Oktober 2010 |
101001 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit Vorsicht zu genießen: Auch Leitmedien wie "Frankfurter Allgemeine" und "Süddeutsche" zeigten in ihrer Berichterstattung über die Erhöhung der EEG-Umlage eine erstaunliche Unbedarftheit. Als Sündenbock mußten die Einspeisungsvergütungen herhalten. Vom veränderten EEG-Ausgleichsverfahren als Hauptursache war nicht einmal die Rede. |
Die deutschen Stromverbraucher werden 2011 mit einer EEG-Umlage von 3,53 Cent pro Kilowattstunde belastet. Dies teilten am 15. Oktober die vier Übertragungsnetzbetreiber mit, die gemäß § 3 Absatz 2 der neuen Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV) seit Anfang 2010 verpflichtet sind, bis zum 15. Oktober eines Kalenderjahres die EEG-Umlage für das folgende Kalenderjahr zu ermitteln und zu veröffentlichen. Im Vergleich mit 2009, als die EEG-Kosten zum letzten Male nach dem alten Verfahren abgerechnet wurden, steigt die EEG-Umlage damit um rund das Dreifache, nachdem sie für das laufende Jahr bereits von 1,20 auf 2,047 Cent/kWH erhöht worden war (100407).
In den Medien wird diese Explosion der EEG-Kosten auf den Anstieg der Einspeisungsvergütungen zurückgeführt. Insbesondere wird die Photovoltaik verantwortlich gemacht, die 2009 einen unvergleichlichen Boom erlebte (100403) und wegen der nur halbherzigen Kürzung der Überförderung auch in diesem Jahr nochmals kräftig zulegen wird (100701). Tatsächlich reicht aber die Zunahme der Einspeisungsvergütungen bei weitem nicht aus, um diesen enormen Anstieg zu erklären.
Der Hauptgrund für die Explosion der EEG-Kosten ist vielmehr die seit Anfang 2010 geltende Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahrens, mit der für EEG-Strom die bisherige Absatzgarantie beseitigt und seine Verramschung an der Strombörse zur Pflicht gemacht wurde (100201). Die an der Strombörse erzielbaren Preise sind relativ gering, da die Hauptmasse des EEG-Stroms aus fluktuierender Erzeugung stammt. Mitunter muß Windstrom sogar verschenkt oder unter Zahlung eines Draufgelds losgeschlagen werden (100101). Deshalb rechnen die Übertragungsnetzbetreiber für 2011 mit einem Verkaufserlös von nur 4,7 Milliarden Euro, der weit hinter den Einspeisungsvergütungen in Höhe von 17, 13 Milliarden Euro zurückbleibt. Unter Berücksichtigung einiger weiterer Faktoren wird so letztendlich mit einer Deckungslücke von 13,53 Milliarden Euro gerechnet.
Aus der Umlegung dieser Summe auf die "nicht privilegierten Letzverbraucher" ergibt sich die jetzt prognostizierte EEG-Umlage von 3,53 Cent pro Kilowattstunde. Für privilegierte Großverbraucher, die unter die "besondere Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen und Schienenbahnen" nach §§ 40 - 44 EEG fallen, gilt dagegen weiterhin eine stark reduzierte EEG-Umlage von nur 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Mengenmäßig bleiben damit ungefähr 15 Prozent des gesamten Letztverbrauchs, der für das Jahr 2011 mit 482,5 Terawattstunden prognostiziert wird, weitgehend von der EEG-Umlage verschont – allerdings zu Lasten der übrigen Letztverbraucher, für die sich die Umlage entsprechend erhöht.
