September 2020 |
200910 |
ENERGIE-CHRONIK |
In mehreren "Fingern" strebten die Aktivisten ihren jeweiligen Zielen zu. Hier sind die Teilnehmer des "Silbernen Fingers" unterwegs, um die Kohlezufuhr für das Kraftwerk Neurath zu blockieren (im Hintergrund). Die weißen Maleranzüge gehören bei den Aktionen von "Ende Gelände" schon zum gewohnten Bild. Neu sind dagegen die Corona-Schutzmasken. Ob sie auch gegen Pfefferspray ein bißchen helfen? Foto: Ende Gelände
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Im Rheinischen Braunkohlerevier demonstrierten am Wochenende vom 25. bis zum 27. September erneut zahlreiche Klima-Aktivisten gegen die weitere Kohleverstromung. Vor allem richtete sich ihr Protest gegen die Fortführung des Tagebaues Garzweiler II, dem in § 48 des "Kohlverstromungsbeendigungsgesetzes" (KVBG) ausdrücklich eine Bestandsgarantie bis zur planmäßigen Beendigung der Braunkohleverstromung im Jahre 2038 zugesichert wird (200701). Das Bündnis "Ende Gelände" (190602) sprach von insgesamt 3000 Personen, die sich an den diversen Aktionen zwischen Düsseldorf und Aachen beteiligt hätten. Parallel dazu rief die Initiative "Fridays for Future" (190602) für den 25. September bundesweit zur Beteiligung am "Globalen Klimastreik" auf. Diesem Aufruf sind nach Angaben der Veranstalter insgesamt 200.000 Menschen gefolgt, darunter die Teilnehmer von Protestkundgebungen, die sich am 25. September in Aachen und am 26. September vor dem Tagebau Garzweiler II speziell gegen die Braunkohleverstromung wandten.
Nach Mitteilung der Polizeidirektion Aachen drangen am 26. September rund 500
Personen in ein Gelände östlich vom Tagebau Garzweiler ein. Im Bereich
des Tagebaus Inden durchbrachen rund 80 Personen die Polizeikette, rissen Zäune
nieder und besetzten das Förderband im Kohlebunker Weisweiler. In Huchem-Stammeln
stoppte die Polizei rund 400 Demonstranten, die sich in Richtung Tagebau Inden
bewegten. Eine weitere Gruppe besetzte in der Ortschaft Keyenberg, die dem Tagebau
weichen soll, eine bereits aufgegebene Gaststätte, um sie symbolisch wieder
zu eröffnen. Rund 200 Personen blockierten das GuD-Heizkraftwerk Lausward
in Düsseldorf und verlangten das Ende der Gasverstromung. Dieselbe Forderung
erhoben etwa 200 Personen, die eine Gaspipeline im Bereich der Baustelle der
Verdichterstation Baal besetzten (siehe Foto). Rund 100 Personen besetzten die
Gleise der Kohlebahn, die zum Kraftwerk Neurath führt (im Polizeibericht
ist missverständlicherweise vom Kraftwerk Frimmersdorf die Rede, das aber
schon vor drei Jahren vom Netz ging (151005) und zum
1. Oktober nächsten Jahres endgültig stillgelegt wird).
Zum erstenmal nahm "Ende Gelände" bei den Aktionen im Rheinischen Revier auch ein GuD-Kraftwerk und eine Erdgas-Pipeline ins Visier. Bei der Verstromung von Erdgas entweicht zwar nur etwa halb soviel CO2 pro Kilowattstunde wie bei Braunkohle. Berücksichtigt man jedoch die Methan-Verluste bei Gewinnung und Transport, können die CO2-Äquivalente ähnlich hoch sein, da Methan ein besonders wirksames Treibhausgas ist. Foto: Ende Gelände/Nora Börding
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Im Verlauf der Aktionen kam es zu etlichen Zusammenstößen mit der Polizei, die sich ihren Angaben zufolge "intensiv auf diese anspruchsvolle Lage vorbereitet" hatte und dabei von Polizeikräften aus ganz Nordrhein-Westfalen, anderen Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt wurde. Das begann schon bei der polizeilichen Überprüfung von Demonstranten, die morgens mit dem Zug am Bahnhof Köln-Ehrenfeld eintrafen und leicht an ihren weißen Maleranzügen zu erkennen waren. "Im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen kam es zu Widerständen, sodass die Weiterfahrt untersagt und Folgemaßnahmen, wie Identitätsfeststellung und Ingewahrsamnahmen, erfolgten", heißt es im Polizeibericht. Insgesamt habe man bis Sonntag 49 Personen "nach der Verübung von Straftaten" festgenommen sowie 117 Personen "in Gewahrsam genommen und der Gefangenensammelstelle zugeführt". Außerdem seien mehrere hundert Personen nach Platzverweisen mit Bussen aus dem Einsatzgebiet weggebracht worden.
"Ende Gelände" sprach dagegen von zahlreichen Rechtsverstößen der Polizei. Diese habe diverse Anmeldungen von Versammlungen und Demonstrationen ohne rechtliche Grundlage verweigert. Durch willkürlichen Einsatz von Polizeihunden und -pferden, Schlagstöcken, Pfefferspray sowie durch Schläge und Tritte seien zahlreiche Aktivisten verletzt worden. Bei der Einkesselung durch Polizeikräfte sei ihnen mehrfach verweigert worden, auf die Toilette zu gehen oder mit Trinkwasser versorgt zu werden. Bei rechtswidrigen Körperdurchsuchungen hätten sich Betroffene vollständig entkleiden müssen. Eine junge Aktivistin sei in der Gefangenensammelstelle Aachen sogar von fünf männlichen Polizisten genötigt worden, sich vor ihnen nackt auszuziehen. Rechtswidrig und reine Schikane sei auch der sogenannte "Verbringungsgewahrsam", mit dem die Polizei festgenommene Aktivisten abtransportiert und erst in etwa 150 Kilometer Entfernung wieder freigelassen hätte.