Februar 2009 |
090209 |
ENERGIE-CHRONIK |
Noch vor der endgültigen Entscheidung über die geplante neue EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt ist der RWE-Konzern vorgeprescht und hat angekündigt, im umstrittensten Punkt der neuen Regelung vollendete Tatsachen zu schaffen. Wie er am 24. Februar mitteilte, wird er im Lauf des nächsten halben Jahres sein Höchstspannungsnetz als "Independent Transmission Operator (ITO)" organisieren. Damit werde er "frühzeitig eine zentrale Forderung des derzeit in Brüssel diskutierten 3. Energiebinnenmarktpaketes umsetzen" und "die Unabhängigkeit eines der größten Übertragungsnetze in Europa stärken".
Fakt ist allerdings, daß das EU-Parlament noch gar nicht über den Kompromiß entschieden hat, auf den sich Kommission und Rat bei einem Treffen in Luxemburg am 10. Oktober 2008 einigten. Auf Drängen Deutschlands, Frankreichs und einiger weiterer Staaten ist in diesem sogenannten Gemeinsamen Standpunkt auch die Zulassung eines "Independent Transmission Operator" (ITO) vorgesehen worden – als dritte Möglichkeit neben der ursprünglich von der Kommission geforderten eigentumsrechtlichen Entflechtung und dem bereits als Kompromiß gedachten Konzept des "Independent System Operator" (ISO). Das ITO-Konzept erlaubt das Weiterbestehen von integrierten Energieversorgern inklusive ihrer Transportnetzgesellschaften. Es verschärft lediglich etwas die Anforderungen an die Unabhängigkeit des Managements.
Das Parlament hat sich bisher für eine umfassende eigentumsrechtliche Entflechtung
ausgesprochen und sogar das ISO-Konzept abgelehnt (080603).
Wenn es den Kompromißvorschlag von Rat und Kommission ablehnen sollte, wäre
auch das jetzt von RWE verkündete ITO-Konzept unzulässig. Allerdings bedürfte
es für die Ablehnung oder Änderung des Gemeinsamen Standpunkts einer absoluten
Mehrheit im Parlament. Offenbar vertraut RWE darauf, daß diese nicht erreicht
wird bzw. unter dem Eindruck vollendeter Tatsachen nicht mehr zustande kommt. Wie
auch immer: Die Umstrukturierung des Höchstspannungsnetzes vor der endgültigen
Entscheidung ist ein Affront gegenüber dem Parlament – gerade so, als wollte
RWE vor den anstehenden Europa-Wahlen nochmals die Macht- und Bedeutungslosigkeit
der europäischen Volksvertretung unterstreichen.