Juni 2016

160602

ENERGIE-CHRONIK


Bundesnetzagentur geht endlich gegen Care-Energy vor

Die Bundesnetzagentur scheint sich entschlossen zu haben, den dubiosen Geschäftspraktiken des Energieanbieters Care-Energy endlich ein Ende zu bereiten. Mit Datum von 28. Juni übermittelte sie dem Unternehmen einen 22 Seiten umfassenden Fragenkatalog, der bis 13. Juli beantwortet werden muß (siehe Link). Andernfalls droht ein Zwangsgeld von einer Million Euro. Adressat ist die Care-Energy AG, die derzeit gegenüber den Kunden das verwirrende Firmengeflecht vertritt, das der Österreicher Martin Richard Kristek aufgebaut hat.

Schon der Mangel an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit böte einen Grund zur Untersagung der Geschäftstätigkeit


Auf diesem Plakat warnt der Chef des Stromvertriebs Care-Energy vor sich selber. Die Warnung ist allerdings nicht an seine Kunden gerichtet. Kristek präsentiert sich vielmehr in der Rolle des Volkstribuns, der die etablierte Energiewirtschaft herausfordert.
Foto: obs/mk-group Holding GmbH/Care Energy

Die brisantesten Fragen der Behörde zielen auf die Zahlungsfähigkeit des Firmengeflechts, dessen Gesellschaften mit minimalem Stammkapital ausgestattet sind und häufig ihre Bezeichnungen ändern. So nennt sich die "Care-Energy Energiedienstleistungs GmbH & Co. KG", die vom Landgericht Hamburg zur Nachzahlung von 85,5 Millionen Euro EEG-Umlage zuzüglich Zinsen verurteilt wurde (160309), inzwischen "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG". Sie hat aber die Kundenwerbung an die "Care Energy AG" abgegeben, die zuvor "EnUp AG" hieß. Trotz des Namens war Kristek an dieser Gesellschaft angeblich nicht beteiligt. Am 27. Juni ließ er jedoch plötzlich wissen, daß eine ihm gehörende Gesellschaft diese Care-Energy AG "mit sofortiger Wirkung als Hauptaktionär übernommen" habe.

Vermutlich wird es Kristek nicht viel nützen, wenn er die vom Landgericht verurteilte "Expertos", die nur noch aus juristischen Gründen im Handelsregister fortlebt (160506), einfach Pleite machen läßt. Die Bundesnetzagentur sieht nämlich Anhaltspunkte dafür, daß die Care Energy AG für die nicht abgeführten EEG-Umlagen mithaften könnte. Ob bei dieser Gesellschaft mehr zu holen wäre, ist sicher fraglich. Eine solche Mithaftung würde aber zumindest die Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des ganzen Care-Energy-Geflechts belegen und damit ein wichtiger Grund zur Untersagung der Geschäftstätigkeit sein. Nach § 5 EnWG kann die Regulierungsbehörde einem Energieversorger die weitere Geschäftstätigkeit untersagen, "wenn die personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist".

Vorstand muß polizeiliche Führungszeugnisse und Schufa-Auskünfte beibringen

Die Bundesnetzagentur bezweifelt auch die Qualifikation des Personals. Zum Beispiel strapaziert die Kristek-Mannschaft in bizarrer Weise den Begriff "Energiedienstleistung", um die jahrelange Nichtabführung der EEG-Umlage zu rechtfertigen. Nun muß sie Nachweise über ihre Sachkunde beibringen, etwa durch Ausbildungszeugnisse. Der Vorstand der Care Energy AG muß außerdem polizeiliche Führungszeugnisse und Schufa-Auskünfte vorlegen. Mit den äußerst mageren Auskünften über die Geschäftstätigkeit der Care-Energy-Firmen, die Kristek mit erheblicher Verspätung dem "Bundesanzeiger" zukommen läßt, will sich die Behörde ebenfalls nicht abspeisen lassen.

