März 2008 |
080408 |
ENERGIE-CHRONIK |
Aus dem "Evaluierungsbericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und Ergebnisse mit der Regulierung durch das Energiewirtschaftsgesetz", Bundestagsdrucksache 16/6532 vom 28. 09. 2007
(Aus: Abschnitt B, Handlungsempfehlungen, Seite 6/7)
Ausgleichsenergie
Die Bedingungen für die Beschaffung der Ausgleichsenergie wurden seit Inkrafttreten des EnWG durch die BNetzA konkretisiert. Ein mangelnder Zugang zu Informationen beeinträchtigt das Funktionieren des Regelenergiemarktes. Daher ist eine Erweiterung von Veröffentlichungspflichten zu prüfen. Sollte sich bei der weiteren Anwendung des Gesetzes, im Rahmen der Konsultationen der BNetzA oder aus den Ergebnissen der von der Wirtschaftsministerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe zur Markttransparenz weiterer Handlungsbedarf ergeben, wird die Bundesregierung diesen innerhalb ihrer Initiative zur Ergänzung oder Veränderung des Ordnungsrahmens aufgreifen.
Netzübergreifende Regelzone
Durch eine Zusammenfassung von Regelzonen ließe sich das Problem des "Gegeneinander-Regelns" vermeiden und ließen sich dadurch Kosteneinsparungen realisieren. Darüber hinaus ließe sich der Koordinierungsaufwand und der regulatorische Aufwand verringern. Die im Bericht dargestellten Überlegungen zeigen allerdings, dass die mit der Einführung einer einheitlichen Regelzone in Deutschland verbundenen Vorteile mindestens teilweise auch auf anderem Wege erreichbar wären. Bestimmte Vorteile würden sich außerdem erst längerfristig einstellen. Die von der Europäischen Kommission vorgelegten Richtlinienvorschläge für ein Drittes Binnenmarktpaket enthalten Vorschläge, deren Umsetzung gleichfalls auf die Struktur der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) einwirken würde. Nationale Überlegungen müssen die künftigen europarechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Die Bundesregierung ist bestrebt, die mit den getrennten Regelzonen verbundenen Nachteile zu beseitigen. Sie wird daher Vorschläge für die Rationalisierung bei der Beschaffung von Regelenergie auf den Weg bringen und alle Optionen für eine gemeinsame Regelzone entwickeln.
(Aus: Abschnitt E, Evaluierung nach § 112 Satz 3 EnWG, Seite 17-21)
III. Bedingungen der Beschaffung und des Einsatzes von Ausgleichsenergie im Strombereich (§ 112 Satz 3 Nr. 5 EnWG)
Status Quo
Seit dem 1. Dezember 2006 gelten die von der BNetzA am 29. August 2006 festgelegten neuen Ausschreibungsmodalitäten für die Erbringung von Minutenreserve. (38) Neben der Vorgabe einer auf einer gemeinsamen Internetplattform zu erfolgenden einheitlichen Ausschreibung aller Übertragungsnetzbetreiber, einer auf 15 MW reduzierten Mindestlosgröße sowie einheitlicher Zeitscheiben wurde den Übertragungsnetzbetreibern u. a. auch die Veröffentlichung aller anonymisierten Angebote mit Angabe von Leistungspreis, Arbeitspreis, angebotener Leistung sowie der Information über die Zuschlagerteilung unmittelbar im Anschluss an die tägliche Ausschreibung aufgegeben. Die Ausschreibungsergebnisse mit den Angebotslisten sind unter der zu diesem Zweck von den Übertragungsnetzbetreibern eingerichteten Internetseite www.regelleistung.net einsehbar.
