September 2016 |
160902 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bund der Energieverbraucher hat sich die Mühe gemacht, zumindest die wesentlichen Handelsregister-Eintragungen des Firmengeflechts nachzuzeichnen, das unter der Marke Care-Energy firmiert und von dem Österreicher Martin Richard Kristek dirigiert wird. In dieser neuesten Version ist der Verkauf der beiden "Expertos"-Firmen (links) mit ihren schätzungsweise 90 Millionen Euro Schulden bereits berücksichtigt. Die "Care-Energy AG" dagegen (rechts unten), die bis vor kurzem angeblich eigenständig war und deshalb separat aufgeführt wird, gehört inzwischen ebenfalls offiziell Kristek. Gegen beide Firmen laufen Aufsichtsverfahren der Bundesnetzagentur.
Das unter der Marke Care-Energy agierende Firmengeflecht versucht offenbar mit einem faulen Trick, der Nachzahlung von rund neunzig Millionen Euro zu entgehen, die es den vier Übertragungsnetzbetreibern schuldet. Es handelt sich um 85,6 Millionen Euro nicht abgeführter EEG-Umlage plus Zinsen, die aufgrund von Urteilen des Landgerichts Hamburg vorläufig vollstreckbar sind (160309). Durch die Nichtabführung dieser Gelder konnte der Care-Energy-Chef Kristek jahrelang seine Strompreise aufhübschen und sich so einen Konkurrenzvorteil verschaffen. Den Schaden hatte die Gesamtheit der Stromverbraucher, die entsprechend stärker belastet wurde. Den Übertragungsnetzbetreibern ist es jedoch bisher nicht gelungen, diese Summe von der "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG" einzutreiben, die der nominelle Schuldner ist.
Kristek hat die Firma "Expertos" nach dem Urteil des Hamburger Landgerichts erklärtermaßen nur noch aus juristischen Gründen im Handelsregister fortleben lassen (160506). Außerdem verlegte er den Firmensitz von Hamburg nach einem kleinen Ort in Sachsen und machte anstelle seiner Person einen 21-jährigen Gefolgsmann zum Geschäftsführer (160701). Vermutlich wollte er so die Eintreibung der Forderungen und damit die Insolvenz der Firma verzögern, bei der es praktisch kaum etwas zu holen gibt. Inzwischen stellte sich heraus, daß er dieses schwachbrüstige Firmenkonstrukt außerdem mitsamt den Schulden an eine ominöse Firma in Tschechien verkauft hat. Der Zweck dieses Manövers dürfte sein, den ersatzweisen Zugriff auf andere Vermögenswerte des Firmenchefs sowie dessen eventuelle strafrechtliche Verfolgung zu erschweren. Die Bundesnetzagentur sah schon Ende Juni Anhaltspunkte dafür, daß neben "Expertos" auch andere Care-Energy-Firmen für die nicht abgeführten EEG-Umlagen haften könnten (160602).
Das Firmen-Verwirrspiel, das Kristek seit Jahren betreibt, erreicht mit der Ausgliederung der "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG" und der dazugehörigen Komplementär-Gesellschaft einen neuen Höhepunkt. Falls es ihm mit diesem Schachzug gelingen würde, der Nachzahlung der vorenthaltenen EEG-Umlagen zu entgehen, wäre dies ein Skandal ersten Ranges. Da der Firmenmantel nicht nur praktisch wertlos ist, sondern neunzig Millionen Euro Schulden mit sich schleppt, darf man auch bei dem neuen Eigentümer getrost zwielichtige Motive vermuten. Laut Handelsregister handelt es sich um die tschechische Firma Lichtenstern s.r.o. mit Sitz in Prag, bei der eine gewisse Pavlina Lauter Hola die Regie führt.
Der Gesellschafterwechsel wurde bereits mit Datum vom 11. April 2016 beim Amtsgericht Hamburg angemeldet. Für Außenstehende wurde er aber erst jetzt durch eine entsprechende Komplettierung der elektronisch abrufbaren Unterlagen im Handelsregister bekannt. Geschäftsführer beider "Expertos"-Firmen ist unverändert ein Vertrauter namens Ali Akrami, der nach dem Urteil des Hamburger Landgerichts an die Stelle von Kristek trat. Außerdem blieb es trotz des neuen tschechischen Gesellschafters bei der Verlagerung des nominellen Firmensitzes von Hamburg nach dem kleinen Ort Augustusburg in Sachsen.