Und natürlich will die Bundesnetzagentur auch wissen, weshalb Care-Energy so übel mit den Kunden umspringt. Care-Energy ist Stammkunde bei der Schlichtungsstelle Energie (111016) und hat die im Schlichtungsverfahren abgegebenen Zusagen oft nicht eingehalten. Bei der Bundesnetzagentur gingen ebenfalls zahlreiche Beschwerden ein. Sie hat dem Unternehmen deshalb im März dieses Jahres 65 exemplarische Verbraucherbeschwerden übermittelt, ohne eine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen zu erhalten. Im Juni 2016 beschwerten sich bei der Behörde zahlreiche Kunden darüber, daß Care-Energy ihre Belieferung rückwirkend zum Mai wegen angeblichen Auszugs aus der Wohnung abgemeldet hatte, obwohl sie gar nicht ausgezogen waren. In Jena erhielten im Juni mindestens 30 Care-Energy-Kunden die Kündigung wegen "anhaltender Zahlungsrückstände", obwohl sie ihre Rechnungen bezahlt hatten. Die Stadtwerke Jena-Pößneck übernahmen die Betroffenen in die Ersatzversorgung. Ferner kündigten sie am 28. Juni der Care-Energy AG den Netznutzungsvertrag. Dasselbe taten die Stadtwerke Zwickau, die dadurch für 450 Care-Energy-Kunden zum Ersatzversorger wurden.

50Hertz kündigt Bilanzkreisvertrag mit Care Energy AG

Die ostdeutschen Stadtwerke folgten damit dem Beispiel des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, der am 28. Juni den Bilanzkreisvertrag mit der Care Energy AG kündigte. In einer Pressemitteilung begründete 50Hertz diese Maßnahme mit ausstehenden EEG-Abschlagsrechnungen der Care Energy AG für die Monate März und April 2016. Obwohl man die Zahlungsfrist, die am 21. Juni 2016 ablief, bis 27. Juni verlängert habe, sei keine Zahlung erfolgt. "Mit der Kündigung kommt 50Hertz seiner Verantwortung als Treuhänder der Zahlungsabwicklung beim EEG nach und wendet Schaden zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher ab", hieß es in der Pressemitteilung.

Die Kündigung erfolgte auf Grundlage des § 60 Abs. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Danach dürfen die Übertragungsnetzbetreiber im Fall von Zahlungsrückständen von mehr als einer EEG-Abschlagsforderung den Bilanzkreisvertrag gegenüber dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen kündigen, wenn die Zahlung der Rückstände trotz Mahnung und Androhung der Kündigung drei Wochen nach Androhung der Kündigung nicht vollständig erfolgt ist.

Kristek will 50Hertz seinerseits gekündigt haben

Care-Energy-Chef Kristek stellte den Vorgang ganz anders dar: Unter der furiosen Überschrift "Care-Energy Management GmbH räumt auf und greift dabei hart durch" ließ er wissen, daß die ihm gehörende Care-Energy Management GmbH die Häufung von Kundenbeschwerden zum Anlaß genommen habe, um den "bis dato unabhängigen Versorger Care-Energy AG" als Hauptaktionär zu übernehmen. Die Überprüfung der Beschwerden im Bereich von 50Hertz habe dann ergeben, daß der Übertragungsnetzbetreiber die Care-Energy AG "mit überzogenen Umlagenforderungen und Energiemengenberechnungen" belaste. Die Verteilnetzbetreiber dieses Regelgebiets hätten großteils "Rechnungen mit falschen Verbrauchs- oder Berechnungswerten, aber auch Umlagenforderungen" geltend gemacht. Dies bedeute "eine nicht hinnehmbare Mehrbelastung".

Bombastisch tönte Kristek weiter: "Die Care-Energy AG nimmt eine solche Vorgangsweise im Sinne der Kunden nicht hin und kündigt mit sofortiger Wirkung sämtliche Lieferantenrahmenverträge und Bilanzkreisverträge in dieser Region, also dem Bereich der 50Hz-Regelzone, um eine genaue Abrechnung der Werte damit zu erzwingen. Erst nach lückenloser Aufklärung wird die Versorgung durch die Care-Energy AG wieder aufgenommen werden."

Die von Kristek verbreitete Erklärung trägt das Datum des 27. Juni, an dem die von 50Hertz verlängerte Zahlungsfrist ablief. Ob und wann er den Bilanzkreisvertrag tatsächlich gekündigt hat und damit eventuell der Kündigung durch 50Hertz zuvorkam, konnte die Pressestelle des Netzbetreibers bis Redaktionsschluß nicht beantworten.

 

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