November 2017 |
171106 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zu Beginn der Konferenz berichtete der zwölfjährige Fidschi-Junge Timoci Naulusala von der Zerstörung seines Dorfes durch einen Wirbelsturm und forderte die Politiker zum Kampf gegen den Klimawandel auf. Links Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, rechts Fidschi-Ministerpräsident Frank Bainimarama und UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Foto: BMUB/Michael Gottschalk
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In Bonn fand vom 6. bis 17. November die 23. Weltklimakonferenz statt, die unter der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln stand, aber von Deutschland als "technischem Gastgeber" organisiert wurde. Laut Bundesumweltministerium war sie "die größte zwischenstaatliche Konferenz, die es je in Deutschland gegeben hat". In den zwei Konferenzwochen seien insgesamt 22.000 Teilnehmer sowie mehr als 4500 Helfer anwesend gewesen. Im Gegensatz zum enormen Aufwand blieben die Ergebnisse jedoch wieder recht bescheiden. Zum spektakulärsten Ereignis geriet deshalb eine von zehn europäischen Staaten, Kanada und weiteren Unterzeichnern vereinbarte Allianz für den Ausstieg aus der Kohle, die am 16. November verkündet wurde. Das Bündnis zielt allerdings nicht unbedingt auf den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen. Es kann auch als Plädoyer für die Kernenergie verstanden werden und will die weitere Verstromung von Kohle zulassen, sofern sie mittels des umstrittenen CCS-Verfahrens zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid erfolgt (siehe Hintergrund, Mai 2011).
Die Erklärung gegen die Kohleverstromung kam auf Initiative von Kanada und Großbritannien zustande. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen – so heißt es darin – müßten die Europäische Union und sonstige OECD-Staaten bis 2030 und der Rest der Welt bis 2050 auf diese Energiequelle verzichten. Hinzu bedrohe die Kohleverbrennung weltweit die Gesundheit der Menschen: Ihre Emissionen seien jährlich für 800.000 Todesfälle verantwortlich.
Die unterzeichnenden Regierungen verpflichten sich, die herkömmliche Kohleverstromung in ihrem Hoheitsbereich auslaufen zu lassen und den Bau neuer Kohlekraftwerke zu verhindern, soweit diese nicht mit dem CCS-Verfahren zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid ausgerüstet sind. In ähnlicher Weise verpflichten sich Organisationen und Unternehmen, die ebenfalls unterzeichnen können, ihren jeweiligen Beitrag zum Ausstieg aus der Kohle zu leisten.
Die Liste der 27 Unterzeichner soll bis zur 24. Weltklimakonferenz verdoppelt werden. Zu den bisherigen Unterstützern gehören die EU-Staaten Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Großbritannien sowie als weiteres europäisches Land die Schweiz. Wichtigster außereuropäischer Unterzeichner ist Kanada mit den Provinzen Alberta, British Columbia, Ontario, Quebec und dem Regionaldistrikt Vancouver, die zusätzlich einzeln aufgeführt sind. Hinzu kommen Angola, Costa Rica, El Salvador, die Fidschi-Inseln, die Marshall-Inseln, Mexiko, Neuseeland, die Koralleninsel Niue im Pazifik sowie die beiden US-Bundesstaaten Washington und Oregon, die damit offen gegen die Kündigung des Pariser Klimaabkommens durch US-Präsident Trump und dessen Kohlepolitik aufbegehren (170606).
Die deutsche Regierung ist der Anti-Kohle-Allianz bisher nicht beigetreten, ebenso wie die Kohle-Verteidiger Polen und Tschechien. "Wir wurden angefragt, ob wir da mitmachen", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. "Ich habe um Verständnis gebeten, daß wir das nicht im Vorgriff auf die nächste Regierung entscheiden können. Die Initiative wird uns aber auf dem laufenden halten." Neben den aktuellen Koalitionsverhandlungen dürfte sich auch hemmend ausgewirkt haben, daß die Anti-Kohle-Deklaration als indirekte Unterstützung der CO2-freie Atomstromerzeugung verstanden werden kann sowie ausdrücklich die Kohleverstromung mittels der umstrittenen CSS-Technik zuläßt. Das liegt vor allem an den beiden Hauptakteuren: Großbritannien will bis 2025 alle Kohlekraftwerke durch Gas- und Atomkraftwerke ersetzen. In Kanada rangiert die Kernenergie nach der Wasserkraft (60 Prozent) mit der Kohle (15 Prozent) fast gleichauf und könnte durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung ebenfalls noch an Bedeutung gewinnen.
Zum Auftakt der "COP 23" kündigte die Bundesregierung an, weitere 100 Millionen Euro für den "Least Developed Countries Fund (LDCF)" zur Verfügung zu stellen, der gezielt die ärmsten Länder bei der Klimaanpassung unterstützt. Der Fonds hat bisher 67 Projekte in 63 Ländern mit einem Fördervolumen von rund 450 Millionen US-Dollar auf den Weg gebracht, wobei Deutschland mit nunmehr insgesamt 240 Millionen Euro der größte Geldgeber ist. Etwa zwei Drittel der ausgezahlten Mittel sind in Projekte in Afrika geflossen. Weitere 30 Prozent gingen in die Region Asien und Pazifik.
In einer Bilanz des Bundesumweltministeriums zum Abschluß der Konferenz hieß es, daß die 197 Vertragsparteien "wichtige Fortschritte bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens erzielt" hätten. Nach dem Rückzug der Trump-Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen gehe von Bonn "das starke Signal aus, daß die Welt zusammensteht und sich beim Klimaschutz nicht aufhalten lässt". Ein wesentliches Ergebnis der Konferenz sei der sogenannte Talanoa-Dialog. Talanoa ist ein fidschianischer Begriff für einen Austausch mit allen Beteiligten. Unter Führung von Fidschi und Polen soll dieser Dialog im Laufe des nächsten Jahres Beiträge aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenfassen und zu einer Bestandsaufnahme führen, welche die Vertragsstaaten zu ehrgeizigerem Handeln bei der Erreichung des 2-Grad-Ziels motiviert, das vor zwei Jahren im Pariser Klimaabkommen abgesteckt wurde (151209). Wichtige Fortschritte habe es auch beim sogenannten Regelbuch mit den Ausführungsbestimmungen für das Pariser Abkommen gegeben. Dabei gehe es zum Beispiel um die Frage, wie die Staaten ihre Treibhausgasemissionen messen und darüber berichten.