Dezember 2017

171201

ENERGIE-CHRONIK


 

Mit dem neuen Informationssystem "Smard" (170701) läßt sich genau verfolgen, wie der Bedarf an Ausgleichsenergie am Abend des 17. Oktober plötzlich ungewöhnlich hoch wurde und wie in der Folge der Preis pro Megawattstunde geradezu explodierte.

Minutenreserve kostete über 24.000 Euro pro Megawattstunde

Am 17. Oktober erreichte der Preis für die Minutenreserve, die von den Übertragungsnetzbetreibern für den Ausgleich zwischen Stromerzeugung und -verbrauch benötigt wird, kurzfristig eine Höhe von bis zu 24.455 Euro pro Megawattstunde (MWh). Das war gut sechshundert Mal soviel wie der Durchschnittspreis am Spotmarkt der Strombörse betrug (siehe Phelix). Die Bundesnetzagentur nahm dies zum Anlaß, das bestehende Regelwerk für die Beschaffung und den Einsatz von Regelenergie einer eingehenden Prüfung unterziehen. Wie sie am 1. Dezember mitteilte, hat sie außerdem die Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas eingeschaltet, die sie und das Bundeskartellamt gemeinsam betreiben. Diese untersucht derzeit, ob und wieweit diese Preisexplosion durch Insider-Handel und Marktmanipulation verursacht wurde (siehe Hintergrund: "Mondpreise für Minutenreserve").

Merit-Order reichte bis 99.999 Euro/MWh

Eine vernünftiger Grund für die Mondpreise ist nirgendwo ersichtlich. Mit einem Maximalwert von 99.999 Euro/MWh – der zwar auf der Merit-Order-Liste stand, aber nicht tatsächlich aktiviert wurde – stießen sie sogar bis an die technische Grenze des computerisierten Abrufsystems. Auch andere "Schnapszahlen" wie 77.777 Euro/MWh oder 88.888 Euro/MWh tauchten massenhaft auf der Angebotsliste vom 17. Oktober auf – gerade so, als wollten die Anbieter sich als Witzbolde zu erkennen geben, denen nichts ferner lag als eine nachvollziehbare Kalkulation.

"Die Situation in den Übertragungsnetzen war allerdings unauffällig", wunderte sich denn auch die 6. Beschlußkammer der Bundesnetzagentur in ihrer Mitteilung. Der Regelenergieeinsatz habe im üblichen Bereich gelegen und die Lage am Strommarkt sei in den den besagten Viertelstunden entspannt gewesen. Dies zeige ein einfacher Vergleich mit den Spotmärkten: Der Preis habe hier in der Day-Ahead-Auktion 67,92 Euro/MWh und im Intraday-Markt 74,52 Euro/MWh betragen. Für die betreffenden Viertelstunden seien es 72,44 Euro/MWh bzw. 74,85 Euro/MWh gewesen. Auch bei der Beschaffung der Regelenergie habe es keine Knappheitssituation gegeben.

Exzessive Arbeitspreise dringen immer tiefer in die Merit-Order ein

Die Beschlußkammer beobachte schon seit einiger Zeit mit Sorge, daß es vermehrt zu hohen Arbeitspreisgeboten bei der Minutenreserve kommt, die offensichtlich nicht auf Knappheiten an den Strommärkten zurückzuführen sind. Auch die auffällige Ziffernfolge 77.777 beim Arbeitspreis des teuersten der abgerufenen Angebote deute darauf hin, "daß hinter dem Gebot keine kostenseitigen Fundamentaldaten stehen". Zunächst seien derart extreme Arbeitspreise nur von einigen wenigen Unternehmen mit geringer Angebotsmenge geboten worden. Inzwischen sei zu beobachten, daß diese Vorgehensweise Schule mache. In der Folge drängen solche exzessiven Arbeitspreise immer tiefer in die Merit-Order ein.

"Die Beschlußkammer wird diese Entwicklung nicht weiter hinnehmen", heißt es in der Mitteilung, die offensichtlich für bestimmte schwarze Schafe unter den Marktteilnehmern als Wink mit dem Zaunpfahl dienen soll. "Sofern die Analysen zeigen, dass die Arbeitspreise der Regelenergie auch weiterhin keinerlei Korrelation zu den Strommärkten aufzeigen und damit weiterhin erhebliche Verwerfungen bestehen, kündigt die Beschlusskammer bereits jetzt an, alle notwendigen Maßnahmen auch kurzfristig zu ergreifen."

 

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