Die vier Übertragungsnetzbetreiber TenneT, 50Hertz, Amprion und TransnetBW erklärten auf Nachfrage, daß ihnen der Verkauf "mit Eintragung des Gesellschafterwechsels im Handelsregister bekannt geworden" sei. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber der ENERGIE-CHRONIK hieß es weiter: "Grundsätzlich hat der Gesellschafterwechsel keine Auswirkungen auf die Zwangsvollstreckung gegen die Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG, das Verfahren läuft weiter. Über den neuen Gesellschafter liegen uns derzeit noch keine Erkenntnisse vor. Zum Einzug der durch vorläufig vollstreckbare Urteile titulierten Forderungen betreiben wir weiterhin die vorläufige Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin unter Nutzung aller gesetzlichen Möglichkeiten."
Auch der Bundesnetzagentur dürfte der Verkauf der Schuldnerin nach Tschechien bereits bekannt gewesen sein, als sie Ende Juni die beiden Aufsichtsverfahren gegen die "Care Energy AG" und die "Expertos Unternehmens- und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG" einleitete (160602). Auf Nachfrage erklärte sie jedoch lediglich, daß "mit Rücksicht auf die laufenden Aufsichtsverfahren eine inhaltliche Stellungnahme nicht möglich" sei.
Daß der Gesellschafterwechsel grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Zwangsvollstreckung gegen die weiterhin in Deutschland ansässige "Expertos" hat, stimmt natürlich. Dies ändert aber nichts daran, daß bei beiden "Expertos"-Firmen so gut wie nichts zu holen ist. Die geschuldeten EEG-Umlagen stehen in einem lächerlichen Mißverhältnis zum haftenden Kapital. Der tschechische Erwerber riskiert sicher nichts, wenn er nun den Kristek-Vertrauten Akrami die Insolvenz beantragen läßt. Vermutlich hat ihn der Erwerb keinen Cent gekostet, sondern war unterm Strich mit einem kräftigen Aufgeld verbunden, das die Kosten der erwiesenen Dienstleistung mehr als kompensiert. Solche Praktiken sind als "Firmenbestattung" bekannt. Sie können mitunter nur anrüchig und insoweit legal sein. Sie können aber auch strafrechtlich relevant werden, wenn es beispielsweise zu einer Insolvenzverschleppung kommt. Die Nichtabführung der EEG-Umlage mit einer geradezu aberwitzigen Begründung, wie sie sich Care-Energy einfallen ließ, ist jedenfalls nicht mit schlichter Unkenntnis der Rechtslage und energiewirtschaftlicher Zusammenhänge zu erklären. Im Gegenteil: Sie dürfte von Anfang an ein zielgerichtetes Katz-Maus-Spiel mit der Trägheit von Justiz, Behörden und Übertragungsnetzbetreibern gewesen sein, um von den unrechtmäßig erlangten Vorteilen möglichst lange profitieren zu können.
Auch sonst versucht es Care-Energy weiterhin auf die krumme Tour: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat am 2. September Klage gegen den Energieanbieter eingereicht, nachdem dieser es abgelehnt hat, einer Anfang August ergangenen Abmahnung Folge zu leisten. Die Verbraucherschützer beanstandeten einen Online-Tarifrechner, mit dem sich angeblich Strompreise neutral vergleichen lassen. Zum Beispiel wies dieser Tarifrechner für einen Durchschnittshaushalt in Berlin mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowatt pro Jahr als konkurrenzlos günstigsten Anbieter ein Care-Energy-Unternehmen aus. Nach Angaben des vzbv betrug der angezeigte Jahrespreis schlappe 157,50 Euro und bescherte damit dem Kunden, der per Mausklick zu diesem Anbieter wechselte, scheinbar eine traumhafte Ersparnis von 937,70 Euro im Vergleich zum Grundversorger. Dieser Preis sei im gesamten Bestellvorgang deutlich sichtbar ohne Einschränkungen angezeigt worden. In Wahrheit habe es sich aber gar nicht um den Endpreis gehandelt, denn Care-Energy habe sich außerdem eine Entlohnung für die "Energiekostenoptimierung" ausbedungen, deren Höhe nicht beziffert wurde. Der Hinweis auf diese zusätzlichen Kosten sei in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt gewesen.
"Der beanstandete Tarifrechner gibt den Preis nicht vollständig wieder", stellte der vzbv dazu fest. "Verbraucher müssen die tatsächlichen Kosten sofort erkennen können, bevor sie einen Vertrag schließen, und nicht erst die AGB studieren müssen." Der Verband setzte der Care-Energy Management GmbH bis 12. August eine Frist zu Abgabe der verlangten Unterlassungserklärung. Diese verstrich ergebnislos. Care-Energy verzichtet nun aber anscheinend auf diese Masche: Ende September zeigte der erwähnte Vergleichsrechner für den vom vzbv getesteten Berliner Durchschnittshaushalt in der Grundeinstellung nur noch eine optimale Ersparnis von jährlich 174 Euro an – und zwar dann, wenn der Kunde vom Grundversorger Vattenfall (1095,20 Euro) zu einem Angebot der enviam (747,06 Euro) wechseln würde.