März 2016

160309

ENERGIE-CHRONIK


Care-Energy schuldet jetzt 85 Millionen Euro EEG-Umlage

Das unter der Marke "Care-Energy" agierende Firmengeflecht, das vom Landgericht Hamburg am 13. November 2015 wegen nicht abgeführter EEG-Umlagen zur Nachzahlung von 85,5 Millionen Euro zuzüglich Zinsen verurteilt wurde, ist diese Summe bisher schuldig geblieben. Wie die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW auf Nachfrage mitteilten, sind weder bei ihnen noch bei 50Hertz oder TenneT entsprechende Zahlungen eingegangen. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, da Care-Energy Berufung eingelegt hat. Unabhängig davon hat das Gericht aber allen vier Klägern die vorläufige Vollstreckbarkeit ihrer Forderungen bewilligt.

Care-Energy war im Oktober 2013 vom Hamburger Landgericht schon einmal zur Nachzahlung von sieben Millionen Euro nicht abgeführter EEG-Umlage an 50Hertz und TenneT verurteilt worden (131105). Zuvor hatte dieselbe Kammer entsprechenden Forderungen von Amprion stattgegeben (130806). Wie erst jetzt bekannt wurde, hat außerdem TransnetBW schon damals gegen Care-Energy geklagt und rund eine Million Euro zugesprochen bekommen. Mit Ausnahme von TransnetBW wurden diese Urteile dann aber vom Oberlandesgericht aufgehoben, weil die drei anderen Übertragungsnetzbetreiber das Verwirrspiel, das der Care-Energy-Chef Martin Richard Kristek mit seinen diversen Firmengründungen und -umbenennungen betreibt, nicht hinreichend durchschaut hatten und deshalb ihre Forderungen an eine falsche Adresse richteten (140909).

Inzwischen haben sich die Nachforderungen der Netzbetreiber mehr als verzehnfacht

Care-Energy begründet die Nichtabführung der EEG-Umlage mit der Behauptung, kein Stromanbieter, sondern ein "Energiedienstleister" zu sein (siehe Hintergrund). Indessen ließ auch das Oberlandesgericht keinen Zweifel daran, daß es sich bei der Firma um einen Stromanbieter handelt, der nach § 37 Abs. 2 EEG zur Abführung der EEG-Umlage verpflichtet ist. Die Übertragungsnetzbetreiber klagten deshalb ein paar Monate später erneut vor dem Landgericht. Sie hielten sich nun an die "mk-power Ihr Energiedienstleister GmbH & Co. KG", die laut der Entscheidung des Oberlandesgerichts die richtige Adresse gewesen wäre und die Kristek inzwischen in "Care-Energy Energiedienstleistungs GmbH & Co. KG" umbenannt hatte. Da die Forderungen nunmehr den Zeitraum bis Juli 2014 umfaßten, erhöhte sich die verlangte EEG-Nachzahlung von über sieben auf 85,5 Millionen Euro,

Vorsorglich verklagten die Übertragungsnetzbetreiber außerdem die "Care-Energy Netzbetriebs- und Infrastruktur GmbH & Co. KG", die für Care-Energy als Stromlieferant fungierte und gegenüber den Netzbetreibern als Bilanzkreisverantwortlicher auftrat. Bei diesem Kristek-Unternehmen handelt es sich um die Fortsetzung der "mk-grid Ihr Netzbetrieb GmbH & Co. KG", gegen die sich die erste Klage gerichtet hatte, die erfolglos geblieben war, weil sie den falschen Adressaten betraf. Es überrascht deshalb nicht, daß das Landgericht in diesem Punkt die Klage abwies.

Ansonsten gab das Landgericht den Forderungen der Übertragungsnetzbetreiber in vollem Umfang statt. Im einzelnen waren es bei Amprion 19,8 Millionen Euro, bei 50 Hertz 41,4 Millionen Euro, bei TenneT 21,5 Millionen Euro und bei TransnetBW 3,5 Millionen Euro. Zur Gesamtsumme von 85,6 Millionen Euro kommen außerdem anteilige Verzugszinsen in Höhe von jeweils fünf Prozent.

