hertz-Problematik" bei PV-Anlagen, die aufgrund einer früheren Vorschrift bei Überschreitung einer Netzfrequenz von 50,2 Hertz automatisch abschalten. Diese Vorschrift gefährdet inzwischen die Netzstabilität, da die früher unbedeutende PV-Einspeisung netztechnisch nicht mehr vernachlässigt werden kann. Die Übertragungsnetzbetreiber werden verpflichtet, den Verteilnetzbetreibern die Hälfte der "notwendigen Kosten zu ersetzen, die ihnen durch eine effiziente Nachrüstung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie entstehen". Während die Verteilnetzbetreiber ihren Anteil in die Netzentgelte eingehen lassen, können die Übertragungsnetzbetreiber ihre Hälfte über die EEG-Umlage auf den Endverbraucher abwälzen. Um die Anlagenbetreiber zur Mitwirkung zu zwingen, entfällt nach § 66 Nummer 14 der Vergütungsanspruch, falls sie die Umrüstung verweigern.

Bundesnetzagentur veröffentlicht installierte Leistung von Solaranlagen monatlich im Internet

§ 37 Abs. 3 befreit Strom von der EEG-Umlage, wenn er "zum Zweck der Zwischenspeicherung an einen elektrischen, chemischen, mechanischen oder physikalischen Stromspeicher geliefert oder geleitet wird". Das gilt auch für die Erzeugung von Speichergas, sofern es wieder zur Stromerzeugung eingesetzt wird.

§ 39 überträgt die durch § 33 Abs. 1 eingeführten Prozentgrenzen für die Vergütung von Solarstrom auf das "Grünstromprivileg", das die monatliche EEG-Umlage um 2 Cent/kWH verringert. In Absatz 3 wird das "Grünstromprivileg" ausdrücklich auch auf Solarstrom erweitert, der ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Netzen an Dritte verkauft wird. In der Praxis kann das beispielsweise ein Mieter sein, der Solarstrom vom Dach des Hauseigentümers bezieht.

§ 61 Abs. 1c verpflichtet die Bundesnetzagentur, ab dem 31. Juli 2012 jeweils zum Monatsende die im jeweils vorangegangenen Monat neu installierte Leistung von Solaranlagen auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen.

Tricksereien können leichter verhindert werden

Nach § 3 Nummer 5 setzt die die technische Betriebsbereitschaft voraus, "dass die Anlage fest an dem für den dauerhaften Betrieb vorgesehenen Ort und dauerhaft mit dem für die Erzeugung von Wechselstrom erforderlichen Zubehör installiert wurde". Dadurch sollen künftig Pseudo-Inbetriebnahmen verhindert werden, die lediglich den Zweck verfolgten, noch vor dem für die Absenkung gültigen Stichtag in den Genuß einer höheren Vergütung zu gelangen.

Nach § 19 Abs. 1a gelten mehre PV-Anlagen vergütungsmäßig auch dann als eine Anlage, "wenn sie innerhalb von 24 aufeinander folgenden Kalendermonaten in einem Abstand von bis zu 4 Kilometern in der Luftlinie, gemessen vom äußeren Rand der jeweiligen Anlage, in Betrieb genommen worden sind". Diese Regelung soll verhindern, daß die neu eingeführte Begrenzung von Freiflächen-Anlagen auf 10 MW durch Aufteilung in mehrere Anlagen unterlaufen werden kann.

Verordnungsermächtigungen gestrichen

Aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf gestrichen wurden zwei Verordnungsermächtigungen. Mit der einen in § 64g hätte die Bundesregierung das in § 33 formulierte "Marktintegrationsmodell" für solare Anlagen per Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Parlaments auf andere erneuerbare Energien oder Grubengas übertragen können. Die andere in § 64h hätte es ihr ermöglicht, durch einfache Rechtsverordnung die Vergütungssätze zu ändern, falls die geplanten "Zubaukorridore" für Solaranlagen über- oder unterschritten werden sollten.

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