Januar 2017

170109

ENERGIE-CHRONIK


 


Das ARD-Fernsehmagazin Plusminus stellte am 25. Januar die Familie Mies aus dem Westerwald vor, die bis 2015 Strom von Care-Energy bezog und anschließend mit einer Nachzahlungsforderung von mehr als 24.000 Euro konfrontiert wurde.

Chef des dubiosen Energieanbieters Care-Energy erlag Herzinfarkt

Der Chef des dubiosen Energieanbieters Care-Energy, Martin Richard Kristek, ist am 21. Januar im Alter von 44 Jahren gestorben. Dies teilte am folgenden Tag der "First Vienna Football Club" in Wien mit. Kristek war der Hauptsponsor dieses Fußballvereins, dem sein Vater Richard Kristek präsidierte. Offenbar erlag er einem Herzinfarkt, der ihn am Vorabend ereilt hatte. Der Vater trat nach Bekanntgabe der Todesnachricht von seinem Vereinsposten zurück.

Allein die EEG-Schulden belaufen sich auf 100 Millionen Euro

Der Verstorbene hinterläßt ein schwer durchschaubares und oft geändertes Firmengeflecht, das ganz auf ihn zugeschnitten war und das er von Hamburg aus dirigierte. Das Hauptgeschäft bestand in der Belieferung von Stromkunden, die eine tausendköpfige Werbertruppe auf Provisionsbasis rekrutierte. Ab Sommer vorigen Jahres verlor er aber den Großteil dieser Kunden, weil zahlreiche Netzbetreiber wegen Zahlungsrückständen kündigten (160701). Zur selben Zeit eröffnete die Bundesnetzagentur zwei Aufsichtsverfahren gegen Firmen der Gruppe, über deren Geschäftsgebaren zahllose Beschwerden vorlagen (160602).

Die vier Übertragungsnetzbetreiber warten bis heute auf rund 100 Millionen Euro EEG-Umlage, die Kristek mit einer fadenscheinigen Begründung nicht abführte. Es half ihnen auch wenig, daß sie eine vollstreckbare richterliche Entscheidung über die Nachzahlung von 85 Millionen Euro plus Zinsen erreichten, denn bei jener Firma, die als nominelle Schuldnerin fungiert, gibt es praktisch nichts zu holen (160506). Im Herbst vorigen Jahres hat Kristek diese Firma mitsamt Schulden auch noch an einen ominösen tschechischen Erwerber "verkauft" (160902).

Mehr als 3000 Kristek-Gegner bilden bei Facebook geschlossene Benutzergruppe

Die Staatsanwaltschaften in Hamburg und München ermitteln wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs. Allein bei der Hamburger Staatsanwaltschaft sind mehr als zweihundert Strafanzeigen eingegangen. Bei Facebook gibt es eine geschlossene Benutzergruppe von mehr als 3000 Kristek-Gegnern. Sie besteht größtenteils aus enttäuschten und geschädigten Kunden, denen Care-Energy zu Unrecht Geld vorenthält oder abverlangt. Zum Beispiel tauschen sie sich darüber aus, wie mit unberechtigten Forderungen von Inkassounternehmen umzugehen ist. Nach Bekanntwerden der Todesnachricht schränkten die Administratoren der Gruppe die Kommentarfunktion für die Benutzer vorübergehend ein, "um trotz aller Konflikte Niveau, Anstand und Pietät zu wahren".

Kristek hat viel Geld für Anwälte und Prozesse ausgegeben, um unliebsame Kritiker einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen (siehe 161013 und Hintergrund Juli 2016). Er hat damit auch Erfolg gehabt. Jahrelang gab es kaum eine kritische Berichterstattung über Care-Energy, während Tausende von Kunden oft der Verzweiflung nahe waren, weil sie sich mit unberechtigten Forderungen herumschlagen mußten oder nicht das ihnen zustehende Geld bekamen. Unterdessen ließ sich Kristek über Bezahl-Medien als Wohltäter feiern, der beispielsweise gemeinsam mit der Berliner Stadtmission ein Zelt zum Aufwärmen für Obdachlose sponserte. Noch anläßlich seines Todes verwendeten Medien, die sich sonst gern kritisch gebärden, verharmlosende Verlegenheitsfloskeln, indem sie etwa von einer "umstrittenen Unternehmerpersönlichkeit" sprachen.

Bundesnetzagentur verteidigt sich gegen Vorwurf der Untätigkeit

Eine Ausnahme bildete am 25. Januar das ARD-Magazin "Plusminus". Es stellte eine vierköpfige Familie aus dem Westerwald vor, die bis Ende 2015 Strom von Care-Energy bezogen hat und sich plötzlich mit einer Nachzahlungsforderung von mehr als 24.000 Euro konfrontiert sah. Dabei war ihr zuletzt sogar noch ein Guthaben in Aussicht gestellt worden. Obwohl die Forderung völlig unberechtigt und absurd war, folgte eine Mahnung nach der anderen. Der wiederholte Versuch einer Beschwerde bei Care-Energy schlug fehl, weil auch nach 50 Minuten in der Warteschleife kein Kontakt zustande kam. Das war kein Zufall, sondern System, wie zahllose andere Kunden erfahren mußten. Plusminus zitierte einen Insider, wonach es auch eine Anweisung gab, Guthaben generell nicht bzw. erst dann auszuzahlen, wenn die Kunden einen Anwalt einschalteten.

Ein Fachmann aus der Tarifvergleicher-Branche verwies in der Sendung auf die Pleiten von Teldafax und Flexstrom und meinte: "Aus den Erfahrungen hat man offensichtlich nicht gelernt. Die Bundesnetzagentur bewegt sich hier überhaupt nicht, so daß man sagen muß: Die Verbraucher werden hier nicht wirklich geschützt." Der Sprecher der Bundesnetzagentur, Fiete Wulff, verteidigte seine Behörde gegen diesen durchaus berechtigten Vorwurf mit dem Argument, daß die Untersagung der Geschäftstätigkeit ein "scharfes Schwert" sei. Es müßten "sehr gründliche Ermittlungen geführt" werden, bevor dieses Mittel als "ultima ratio" in Frage komme.

Gefolgsleute wollen im Sinne des Verstorbenen weitermachen

Es ist schwer vorstellbar, daß das Care-Energy-Geflecht den Tod seines Gründers und Eigentümers übersteht, zumal Kristek schon seit längerem mit dem Rücken an der Wand stand und nur noch wie ein Getriebener wirkte. Dennoch verband der Unternehmenssprecher Marc März am 23. Januar die offizielle Mitteilung vom Tod der "Hamburger Unternehmerpersönlichkeit" mit der Ankündigung, daß die rund hundert festangestellten Mitarbeiter so weitermachen würden wie bisher: "Die Unternehmen der Care-Energy Unternehmensgruppe werden ihre Arbeit im Sinne Kristeks fortsetzen und sind voll handlungsfähig. Der laufende Geschäftsbetrieb geht uneingeschränkt weiter. Insbesondere die Stromversorgung der Kunden des Energielieferanten Care-Energy AG wird ohne Einschränkung fortgesetzt."

 

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