Ab dem 4. Dezember 2006 war ein extrem starker Preisanstieg zu beobachten. So wurde ein Sprung der täglichen Leistungspreise von etwa 100 bis 200 Euro/MW pro Tag auf über 1000 Euro/MW pro Tag ersichtlich. Bei einem Ausschreibungsvolumen von 3300 MW ergaben sich hierdurch Mehrkosten von etwa 3 Mio. Euro pro Tag. Bei dem starken Preisanstieg handelte es sich nach Darstellung der BNetzA um einen temporären Effekt, der durch ein Zusammentreffen zweier Faktoren ausgelöst worden sein dürfte. So bestand Anfang Dezember 2006 ein kurzfristiger Liquiditätsengpass auf dem Minutenreservemarkt, wodurch auch Angebote einen Zuschlag erhielten, die eher spekulativer Natur waren. Zum selben Zeitpunkt hatten zudem die großen Anbieter dieser Form von Regelenergie ihre Angebotspreise deutlich angehoben, da sie sich auf Grund ihrer Marktinformationen und ihrer Größe erhebliche Preissetzungsspielräume ausrechnen konnten.
Zwischenzeitlich wurden diese Preissteigerungen wieder abgebaut. Die Preise für Minutenreserve lagen mit Stand 20. März 2007 fast durchweg unter dem Ausgangsniveau vom 30. November 2006, so dass zu diesem Zeitpunkt eine deutliche Entlastung der Netznutzungsentgelte in Bezug auf die Kosten der Regelenergie im Vergleich zum Ausgangsniveau des 30. November 2006 festzustellen war. Allerdings ist diese Marktentwicklung nicht unumkehrbar; die Preisentwicklung kann sich auch jederzeit wieder in eine andere Richtung wenden.
Des Weiteren weist die BNetzA auf nach wie vor hohe Preise für negative Regelenergie an Wochenenden hin. Die hohen Preise an diesen Tagen sind aus Sicht der BNetzA durch die für einen echten Preiswettbewerb immer noch nicht ausreichende Angebotsmenge zu erklären. Normalerweise führen derartige Preissignale zu verstärkten Markteintritten und Angebotsausweitungen. Dass dies am Wochenende nicht geschieht, bedarf der weiteren Beobachtung und Analyse.
Die gleichzeitig zu allen Ausschreibungszeiten zu beobachtende Annäherung der günstigsten Angebote an den Grenzpreis verteuert zwar die Beschaffung der Minutenreserve, entspricht aber aus Sicht der BNetzA einer normalen Entwicklung auf Wettbewerbsmärkten und wird von ihr insofern als Indiz für das Funktionieren der Ausschreibungsbedingungen gewertet.
Die im Rahmen der Analyse der bisherigen Preisentwicklung durch die BNetzA angestellten Überlegungen laufen darauf hinaus, dass die mit den neuen Ausschreibungsbedingungen verbundene und viel diskutierte Steigerung der Markttransparenz sowohl Auslöser der Preissteigerungen als auch Ursache für deren Abbau gewesen sein könnte. So sprechen durchaus einige Indizien dafür, dass Auslöser für Preiserhöhungen, wie etwa eine Angebotsknappheit, sehr schnell bekannt werden und damit marktweite Preisanhebungen erfolgen. Gleichzeitig sorgt das schnelle Bekanntwerden der Preissteigerungen auch für eine relativ zügige Angebotsausweitung und legt damit wieder den Grundstein für eine Absenkung des Preisniveaus.
Allerdings verläuft nach den bisherigen Beobachtungen der Abbau von Preisspitzen nicht in der gleichen Geschwindigkeit wie deren Entstehen. Hier gibt es Ansätze, die eine weitere und vor allem schnellere Absenkung des Preisniveaus für möglich halten, wenn auf das "pay as bid"-System des § 8 Abs. 1 Satz 2 StromNZV verzichtet würde. Dies bedarf aber noch einer sorgfältigen Analyse.
