November 2009

091102

ENERGIE-CHRONIK


 


Die Regierungschefs Putin (links) und Fillon bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung zum Einstieg der EDF bei "South Stream" und einer Reihe weiterer Abkommen.
Pressefoto Reg. RU

Franzosen beteiligen sich an South Stream und Nord Stream – Gazprom kann Einfluß bei VNG erhöhen

Der staatliche französische Stromkonzern EDF wird sich mit rund zehn Prozent am russischen Gaspipeline-Projekt South Stream beteiligen. Dies vereinbarten die Ministerpräsidenten Francois Fillon und Wladimir Putin bei Regierungsgesprächen, die am 27. November in Paris stattfanden. Im Rahmen dieser Gespräche verhandelten außerdem der russische Staatskonzern Gazprom und der staatsnahe französische Energiekonzern GDF Suez über eine Beteiligung am Gaspipeline-Projekt Nord Stream. Wie die Konzerne anschließend in einer gemeinsamen Presseerklärung mitteilten, will GDF Suez mit neun Prozent bei diesem Projekt einsteigen. Zugleich habe Gazprom-Chef Alexey wissen lassen, daß er – quasi als Gegenleistung – die Beteiligung von GDF Suez am ostdeutschen Gasversorger VNG in Höhe von 5,26 Prozent verlangt. Auf die Überlassung dieser Beteiligung hoffte ursprünglich die deutsche EDF-Tochter Energie Baden-Württemberg (EnBW), um trotz des Widerstands der anderen Anteilseigner die Mehrheit an VNG erwerben zu können. Nun wird die EnBW allenfalls noch eine Minderheitsbeteiligung an VNG erwerben können, und auch dabei wäre sie auf das Entgegenkommen der anderen Anteilseigner angewiesen (090901).

Nach Italien stärkt nun auch Frankreich die russische Gasstrategie

Mit den beiden neuen Gaspipelines Nord Stream durch die Ostsee (siehe Karte) und South Stream durchs Schwarze Meer (siehe Karte) will Rußland die politische Störanfälligkeit der bisherigen Haupttrassen durch die Ukraine, Weißrußland und Polen verringern und die EU-Staaten davon abhalten, sich verstärkt um andere Lieferanten zu bemühen. South Stream ist sogar ein direktes Konkurrenzunternehmen zum Pipeline-Projekt Nabucco, das von der EU-Kommission angestoßen wurde, um die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu mindern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Nabucco soll Erdgas aus dem Nahen Osten einsammeln und unter Umgehung Rußlands nach Westeuropa transportieren. Die strategische Bedeutung des Projekts für Westeuropa hat indessen Italien und dessen staatlichen Energiekonzern ENI nicht davon abgehalten, sich schon vor zwei Jahren mit fünfzig Prozent an South Stream zu beteiligen (070612).

Nunmehr stärkt auch Frankreich die russische Gasstrategie, indem sich der Staatskonzern EDF und die staatsnahe GDF Suez an South Stream und an Nord Stream beteiligen. Offiziell verstößt die Regierung damit allerdings nicht gegen die energie- und außenpolitischen Maximen der Gemeinschaft. Die Einstufung der beiden Pipelines als "direkte Bedrohung" des Nabucco-Projekts, die der amtierende EU-Ratspräsident Mirek Topolanek im Januar 2009 vornahm (090102), wurde schon kurz darauf durch den Kommissionspräsidenten Barroso (090201) und im April 2009 nochmals bei einem Gas-Gipfel in Sofia (090402) korrigiert. Offiziell gilt seitdem die Sprachregelung, daß alle Pipeline-Projekte einen Beitrag zur Diversifizierung der Gasversorgung leisten und deshalb willkommen sind.


South Stream gegen Nabucco: Die EU-Mitglieder Bulgarien und Ungarn sind in beide Projekte eingebunden. Die "South Stream"-Abzweigung nach Griechenland soll bis Italien verlängert werden.


