März 2008

080305

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung spricht von "faulem Deal" zwischen E.ON und Brüssel

Sowohl die vier Energiekonzerne als auch die Bundesregierung waren sich im März noch unschlüssig, welche Marschrichtung sie hinsichtlich der von der EU-Kommission verlangten eigentumsrechtlichen Entflechtung des Stromtransportnetzes einschlagen sollen. Es war auch noch nicht so recht ersichtlich, was der E.ON-Konzern mit dem Vorschlag bezweckt, sein Transportnetz zu verkaufen, und ob es ihm dabei wirklich nur um eine Einigung mit der Kommission zur Abwendung der laufenden Kartellverfahren geht (080201). Bestätigt hat sich indessen der Eindruck, daß die Bundesregierung vom Kurswechsel des E.ON-Konzerns völlig überrascht wurde und nun - allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz - ihre bisherige Haltung in dieser Frage überdenken muß. Vor dem Plenum des Bundestags äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Michael Glos geradezu erbost über den "faulen Deal", den E.ON mit der EU-Kommission getroffen habe.

RWE denkt an europäische Netzgesellschaft

Laut "Spiegel" (17.3.) will nun auch der RWE-Konzern die unmittelbare Verfügung über sein Transportnetz abgeben und in eine europäische Netzgesellschaft einbringen, um einem "drohenden Zwangsverkauf" und einer Kartellstrafe zu entgehen. RWE-Chef Großmann habe entsprechende Papiere bereits an zuständige Stellen in Brüssel und Berlin verteilen lassen. Anscheinend läuft das RWE-Modell darauf hinaus, daß die bisherigen Transportnetzbetreiber Anteilseigner der neuen europäischen Netzgesellschaft werden.

E.ON für bundesweite Zusammenfassung der Transportnetze

E.ON-Chef Wulf Bernotat sprach sich in Interviews mit dem "Spiegel" (3.3.) und dem "Handelsblatt" (18.3.) für die Gründung einer bundesweiten Stromnetzgesellschaft aus, die ihr Geschäft unter staatlicher Aufsicht betreibt, aber privaten Aktionären gehört. Das Nebeneinander von vier Transportnetzgesellschaften sei das Ergebnis historischer Zufälligkeiten und "nie ganz optimal gewesen".

"Wir prüfen nach wie vor alle Optionen", sagte ein Sprecher des Vattenfall-Konzerns am 17. März auf Anfrage von Medien. Dabei seien "auch andere Eigentümerstrukturen als bisher denkbar". Eine Entscheidung dazu gebe es aber noch nicht.

EnBW schielt nach Paris

Nur beim kleinsten der vier deutschen Transportnetzbetreiber hält man vorerst an der alten Marschrichtung fest. EnBW-Vorstandschef Hans-Peter Villis ließ am 4. März verlauten, er sehe für einen Verkauf keinen Grund. "Wir sind überzeugt, daß das Teil unseres Geschäfts ist." Vermutlich wird Villis bei dieser Überzeugung bleiben, solange Frankreich und der EnBW-Großaktionär Electricité de France auf ihrer Ablehnung der Kommissionspläne beharren.

Für Glos ist das "Handeln der EU-Kommission manchmal etwas mysteriös und nur schwer nachvollziehbar"

Als der Bundestag am 6. März in erster Lesung die Gesetzentwürfe zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (080302) und zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas (080301) debattierte, nutzten etliche Redner diese Gelegenheit, um auch auf die Frage der Transportnetz-Entflechtung einzugehen. Laut Plenarprotokoll gebrauchten sie dabei für die von E.ON geplante Einigung mit der EU-Kommission insgesamt siebenmal den englischen Ausdruck "Deal", der im deutschen Sprachgebrauch mit "anrüchig" konnotiert ist. Den Anfang machte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), indem er bekannte:

"Ich weiß nicht, welche Motive dahinterstehen. Vor kurzem hat dieser Konzern noch eine andere Haltung an den Tag gelegt. Man hört auch davon, dass irgendwelche Deals und der Erlaß von Kartellstrafen ihn plötzlich in diese Richtung bewegt haben. Insofern ist das Handeln der EU-Kommission manchmal etwas mysteriös und nur schwer nachvollziehbar. Wenn jemand gegen Kartellrecht verstoßen hat, dann muss er dafür zahlen, finde ich; das darf nicht mit anderen Dingen abgefunden werden. Die faulen Deals, die da offensichtlich gemacht worden sind, und zwar ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als der Energierat über die verschiedenen Modelle beraten hat, bedürfen meiner Ansicht nach einer intensiven Überprüfung."

"Die Linke" fordert Verstaatlichung der Stromtransportnetze

Für die Fraktion "Die Linke" verlangte Oskar Lafontaine die Einbringung der Transportnetze in eine öffentliche Netzbetriebsgesellschaft unter gemeinsamer Trägerschaft des Bundes und der Länder. "Mit einem gewissen Vergnügen" greife er damit einen Vorschlag des SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer auf. Ferner fordere seine Partei eine Verschärfung des Kartellrechts und die "Rekommunalisierung der Energieversorgung".

Am 11. März stellte "Die Linke" im Bundestag zudem den förmlichen Antrag, das E.ON-Netz ins Eigentum der öffentlichen Hand überzuführen. "Stromnetze stellen ein natürliches Monopol dar und sind ein bedeutender Teil der öffentlichen Infrastruktur", hieß es zur Begründung. "Aufgrund des überragenden Allgemeinwohlinteresses dürfen sie weder in die Hände privater Finanzspekulanten noch anderer privater Investoren fallen."

Links (intern)