Oktober 2018

181005

ENERGIE-CHRONIK


Weltklimarat warnt erneut vor Folgen des Temperaturanstiegs

Der Weltklimarat (IPCC) hat erneut vor den Folgen einer weiteren Erwärmung der Erdatmosphäre gewarnt. Im Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 (151209) war er unter Punkt 21 aufgefordert worden, bis 2018 einen Bericht über die Auswirkungen zu erstellen, die ein Klimaanstieg um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zur Folge hätte. Der nunmehr vorliegende Bericht wurde auf der 48. IPCC-Plenarsitzung, die vom 1. bis 5. Oktober in Incheon (Südkorea) stattfand, von Vertretern der 195 Mitgliedsstaaten Zeile für Zeile verabschiedet und am 8. Oktober veröffentlicht.

Bei gleichbleibendem Tempo der Erwärmung würde bis 2040 ein Anstieg um 1,5 Grad erreicht


In dieser Grafik aus dem Sonderbericht des IPCC führt die Kurve mit den menschlich verursachten CO2-Emissionen erst im Jahr 2040 zu einem Anstieg um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit. Gemäß dem 5. Sachstandsbericht aus dem Jahr 2014 hätte die Kurve steiler verlaufen müssen. Das noch zur Verfügung stehende Kohlendioxid-Budget wäre 300 Gigatonnen geringer und inzwischen fast ausgeschöpft gewesen. Der IPCC begründet die Änderung mit einem "aktualisierten Verständnis" der Datenlage und weiteren Fortschritten bei den Berechnungsmethoden.

In seinem Sonderbericht berechnet der IPCC das Ausmaß der Erwärmung aus dem Anstieg des 30-jährigen globalen Durchschnitts der kombinierten Temperatur über Land und an der Meeresoberfläche. Die 30-jährige Zeitspanne soll natürliche Schwankungen der jährlich ermittelten globalen Temperaturen ausgleichen. Der Vergleich mit der "vorindustriellen Zeit" erfolgt anhand von Daten aus den Jahren 1850 bis 1900, da aus früheren Epochen kaum globale Daten verfügbar sind. Der IPCC gelangt so zu der Schlußfolgerung, dass die globale Temperatur derzeit um 0,2 Grad pro Jahrzehnt steigt und die vom Menschen verursache Erwärmung bis 2017 zu einem Temperaturanstieg um 1 Grad über dem vorindustriellen Niveau geführt hat. Bei gleichbleibendem Tempo der Erwärmung würde so bis 2040 ein Anstieg um 1,5 Grad erreicht. Dabei handele es sich allerdings nur um die globale Durchschnittstemperatur. Schon jetzt lägen die Temperaturen in vielen Regionen bereits um 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau.

Schon ein halbes Grad mehr hätte gravierende Folgen

Grundsätzlich enthält der Bericht keine neuen Erkenntnisse. Er betont aber immer wieder, dass die Auswirkungen eines erhöhten Temperaturanstiegs bei zwei Grad noch wesentlich schlimmer wären als bei 1,5 Grad. Beispielsweise wäre bis zum Jahr 2100 der globale Meeresspiegelanstieg um zehn Zentimeter höher, das Nordpolarmeer wäre mindestens einmal pro Jahrzehnt eisfrei statt nur alle hundert Jahre und Korallenriffe würden zu 70 bis 90 Prozent vernichtet.

Der Bericht bestätigt damit jene Staaten, die von einem Anstieg des Meeresspiegels besonders bedroht sind. Auf deren Drängen hatte die Pariser Klimakonferenz das mit allen Teilnehmern ausgehandelte Wunschziel, den Temperaturanstieg unter zwei Grad zu halten, zusätzlich um die 1,5-Grad-Marke erweitert. Deren Einhaltung gilt damit ebenfalls als erstrebenswert, ist aber von nachrangiger Bedeutung. Beide Ziele haben ohnehin nur deklamatorischen Charakter, da es jedem der Unterzeichner-Staaten überlassen bleibt, ob und wieweit er tatsächlich zur Erfüllung der Absichtserklärung beiträgt.

Neue Berechnungsmethode verschiebt globalen Temperaturanstieg um zwei Jahrzehnte

Zusätzlich bestätigt fühlen dürfen sich die vom Anstieg des Meeresspiegels bedrohten Staaten durch die Botschaft, dass es noch nicht zu spät sei, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Gemäß dem 5. IPCC-Sachstandsbericht aus dem Jahr 2014 wäre die verbleibende Zeit bis zu einem globalen Temperaturanstieg um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit eigentlich fast schon abgelaufen. Der jetzt vorgelegte Sonderbericht bedient sich jedoch einer veränderten Berechnungsmethode. Es können deshalb zusätzlich 300 Gigatonnen Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen werden, bevor ein globaler Temperaturanstieg um 1,5 Grad erreicht wird, und das ist voraussichtlich erst um das Jahr 2040 der Fall.

Diese nicht gerade nebensächliche Korrektur wird man in den Materialien, die vom 48. IPCC-Plenum abgesegnet wurden, allerdings lange suchen müssen. In der 34-seitigen "Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger" findet man dazu gerade mal den folgenden Satz, der außerdem in einer Fußnote versteckt ist: "Irrespective of the measure of global temperature used, updated understanding and further advances in methods have led to an increase in the estimated remaining carbon budget of about 300 GtCO2 compared to AR 5."

Gegenüber dem 5. Sachstandsbericht des IPCC ergibt sich somit eine rechnerische Erweiterung des noch zur Verfügung stehenden Kohlenstoff-Budgets um 300 Gigatonnen. Im übrigen ändert das aber überhaupt nichts am realen Umfang der Treibhausgas-Emissionen und am völlig unzulänglichen Instrumentarium zur Eindämmung des Klimawandels. Bei nüchterner Betrachtungsweise fehlt es deshalb weiterhin an den Voraussetzungen, um die beiden Pariser Klimaziele mit Leben zu erfüllen. Vorerst sind sie nicht mehr als politische Beruhigungspillen. Beim derzeitigen Tempo der Erderwärmung würde es immerhin fünfzig Jahre dauern, bis sich der globale Temperaturanstieg, der 2017 ein Grad erreichte, verdoppelt haben wird. Entsprechend groß ist bei den verantwortlichen Politikern die Neigung, das Problem auf die lange Bank von hochgesteckten Minderungszielen zu schieben, deren Verfehlung schon jetzt absehbar ist, obwohl sie dies verständlicherweise bestreiten.

Links (intern)

Link (extern, ohne Gewähr)