Unter den Begriff der Ausgleichsenergie fallen gemäß § 3 Nr. 1 EnWG auch die Aufwendungen für den Ausgleich von Verlusten und für die zum Ausgleich der schwankenden EEG-Einspeisung erforderlichen Energiemengen. In diesen Bereichen wird die BNetzA Konsultationen über die zweckmäßigste Art, diese Energiemengen zu beschaffen, durchführen. Die Konsultationen sollen zur Festlegung von marktorientierten, transparenten und nicht diskriminierenden Beschaffungsverfahren führen. Ob weitergehender normativer Handlungsbedarf besteht, kann derzeit noch nicht beantwortet werden.
Handlungsbedarf
Vor diesem Hintergrund wird die Zugänglichkeit und Transparenz von Marktinformationen zukünftig verbessert werden. Dabei ist auch zu prüfen, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz im Regelenergiemarkt getroffen werden können, insbesondere in Bezug auf den Zeitpunkt der Verfügbarkeit von Daten für die Marktteilnehmer und auf den Inhalt der Veröffentlichungspflichten (z. B. in Bezug auf Volumina für Regelenergie, die laufende Aktualisierung von Prognosen für die Einspeisung und zur Netzlast). Es muss ausgeschlossen sein, dass ÜNB aufgrund von Informationsvorsprüngen infolge der Teilnahme am Regelenergiemarkt Vorteile zukommen.
Zur generellen Frage der Markttransparenz hat die Wirtschaftsministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Arbeitsgruppe hat zur Herbstkonferenz der Wirtschaftsminister zu berichten.
Die BNetzA hat im Rahmen der Region Nordeuropa einen Transparenzbericht erstellt, der mit präzisen Definitionen über Art und Zeitpunkt der zu veröffentlichenden Informationen sowie der Art der Veröffentlichung dazu beiträgt, dass in den betroffenen Mitgliedsländern eine Liste von Informationen in gleicher Weise für den Stromgroßhandelsmarkt verfügbar ist (Realisierung ab 1. Januar 2008). Auch die Europäische Kommission hat mit ihrem aktuellen Energiepaket Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz angekündigt. Sie prüft auch eine Überarbeitung oder Ausweitung der Verordnung (EG) 1228/03 mit erneut überarbeiteten Leitlinien, die als Anhang zur EU-Verordnung in Deutschland unmittelbar gelten. Vorschläge der Europäischen Kommission für die Überarbeitung der Leitlinien sind noch für dieses Jahr geplant. Die Bundesregierung wird die Beratungen der Vorschläge auf europäischer Ebene aktiv mitgestalten.
IV. Umsetzbarkeit von Vorschlägen zur Entwicklung eines netzübergreifenden Regelzonenmodells bei Elektrizitätsversorgungsnetzen (§ 112 Satz 3 Nr. 6 EnWG)
Nach § 112 Satz 3 Nr. 6 EnWG sollen Vorschläge zur Entwicklung eines netzübergreifenden Regelzonenmodells bei Elektrizitätsversorgungsnetzen geprüft werden. § 3 Nr. 30 EnWG definiert eine Regelzone im Bereich der Elektrizitätsversorgung als das Netzgebiet, für dessen Primärregelung, Sekundärregelung und Minutenreserve ein Betreiber von Übertragungsnetzen im Rahmen der Union für die Koordinierung des Transports elektrischer Energie (UCTE) verantwortlich ist. Der Stromhandel ist für den bundesdeutschen Markt bereits jetzt (weitgehend) uneingeschränkt möglich. (39) Entsprechend konzentrieren sich die nachfolgenden Überlegungen auf Fragen des Regelenergiemarktes.
1. Status quo
Derzeit ist Deutschland in vier Regelzonen unterteilt. Die Grenzen der Regelzonen entsprechen den Eigentumsgrenzen der Übertragungsnetze der vier deutschen ÜNB E.ON Netz GmbH, RWE Transportnetz Strom GmbH, EnBW Transportnetz AG und Vattenfall Europe Transmission GmbH. Somit beruht die heutige Abgrenzung der Regelzonen nicht auf wirtschaftlich oder technisch begründeten Voraussetzungen, sondern ist historisch gewachsen. Dies hat u. a. auch dazu geführt, dass die technische Ausstattung der Regelzonenführung unterschiedlich ist. Jede der vier deutschen Regelzonen zählt gemessen an der jeweils in der Regelzone stattfindenden Stromerzeugung zu den größten in Europa.
Bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum EnWG waren die Vor- und Nachteile einer durch Regulierung herbeigeführten einheitlichen Regelzone in Deutschland intensiv erörtert worden. Den in der damaligen Diskussion je nach Auffassung sehr unterschiedlichen theoretischen Einsparpotentialen wurden die mit einer Zentralisierung der Regelenergiebeschaffung möglicherweise verbundenen Risiken für die Versorgungssicherheit und gegebenenfalls erforderliche Investitionen in den Leitungsbau gegenübergestellt. Im EnWG konzentrierten sich die getroffenen Maßnahmen daher zunächst auf eine Optimierung der Beschaffungsbedingungen in den jeweiligen Regelzonen. Die Möglichkeit der Einführung eines netzübergreifenden Regelzonenmodells wurde als Prüfauftrag für den vorliegenden Bericht vorgesehen.
2. Das Für und Wider eines Zusammenschlusses zu einer Regelzone
Die Frage der Errichtung einer einheitlichen Regelzone in Deutschland durch entsprechende regulatorische Vorgaben bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Sicherheit der Energieversorgung. Die Frage steht zudem in einem Zusammenhang mit anderen Aspekten der Struktur und Organisation von Übertragungsnetzen. Anhand der unterschiedlichen Aufgaben, die ein ÜNB wahrzunehmen hat, kann gezeigt werden, wo es zu Veränderungen durch die Errichtung einer Regelzone kommen kann.
a) Phänomen des Gegeneinanderregelns
Zweck der Regelenergie ist die Aufrechterhaltung der Netzstabilität. Sie wird eingesetzt, um Spannung und Frequenz möglichst gleich bleibend zu halten. Gelänge dies nicht, wäre mit Netzstörungen und ggf. mit Netzausfällen zu rechnen.
Derzeit kann es zum so genannten Gegeneinanderregeln kommen. Hiervon wird gesprochen, wenn innerhalb einer Regelzone positive Regelenergie angefordert wird, während in einer anderen Regelzone negative Regelenergie benötigt wird. Dieses Phänomen tritt auf, da die ÜNB vor der Beschaffung der Regelenergie keinen regelzonenübergreifenden Ausgleich von Regelenergie vornehmen, um gegenläufigen Kraftwerkseinsatz zu vermeiden, der zu höheren Gesamtkosten führt. Bisher führen die ÜNB die Ausregelung von Erzeugung und Verbrauch jeweils für ihre Regelzone durch. Abgesehen von der Primärregelung werden alle anderen Regelenergiearten nach dem Verursachungsprinzip, d. h. in der Regelzone, die für das Ungleichgewicht verantwortlich ist, eingesetzt. Grundsätzlich beruht das Phänomen des "Gegeneinanderregelns" auf der Schaffung von jeweils unabhängig zu führenden Regelgebieten, die als solche stabil gehalten werden sollen.
Da zur Untersuchung der tatsächlichen Auswirkungen des "Gegeneinanderregelns" nur die viertelstündlichen Durchschnittswerte der abgerufenen positiven und negativen Sekundärregelleistung herangezogen werden können und innerhalb einer Viertelstunde positiver und negativer Bedarf nacheinander auftreten können, ist eine Auswertung hierzu zwangsläufig mit Fehlern behaftet. Daher können die tatsächlich einzusparenden Kosten nicht genau beziffert werden. Eine exakte Quantifizierung der Kosten ist auf Basis der Internet-Veröffentlichungen der ÜNB nicht möglich, hierfür wäre eine höhere Auflösung der Daten erforderlich.