Für Außenstehende bleibt das EEG-Ausgleichsverfahren auch in seiner revidierten Fassung ein Buch mit sieben Siegeln, was zum Teil erklären mag, daß in der Berichterstattung der Medien dieser Aspekt völlig ausgeblendet und die Explosion der EEG-Umlage als eine Folge des Anstiegs der Einspeisungsvergütungen dargestellt wurde. Indessen genügt ein einfacher Vergleich der für das Jahr 2011 prognostizierten EEG-Umlage mit dem dadurch verbundenen Zuwachs an EEG-Strommengen und Einspeisungsvergütungen gegenüber dem Jahr 2008, um zu erkennen, wie sehr diese Darstellungsweise in die Irre führt:
Wie man sieht, steigt die Erzeugung von EEG-Strom in den drei Jahren von 2008 bis 2011 um rund 38 Prozent, während die dafür zu zahlenden Einspeisungsvergütungen mit 85 Prozent erheblich stärker zunehmen. Diese Diskrepanz ist zweifellos hauptsächlich auf den Boom der Photovoltaik zurückzuführen, bei der ein arges Mißverhältnis zwischen Subventionierung und Ertrag besteht. Sie erklärt aber noch lange nicht den Anstieg der EEG-Umlage um mehr als zweihundert Prozent. Folglich ist es falsch, diesen Anstieg "hauptsächlich" mit der Zunahme der Einspeisungsvergütungen erklären zu wollen. Die Hauptursache ist vielmehr in dem neuen EEG-Ausgleichsverfahren zu suchen, das die Absatzgarantie für EEG-Strom beseitigt hat und die bei der Verramschung des Stroms an der Börse entstehenden Verluste über die EEG-Umlage auf die Stromverbraucher abwälzt.
Eine zusätzliche Belastung entsteht für die Stromverbraucher durch die Direktvermarktung von EEG-Strom gemäß § 17 EEG sowie das Grünstromprivileg nach § 37 EEG. Als Folge der Direktvermarktung müssen die Übertragungsnetzbetreiber vor allem jenen Teil des EEG-Stroms abnehmen und zu Niedrigpreisen an die Börse bringen, der einen geringen Marktwert hat. Das gilt vor allem für die fluktuierenden Stromquellen Windkraft und Photovoltaik. Große Teile des Stroms aus Wasserkraft und andere Filetstücke der EEG-Erzeugung gelangen dagegen erst gar nicht an die Börse, weil sich hier die Produzenten vorbehalten, den Strom direkt zu vermarkten. Auch das Grünstromprivileg bewirkt eine zusätzliche Erhöhung der EEG-Umlage, da es solche Anbieter von der Umlage befreit, die mindestens die Hälfte ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen.
Die Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahrens hat den Trend zur Direktvermarktung und zur Erlangung des Grünstromprivilegs enorm verstärkt, was die EEG-Umlage für die "nicht privilegierten Letztverbraucher" noch weiter in die Höhe treiben wird. In ihrer Prognose für das Jahr 2011 gehen die Übertragungsnetzbetreiber davon aus, daß Strom aus Wasserkraft bereits zu 66 Prozent direkt vermarktet wird. Bei Gasen sind es sogar 90 Prozent. Auch Biomasse erzielt mit 12 Prozent Direktvermarktung einen deutlich höheren Marktwert als die Windkraft, die zwar mit Abstand die meisten EEG-Strommengen liefert, aus stromwirtschaftlicher Sicht aber wenig attraktiv ist und deshalb zu über 94 Prozent an der Börse landet. Für Photovoltaik wird die Direktvermarktung sogar mit null veranschlagt.
Die vier Konzerne und andere Stromunternehmen, die von der Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens hauptsächlich profitieren, haben naturgemäß kein Interesse an der Erhellung der tatsächlichen Zusammenhänge. Stattdessen wird so getan, als sei die Explosion der EEG-Umlage nur auf den Anstieg der Einspeisungsvergütungen und hier insbesondere auf die Kosten der Photovoltaik zurückzuführen (100507). In dieses Horn stieß auch jetzt wieder der Lobbyverband BDEW: "Das einerseits erfreulich starke Wachstum erneuerbarer Energien wird andererseits im Jahr 2011 erneut zu höheren Kosten führen", erklärte die BDEW-Chefin Hildegard Müller am 15. Oktober, als die Übertragungsnetzbetreiber die Explosion der EEG-Umlage bekanntgaben. "Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist wichtig und richtig, hat allerdings seinen Preis. Das sollte jeder Verbraucher wissen."
