Oktober 2008

081013

ENERGIE-CHRONIK


EnBW wirbt für "intelligente" Zähler mit Leistungsmessung

Als erster deutscher Energieversorger bietet die Energie Baden-Württemberg (EnBW) seit Oktober den Haushaltskunden die Ersetzung ihres bisherigen Stromzählers durch "intelligente" Mehrtarif-Zähler mit viertelstündlicher Leistungsmessung an, deren Verbrauchsdaten in Echtzeit oder per Langzeit-Auswertung auf dem Bildschirm des häuslichen PC verfolgt werden können. In Verbindung damit gewährt sie für Stromverbrauch zwischen 20 Uhr und 8 Uhr sowie am Wochenende eine Ermäßigung um 2,80 ct/kWh gegenüber dem Grundversorgungstarif. Die Kunden müssen allerdings einen DSL-Zugang zum Internet besitzen und außerdem hundert Euro für die Installation des Zählers aufbringen.

Im Unterschied zum herkömmlichen Verbrauchszähler, bei dem sich der aktuelle Leistungsbezug nur am Tempo der Drehscheibe erkennen läßt (rechts), erfaßt der neue elektronische Zähler exakte Leistungswerte und übermittelt sie per "Powerline" an den DSL-Router des Kunden.

Die Datenübertragung vom Zähler zum DSL-Router des Kunden erfolgt über das häusliche Stromnetz per "Powerline". Aus diesem Grund kann die neue Technologie zunächst nur in Wohnhäusern mit maximal sechs Wohneinheiten installiert werden. Vom DSL-Anschluß werden die Daten per Internet zum Stromversorger übertragen und ausgewertet. Der Kunde kann dann wählen, ob er sich den aktuellen Stand seines Zählers direkt auf den Bildschirm holt oder die Verbrauchsdaten eines längeren Zeitraums per Internet vom Versorger darstellen läßt.

Der normale Schwachlast-Tarif ist günstiger

Das Angebot wendet sich offenbar hauptsächlich an Kunden mit ausgeprägtem Spieltrieb, denen es ein Aufpreis wert ist, wenn sie die Verbrauchsdaten nicht am Zähler ablesen müssen, sondern am Bildschirm studieren können. Denn ein Haushalt mit durchschnittlichem Stromverbrauch und ohne spezifische Nachtlast bräuchte etliche Jahre, um die Mehrkosten für den Zähler wieder einzusparen. Außerdem ist der reguläre Schwachlast-Tarif der EnBW mit einem Bonus von 6,55 ct/kWh gegenüber dem Grundversorgungstarif mehr als doppelt so günstig wie der auf ein Jahr befristete Nachlaß um 2,80 ct/kWh (wenn man mal davon absieht, daß diese Ermäßigung nur für acht Stunden jedes Tages gilt und die Installation des dafür erforderlichen Doppeltarifzählers zehn Euro mehr kostet).

Ferner honoriert die EnBW den Kunden nicht den Vorteil der viertelstündlichen Leistungsmessung, den ihr die neuen Zähler ermöglichen. Bisher gibt es für Kleinverbraucher nur eine Verbrauchsmessung. Die Leistungsschwankungen werden allein durch die in die Stromkreise eingebauten Sicherungen begrenzt und spielen für die Stromrechnung keine Rolle. Eine viertelstündliche Leistungsmessung kann nur bei solchen Niederspannungskunden stattfinden, die jährlich mindestens 100.000 Kilowattstunden verbrauchen. Diesen gewährt die EnBW dann außerhalb der Schwachlastzeit einen Arbeitspreis von 18,74 ct/kWh. Denselben Stromverbrauch wie ein solcher größerer Niederspannungskunde haben aber auch etwa zwei Dutzend Durchschnittshaushalte. Im Zeitalter der Elektronik ist es ziemlich egal, ob ein Kunde jährlich 100.000 kWh bezieht oder ob 25 Kunden jährlich 4.000 kWh verbrauchen. Dennoch zahlen Haushaltskunden, die sich den neuen Zähler anschaffen, den normalen Grundversorgungstarif von 20,53 ct/kWh und damit 1,79 ct/kWh mehr.

Stromsparen ist mit der herkömmlichen Technologie genauso möglich

Aus der Sicht rational denkender Haushaltskunden dürften die neuen Stromzähler kaum den Aufpreis wert sein, zumal sie dem Stromversorger auch noch die Internet-Verbindung zur Verfügung stellen müssen. Dennoch rechnet die EnBW in ihrer Pressemitteilung vom 8. Oktober "mit rund 45.000 Privatkunden, die in den nächsten drei Jahren auf die neue Technologie umsteigen werden". Sie beruft sich bei dieser Prognose auf die Erfahrungen mit tausend "Pionierkunden" in Baden-Württemberg, die den neuartigen Zähler von August 2007 bis Juli 2008 getestet hätten. Dabei hätten über ein Drittel der Testkunden ihren Stromverbrauch um mehr als zehn Prozent reduzieren und "rund 157 Tonnen CO2 vermeiden" können.

"Unsere Kunden werden selbst zum Energiemanager", pries EnBW-Chef Hans-Peter Villis die stimulierende Wirkung, die von der neuen Zähler-Technologie zum Energiesparen ausgehe. "Sie können aktiv handeln und damit Energie und Kosten sparen und sie leisten einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz."

Indessen eröffnet die neue Zähler-Technologie, trotz der vollmundigen Ankündigungen, keine grundsätzlich neuen Wege zur Verringerung des Stromverbrauchs. Wer "Stromfresser" aufspüren und dadurch Einsparungen erzielen will, kann dies mit Hilfe herkömmlicher Zähler und des kleinen Einmaleins genauso erfolgreich tun.

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