Die Kosten für die Regelenergie könnten sinken, da ein Abruf seltener erfolgen muss. Das "Gegeneinanderregeln" verursacht Kosten für den Bilanzausgleich, die zumindest zum Teil hätten vermieden werden können. Denn die Höhe der abgerufenen Menge und der dafür zu zahlende Arbeitspreis beeinflusst die Kosten der Bilanzkreisverantwortlichen.
Nach erster Einschätzung müsste zur Verhinderung des "Gegeneinanderregelns" die Ausregelung der Regelzonen von einer gemeinsamen Koordinierungsstelle durchgeführt werden. Dort müssten alle Messwerte der Austauschleistung mit den ausländischen Regelzonen "online" vorliegen. Ebenso müssten alle Erzeugungseinheiten "online" an diese Koordinierungsstelle angebunden sein.
b) Netzstabilität
Der Einsatz der Regelenergie dient der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung. Änderungen des Beschaffungsverhaltens wären daher auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Zwecke der Regelenergie zu prüfen. Regelenergie ist erforderlich, um Stromverbrauch und -erzeugung stets in Übereinstimmung zu halten. Damit wird verhindert, dass die Instabilität eines Gebietes nicht zu einem Zusammenbruch des gesamten Netzes führt.
c) Netzführung
Zwischen den vier deutschen ÜNB bestehen teilweise Unterschiede in der Netzführung. Es gibt Unterschiede in der Art und Weise (manuell oder automatisch), im Umfang der zu überprüfenden (n-1)-Sicherheit mittels der Ausfallvariantenrechnung sowie unterschiedliche Schutzkonzepte im Netzbetrieb. Die langjährigen Investitionszyklen im Netzbetrieb verhindern aber eine rasche Anpassung der technischen Ausstattung auf einen gemeinsamen Standard. Eine Angleichung der Schutzkonzepte dürfte sich ebenfalls als schwierig gestalten, da sich nach der bisherigen Praxis kein angewandtes Schutzkonzept als ungeeignet erwiesen hat. Langfristig kann eine gemeinsame Regelzone die Unterschiede in der Überwachung und Netzführung des deutschen Verbundnetzes beseitigen.
Die Kooperation und Koordination der deutschen ÜNB ist ein wichtiger Bestandteil für einen sicheren Netzbetrieb. Beim Stromausfall vom 4. November 2006 verlief die Koordination und Kommunikation zwischen den ÜNB nicht optimal. Es muss ein permanenter Datenaustausch zwischen den ÜNB gewährleistet sein, um den eigenen Netzbetrieb zu sichern und zu optimieren. Verbesserungen sind demnach nötig und möglich. Die Empfehlung zur Ausweitung und Intensivierung der Koordination und Kommunikation zwischen den Netzbetreibern findet sich im Bericht der BNetzA zum Stromausfall vom 4. November 2006 wieder. Sie wird derzeit von den ÜNB umgesetzt.
Inwieweit sich der Koordinations- und Kommunikationsaufwand durch die Etablierung einer einheitlichen Regelzone reduzieren bzw. die Koordination und Kommunikation verbessern bzw. vereinfachen würde, ist ebenfalls von der organisatorischen Ausgestaltung abhängig und ohne eine tiefer gehende Untersuchung nicht abschätzbar.
d) Beschaffung sonstiger Systemdienstleistungen
Neben der Beschaffung der unterschiedlichen Regelenergiearten ist der ÜNB auch für die Organisation aller weiteren Systemdienstleistungen wie "Windveredelung", Verlustenergie etc. verantwortlich. Die Vereinheitlichung würde ein konsistentes System herbeiführen und könnte die Transaktionskosten für die Marktakteure reduzieren.
