Dezember 2014 |
141201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Am 31. Oktober 2013 zelebrierte die Gazprom auf dem Gelände der geplanten Verdichterstation Rasovo das "Verschweißen der ersten Naht" für den bulgarischen Abschnitt der South-Stream-Gaspipeline. Vier Wochen später folgte ein ähnliches Spektakel in Serbien. Es handelte sich um symbolische Aktionen für die Medien, denn die beiden verschweißten Rohre endeten jeweils vorläufig im Nichts. Der tatsächliche Bau sollte jetzt in Bulgarien Mitte Dezember beginnen. Die seit Oktober amtierende neue Regierung verweigerte aber auf Druck der EU-Kommission die Genehmigung. Da Kremlchef Putin weiterhin nicht bereit war, die in der EU geltenden Rechtsvorschriften für Gastransportnetzbetreiber zu respektieren, ließ er daraufhin das ganze Projekt platzen. (Siehe hierzu auch Hintergrund) Foto: Gazprom
|
Rußland verzichtet auf den Bau der Gasleitung South Stream. "Wegen der ausbleibenden Genehmigung Bulgariens haben weitere Arbeiten an dem Projekt keinen Sinn", erklärte der russische Präsident Wladimir Putin am 1. Dezember in Ankara, wo er mit seinem türkischen Kollegen Erdogan verhandelt hatte. "Es gibt kein Zurück mehr" bekräftigte noch am selben Tag der Gazprom-Chef Alexej Miller.
Wie die Agentur RIA Novosti weiter berichtete, unterzeichneten die Gazprom und der türkische Energiekonzern am 1. Dezember ein Memorandum, wonach der russische Staatskonzern eine neue Pipeline bauen wird, die durchs Schwarze Meer in die Türkei führt. Sie werde jährlich bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren können, wovon rund 15 Milliarden für den Eigenverbrauch der Türkei bestimmt sind. Die restliche Kapazität von rund 50 Milliarden Kubikmeter stehe anderen Abnehmern zur Verfügung. Es werde erwogen, an der türkisch-griechischen Grenze einen "Hub" einzurichten, der die Weiterverteilung nach Südeuropa besorgt. Außerdem hätten Gazprom und Botas den Ausbau der vorhandenen Gasleitung Blue Stream um drei auf 19 Milliarden Kubikmeter im Jahr vereinbart.
Unter dieser Konstellation könnte das Projekt "Nabucco-West" neuen Auftrieb erhalten, das im Juni 2013 seine Grundlage verloren hatte, nachdem sich das Shah-Deniz-Konsortium für die Trans Adriatic Pipeline (TAP) entschieden hatte (130603). Denn nun entfällt die Anbindung der Balkanländer an South Stream, mit der damals noch gerechnet wurde. Und für das russische Gas, das über die Türkei nach Westeuropa gelangen soll, stände nur die TAP-Verbindung nach Süditalien zur Verfügung.
Der Kreml traf seine Entscheidung ohne Rücksprache mit den Regierungen und Unternehmen, die er in den vergangenen Jahren unter großem Aufwand in das Projekt eingebunden hatte. Sie erfuhren davon erst aus der Presse. An der Börse gerieten die Aktien der Stahlunternehmen Voestalpine und Salzgitter unter Druck, die bereits mit der Herstellung und Auslieferung der Röhren für die Pipeline begonnen hatten. Kalt erwischt wurden vor allem die Energiekonzerne ENI (Italien), EDF (Frankreich) und BASF-Wintershall (Deutschland), die gemeinsam mit der Gazprom den Pipeline-Abschnitt durchs Schwarze Meer bauen sollten. Der ENI-Tochter Saipem, die im Dezember mit zwei Spezialschiffen die Verlegung des Offshore-Abschnitts in Angriff nehmen sollte, entgeht nun ein Auftrag von rund zwei Milliarden Euro. Für die BASF, die seit 24 Jahren mit dem russischen Staatsmonopolisten im Geschäft ist, dürfte das überraschende Ende von South Stream mit ein Grund dafür gewesen sein, den geplanten Anteilstausch mit Gazprom abzusagen (141202).
Auf der Internetseite der South Stream AG war bis zum Jahresende keine Stellungnahme oder auch nur eine Nachricht zum Ende des Projekts zu finden. Erst am 29. Dezember erschien dort eine lakonische, aus einem einzigen Satz bestehende Mitteilung, wonach die Gazprom die Anteile von ENI (20 Prozent) sowie EDF und Wintershall (jeweils 15 Prozent) übernommen habe und damit hundertprozentiger Eigentümer der South Stream AG geworden sei. Ein BASF-Sprecher erklärte dazu, daß diese Verfahrensweise im Gesellschaftervertrag vorgesehen sei. Den von Gazprom gezahlten Kaufpreis wollte er nicht nennen. Er entspreche jedoch "dem von BASF eingesetzten Kapital".
Der Kreml beendet damit ein Projekt, das er vor gut sieben Jahren erstmals angekündigt hatte (070612) und das mittlerweile Milliarden gekostet haben dürfte, obwohl außerhalb Rußlands noch kein Stück der Leitung verlegt wurde. Hauptzweck des Vorhabens war ursprünglich, die von der EU geplante Gasleitung Nabucco zu torpedieren, die Gas aus dem kaspischen Raum unter Umgehung Rußlands nach Europa transportieren sollte (060605). Nachdem Nabucco gescheitert war (130603), betrieb der Kreml das Projekt hauptsächlich deshalb weiter, um die Ukraine als Gas-Transitland endgültig ausschalten zu können (140401).
Den Anstoß für die Einstellung des Projekts gab, daß die EU-Kommission auf der Einhaltung des in Westeuropa geltenden Rechtsrahmens bestand und wegen des russischen Angriffs auf die Eigenstaatlichkeit der Ukraine nicht mehr bereit war, der Gazprom eine großzügige Ausnahmeregelung zu gewähren (siehe Hintergrund). Die Gazprom wäre bei South Stream sowohl exklusiver Lieferant als auch Netzbetreiber gewesen, was gegen die seit 2009 geltenden EU-Entflechtungsvorschriften für Gastransportnetzbetreiber verstieß (090401). Dennoch hatten sich Bulgarien und Ungarn beharrlich geweigert, die Pipeline auch für Wettbewerber zu öffnen und der Gazprom das hälftige Eigentum an den jeweiligen Leitungsabschnitten streitig zu machen. Im Juni hatte die Kommission deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet. Mit der neuen Regierung, die im Oktober in Sofia an die Macht kam, zeigte der Druck schließlich Wirkung, so daß Gazprom nicht mit der vorgesehenen Verlegung der Leitung beginnen konnte.