Die Verbände der Erneuerbaren-Branche haben seinerzeit die Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens ebenfalls kritiklos hingenommen oder sogar begrüßt, was insofern nicht verwundert, als ihre Mitgliedsunternehmen zum großen Teil mit der etablierten Stromwirtschaft versippt sind. Da sich am Einspeisungsvorrang und an der Höhe der Vergütungen für EEG-Strom nichts änderte, wähnten sie sich wohl auf der sicheren Seite. Auch jetzt unterstützte der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) die allgemeine Augenwischerei, indem er so tat, als sei der Anstieg der EEG-Umlage auf einen entsprechenden Zubau an Anlagen und Zuwachs an Vergütungen zurückzuführen: "Jeder Euro, der in den Ausbau der Erneuerbaren investiert wird, bringt schon heute einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen", tönte BEE-Präsident Dietmar Schütz. Man dürfe bei einer seriösen Bewertung der erneuerbaren Energieträger nicht von einer reinen Kostenbetrachtung ausgehen.
Auf das veränderte EEG-Ausgleichsverfahren ging der BEE-Verbandschef nicht ein. Er verteidigte es aber indirekt, indem er die Verramschung von EEG-Strom an der Börse als verbraucherfreundliche Senkung der Börsenstrompreise darzustellen versuchte: "Schon heute senken die Erneuerbaren Energien den Börsenstrompreis in einer Größenordnung von 3,6 bis 4 Milliarden Euro (Merit-Order-Effekt). Immer, wenn viel Wind weht oder die Sonne scheint, wird weniger Strom aus teuren fossilen Kraftwerken abgerufen. Der Preis an der Börse geht zurück, wovon große Stromverbraucher schon heute deutlich profitieren."
Derselbe Lobgesang auf die Verramschung von EEG-Strom an der Börse findet sich auch in einer neu erschienenen PR-Broschüre des Verbandes. Dort wird im folgenden Satz allerdings eingeräumt: "Paradoxerweise steigen gerade durch diesen Effekt die für das EEG ausgewiesenen Differenzkosten." Durch die Weglassung dieses Eingeständnisses wirkten die Beschönigungsversuche des BEE-Chefs besonders abwegig.
Die ARD-Sendung "Monitor" übte am 21. Oktober zwar Kritik an der einseitigen Schuldzuweisung, die Einspeisevergütungen und insbesondere die Photovoltaik für die sprunghaft gestiegende EEG-Umlage verantwortlich macht. Zur Verteidigung der EEG-Förderung diente dann aber auch hier das von der Lobby strapazierte Argument der gesunkenen Börsenpreise. Den Stromkonzernen wurde vorgeworfen, durch die EEG-Förderung erzielte Börsenpreissenkungen nicht an die Verbraucher weiterzugeben. Die Konzerne sähen gar ihre Profite bedroht und würden deshalb nun Stimmung gegen das EEG machen. Daß diese Senkung der Börsenpreise über die EEG-Umlage vom Verbraucher finanziert werden muß, schien der Redaktion nicht bekannt zu sein.
Der Bundesverband Neuer Energieanbieter (bne) packte dagegen in seiner Stellungnahme den Stier bei den Hörnern, indem er ausdrücklich das neue EEG-Ausgleichsverfahren verteidigte. "Die EEG-Kosten aus der Black Box der Netzentgelte heraus zu holen und transparent zu machen, war ein wichtiger und richtiger Schritt", erklärte bne-Geschäftsführer Robert Busch. Die nach der neuen Ausgleichsmechanismusverordnung berechnete EEG-Umlage sei "Ausdruck eines gelungenen Systemwechsels". Sie mache Kosten sichtbar, die früher in den Netzkosten versteckt gewesen seien. "Die Transparenz der Kosten, die rechtzeitige Bekanntgabe und die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf alle Lieferanten-Schultern ist ein wesentlicher Fortschritt."
Im übrigen sei es "allgemeiner Konsens, daß die Stromerzeugung immer stärker auf Erneuerbare umgestellt wird, und das kostet eine Menge Geld", meinte der bne-Geschäftsführer. Wem seine Stromrechnung zu hoch sei, der könne schließlich "einfach und problemlos zu einem neuen, günstigeren Stromanbieter wechseln".
Die subventionsverwöhnte Branche scheint darauf zu vertrauen, daß sie ihre rein kommerziellen Ziele weiterhin mit dem Heiligenschein des Klimaschutzes umgeben und so gegen Verbraucherkritik immunisieren kann.