e) Investitionsplanung
Jeder ÜNB ist für die Investitionsplanung innerhalb seines Netzgebietes verantwortlich. Im Status quo könnte das im theoretischen Extremfall zu vier weitgehend unabhängig voneinander durchgeführten und verantworteten Investitionsplanungen führen. In der Praxis berücksichtigen die ÜNB aber mindestens an den Schnittstellen die Planung der anderen. Im Bereich der Genehmigungsverfahren könnte der Übergang zu einer Regelzone möglicherweise zur Verringerung des Koordinierungsaufwandes zwischen den ÜNB bei Planung und Bau neuer Leitungen, die über die Grenzen der Regelzonen hinausgehen, führen.
f) Lastflussberechnung
Die Durchführung der Lastflussberechnung in einem System mit vier Regelzonen erfordert einen höheren Aufwand. Zwar arbeiten die ÜNB auch derzeit bei der Durchführung der Lastflussberechnung zusammen. Dies erfordert jedoch die Abstimmung zwischen den jeweils benachbarten ÜNB. Dieser Koordinierungsaufwand könnte verringert werden, wenn nur noch eine Lastflussberechnung für das gesamtdeutsche Netz durchgeführt werden müsste, ohne dass eine Koordinierung zwischen den ÜNB erforderlich wäre.
g) Bilanzkreisführung und Teilnahme an Regelenergiemärkten
Bilanzkreisführung
In der jetzigen Situation mit vier Regelzonen muss ein Händler, der am Stromhandel teilnehmen will, in jeder Regelzone, in der er aktiv werden möchte, einen Bilanzkreisvertrag abschließen und einen Bilanzkreis führen. Gäbe es nur eine Regelzone, wäre entsprechend nur ein Bilanzvertrag und nur ein Bilanzkreis je Händler erforderlich. Dadurch würden die Transaktionskosten der Händler gesenkt.
Teilnahme am Regelenergiemarkt
Durch die im Gesetz verankerte Ausschreibung der Regelenergie auf einer gemeinsamen Internetplattform wurden Transaktionskosten eingespart, indem eine Anlaufstelle für die Ausschreibung von Regelenergie geschaffen wurde. Dadurch wurde der Koordinierungsaufwand verringert und eine Erleichterung für die Marktteilnehmer geschaffen. Für sie ist es nicht mehr erforderlich, an mehreren Ausschreibungen teilzunehmen.
h) Entstehen innerdeutscher Engpässe durch gemeinsame Ausschreibung von Regelenergie
Ein Problem kann bei der gemeinsamen Ausschreibung jedoch dadurch entstehen, dass für den regelzonenübergreifenden Einsatz der Regelenergie höhere Leitungskapazitäten zwischen den Regelzonen für die Austauschleistung vorgehalten werden müssen. Dies kann das Entstehen innerdeutscher Engpässe für den Handel begünstigen. Bislang wurde diesem Problem mit der Definition von Kernanteilen begegnet, die sich an den historisch gewachsenen Regelzonengrenzen und nicht an technisch begründeten potentiellen Engpässen orientieren.
i) Koordinierter Einsatz von Regelenergie
Eine weitere, sich durch eine einheitliche Regelzone ergebende Lösungsmöglichkeit wäre der zentral koordinierte bedarfsgerechte Einsatz der Regelenergie unter technisch-wirtschaftlich optimalen Gesichtspunkten. Bei dieser Lösungsvariante wäre es allerdings erforderlich, dass beim Abruf von Regelenergie von der Merit Order abgerückt werden kann. Diese Vorgehensweise wird von der BNetzA unter technischen Gesichtspunkten als sinnvoll erachtet. So kann es in der Praxis nach Einschätzung der BNetzA sinnvoll sein, statt den nächst billigeren Anbieter abzurufen, einen Sprung in der Merit Order zu machen. So können z. B. die Abrufzeiten verkürzt werden, wenn weniger Telefonate geführt werden müssen; in anderen Fällen kann es sinnvoll sein, einen räumlich nahe an der Störung gelegenen Anbieter zur Leistung der Regelenergie abzurufen, statt einen weit entfernten, aber billigeren Anbieter. Bei dieser Variante könnten die Austauschleistungen für Regelenergie zu Gunsten des Handels minimiert und damit auch die Gefahr des Entstehens innerdeutscher Engpässe verringert werden.