ENI, BASF und E.ON müssen von bisherigen Beteiligungen abgeben

Wie aus dem regierungsamtlichen Kommuniqué hervorgeht, wird die zehnprozentige Beteiligung der EDF an der South Stream AG in Abstimmung mit ENI erfolgen, d.h. durch Verringerung der ENI-Beteiligung von bisher fünfzig auf vierzig Prozent. In Verbindung damit ist der Abschluß neuer langfristiger Gaslieferverträge vorgesehen. Wie der neue EDF-Chef Henri Proglio (091017) sagte, werden diese Gaslieferungen der EDF nicht nur bei der Deckung ihres eigenen Bedarfs zur Stromerzeugung behilflich sein, sondern auch ihre Wandlung von einem ehemals reinen Stromversorger zum Energiekonzern mit Strom und Gas im Angebot vorantreiben helfen.

Über die neunprozentige Beteiligung von GDF Suez an der Nord Stream AG seien bereits Gespräche mit den bisherigen Minderheitspartner der Gazprom im Gange, heißt es in der Presseerklärung. Sie werden wohl darauf hinauslaufen, daß die BASF-Tochter Wintershall und E.ON Ruhrgas erneut jeweils 4,5 Prozent von ihrer Beteiligung abgeben, wie das bereits bei der Erweiterung des Aktionärskreises um die niederländische Gasunie der Fall war. Gazprom wird dann mit 51 Prozent weiter die Mehrheit behalten, während Wintershall und E.ON sich auf jeweils 15,5 Prozent beschränken und der Rest zu gleichen Teilen auf Gasunie und GDF Suez entfällt.

Außer der Absichtserklärung zum Einstieg der EDF bei South Stream unterzeichneten Putin und Fillon bei ihrem Treffen noch eine Reihe weiterer Abkommen. Sie betreffen unter anderem die Zusammenarbeit der EDF mit dem russischen Kraftwerkskonzern Inter RAO, die gemeinsame Erschließung und Ausbeutung eines Erdölfeldes, die Kooperation zwischen den Autoherstellern Renault und Avtovaz und den Bau einer Autobahn zwischen Moskau und St. Petersburg. Neben gemeinsamen geschäftlichen Aktivitäten planen EDF und Inter RAO die Gründung eines Tochterunternehmens zur Durchführung von Energieeffizienz-Maßnahmen in Rußland, an dem sie jeweils zur Hälfte beteiligt sind.

Schweden, Finnland und Dänemark erlauben Verlegung der Ostsee-Pipeline durch ihre Wirtschaftszonen

Die schwedische und die finnische Regierung haben am 5. November der Nord Stream AG die Genehmigung für den Bau der Ostsee-Pipeline in den ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) ihrer Länder erteilt. Die insgesamt 1223 Kilometer langen Erdgaspipeline wird auf 506 Kilometer bzw. 374 Kilometer durch diese Zonen führen (siehe Karte). Damit haben nunmehr drei der fünf betroffenen Länder dem Bau der Pipeline zugestimmt. Dänemark erteilte die Erlaubnis für den rund 140 Kilometer langen Routenabschnitt durch die Hoheits- und Wirtschaftszone um die Insel Bornholm bereits am 20. Oktober 2009, nachdem sich Gazprom bereitgefunden hatte, dem dänischen Energiekonzern Dong doppelt soviel Erdgas zu liefern wie bisher. Die Genehmigungen in Deutschland und Rußland stehen zwar noch aus, gelten aber als Formsache.

In Finnland benötigt das Konsortium zusätzlich zur Genehmigung für die ausschließliche Wirtschaftszone noch eine Baugenehmigung der Umweltbehörde Westfinnlands gemäß dem finnischen Wassergesetz. Nord Stream ist bestrebt, alle Genehmigungen bis Ende des Jahres zu erhalten. Der Baubeginn ist für das erste Quartal 2010 geplant. Der erste Leitungsstrang soll 2011 den Betrieb aufnehmen, der zweite soll 2012 folgen.


Die Ostsee-Pipeline "Nord Stream" (grün) verläuft fast durchweg außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer (gelbe Linien). Aber auch in den sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszonen (grau strichelt) haben die Anrainerstaaten mitzureden. Weil die baltischen Staaten und Polen ihre Zustimmung verweigerten, war es für Rußland sehr wichtig, von Finnland, Schweden und Dänemark die Erlaubnis zur Verlegung der Pipeline durch deren Wirtschaftszonen zu erhalten.

 

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