Insgesamt beträgt der Schaden über 100 Millionen Euro

Außer den jetzt eingeklagten Summen wollen die Übertragungsnetzbetreiber von Care-Energy auch noch die EEG-Umlagen verlangen, die ab August 2014 nicht gezahlt wurden. Es dürfte sich dabei im wesentlichen um die verbleibende Differenz zu den 100 Millionen Euro handeln, mit denen Amprion im Februar 2015 den bisher entstandenen Schaden beziffert hat, also um rund zwanzig Millionen Euro (150210).

Kristek hat im Juli 2015 die von der Bundesnetzagentur verlangte und von ihm lange Zeit hartnäckig verweigerte Anmeldung als Stromanbieter schließlich doch vollzogen, weil er sonst mit einem Zwangsgeld von 800.000 Euro belegt worden wäre (150715). Außerdem hat er die Strombelieferung der geworbenen Kunden einer Firma namens EnUp AG übertragen. Seit dieser Umstellung wird die EEG-Umlage nach Auskunft der Übertragungsnetzbetreiber ordnungsgemäß abgeführt. Die EnUp AG existiert seit September 2014. Sie ist mit Care-Energy geschäftlich eng verbandelt und heißt seit Juli 2015 Care-Energy AG. Kristek ist seinen eigenen Angaben zufolge aber nicht an ihr beteiligt.

Falls die EEG-Nachzahlungen nicht einzutreiben sind, wären die Stromverbraucher die Leidtragenden

Nach dem ersten Urteil des Landgerichts Hamburg war es Care-Energy erstaunlicherweise gelungen, die hohen Summen beizubringen, die damals den Übertragungsnetzbetreibern zuerkannt wurden und ebenfalls vorläufig vollstreckbar waren, dann aber zurückgezahlt werden mußten, als das Oberlandesgericht aus formaljuristischen Gründen der Berufung stattgab (140909). Dagegen dürfte die jetzt eingelegte Berufung keinen Erfolg haben, da sich die Kläger und das Landgericht bemüht haben, die vom Oberlandesgericht gegebenen Hinweise zu beachten.

Trotzdem ist es fraglich, ob die Übertragungsnetzbetreiber die ihnen zuerkannte EEG-Nachzahlung tatsächlich erhalten werden. Schließlich ist die nunmehr fällige Gesamtsumme mehr als zehnmal so groß wie beim ersten Mal. Sicher nicht zufällig bevorzugt Kristek bei seinen Firmengründungen die Rechtsform der GmbH & Co. KG, die es ermöglicht, für die hinter dem Unternehmen stehenden Personen die Haftungsrisiken auszuschließen und zu begrenzen. Die von den Netzbetreibern jetzt erfolgreich verklagte Kristek-Firma "Care-Energy Energiedienstleistungs GmbH & Co. KG" ist nach üblichen Maßstäben eine Klitsche. Nach den neuesten Angaben im Bundesanzeiger – sie datieren vom Juni 2015 – verfügte sie im Geschäftsjahr 2012 über ein Eigenkapital von lediglich 6.650 Euro. Die Bilanzsumme von 29 Millionen Euro bestand zum weitaus größten Teil aus rund 24 Millionen Euro "Forderungen an verbundene Unternehmen". Als persönlich haftender Gesellschafter fungierte die "Care-Energy Energiedienstleistung Verwaltungs GmbH", die am 25. Februar 2015 ins Handelsregister eingetragen wurde und über ein Stammkapital von gerade mal 25.000 Euro verfügt. Inzwischen hat Kristek diese Firma in "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatung Verwaltungs GmbH" umbenannt.

Falls die EEG-Umlagen nicht mehr einzutreiben sind, die Care-Energy jahrelang nicht abgeführt hat, wären letztendlich nicht die Übertragungsnetzbetreiber die Leidtragenden, da sie die EEG-Abrechnung nur in Auftragsverwaltung besorgen. Vielmehr würde eine neunstellige Summe dauerhaft auf dem EEG-Konto fehlen und damit die Stromverbraucher belasten. Geschädigt sind außerdem schon jetzt andere Stromanbieter, denen Care-Energy die Kunden mit einem Strompreis abspenstig machen konnte, in dem die EEG-Umlage nicht enthalten war.

 

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