j) Regulatorischer Aufwand
Neben den Effizienzsteigerungen, die aus der Etablierung einer Regelzone entstehen könnten, ist auch der Aspekt eines möglicherweise geringeren regulatorischen Aufwands zu berücksichtigen. Für die BNetzA ist es einfacher, nur einen ÜNB beaufsichtigen zu müssen. Zudem sinkt der Koordinierungsaufwand, da die BNetzA nur mit einem ÜNB in Kontakt treten muss. Zugleich würde die Möglichkeit für ein Benchmarking zwischen deutschen ÜNB entfallen.
3. Strukturwandel durch Regionale Netzbetreiber?
Die Realisierung einer einheitlichen Regelzone für Deutschland anhand eines derzeit im Zuge der Weiterentwicklung des Entflechtungsrahmens diskutierten RTO ist eine Option, bei der es maßgeblich auf die Ausgestaltung der Aufgaben der RTO-Gesellschaft ankommt, um die aufgeführten Vorteile zu verwirklichen. Durch eine gesetzliche Anordnung zur gemeinsamen Regelung der Übertragungsnetze innerhalb Deutschlands würde zugleich der Zusammenschluss der vier bestehenden Regelzonen erreicht. Ein solches Vorgehen wäre unter dem Gesichtspunkt der Regelzonen als Vertiefung bzw. Weiterführung der im EnWG bereits verankerten Kooperationspflichten zu verstehen. Die deutschen ÜNB haben in einer Presseerklärung ihre Bereitschaft zur Gründung eines RTO – allerdings über die nationalen Grenzen hinaus – signalisiert. Anders als bei einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den ÜNB müsste bei einem bundesweiten Zusammenschluss allerdings allein der nationale Ordnungsrahmen berücksichtigt werden. Ein nationaler Zusammenschluss erschiene mit den Vorgaben der EU-Richtlinie 2003/54/EG vereinbar.
4. Handlungsbedarf
Die weitere nationale Diskussion sollte auf den Richtlinienvorschlägen der Europäischen Kommission für ein Drittes Binnenmarktpaket aufsetzen, die die Europäische Kommission in Kürze unterbreiten will. Ein zentraler Gegenstand wird die Frage einer weiteren Entflechtung der ÜNB sein. Nationale Vorgaben für die Organisation der Übertragungsnetze sollten an den europarechtlichen Rahmenbedingungen anknüpfen. Zudem können manche Folgewirkungen einer etwaigen einheitlichen Regelzone in Deutschland auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen der BNetzA noch nicht abschließend beurteilt werden. Durch eine Zusammenfassung von Regelzonen ließen sich allerdings das Problem des "Gegeneinander-Regelns" vermeiden und dadurch Kosteneinsparungen realisieren. Die Grenze der organisatorischen und technischen Machbarkeit einer Umsetzung neuer Regelungen durch die Unternehmen muss im Interesse der Netzsicherheit bei einer Ausgestaltung Beachtung finden. Die Bundesregierung ist bestrebt, die mit den getrennten Regelzonen verbundenen Nachteile zu beseitigen. Sie wird daher Vorschläge für die Rationalisierung bei der Beschaffung von Regelenergie auf den Weg bringen und alle Optionen für eine gemeinsame Regelzone entwickeln.
(38) Verfahren BK6-06-012.
(39) Änderungen könnten sich hier in den kommenden Jahren durch innerdeutsche Engpässe ergeben, die ggf. durch zusätzlichen Ausbau von Windenergie und den Anschluss neuer konventioneller Kraftwerke entstehen könnten.