November 2017

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ENERGIE-CHRONIK


EU will wegen Nord Stream 2 die Gas-Richtlinie ändern

Die EU-Kommission hält die seit 2009 geltende Gas-Richtlinie für lückenhaft, soweit sie Gasleitungen betrifft, die aus Drittstaaten durchs Meer ins Gebiet der Europäischen Union führen. Am 8. November kündigte Kommissionspräsident Claude Juncker einen Vorschlag zur Schließung dieser Lücke an. Damit soll gewährleistet werden, daß die wesentlichen Grundsätze der EU-Rechtsvorschriften im Energiebereich, wie sie die Gasrichtlinie in den Artikeln 9, 32, 33 und 34 festlegt, auch für derartige Leitungen gelten.

Der Vorstoß der Kommission richtet sich aktuell und hauptsächlich gegen das Projekt einer zweiten Gas-Pipeline durch die Ostsee, das die russische Gazprom mit finanzieller Unterstützung westlicher Energiekonzerne unter der Bezeichnung Nord Stream 2 verwirklichen möchte. Die Kommission verhehlt dies auch keineswegs, sondern spricht ausdrücklich davon, daß ein Abkommen mit Rußland "das beste Instrument bleibt, um einen klaren, kohärenten und stabilen Rechtsrahmen für Nord Stream 2 zu schaffen".

Kommission möchte Mandat für direkte Verhandlungen mit Rußland

Da rund ein Drittel der EU-Staaten den Bau von Nord Stream 2 ablehnt (170406), hat die Kommission noch nie den Standpunkt der deutschen Regierung geteilt, daß es sich bei diesem Projekt um ein rein wirtschaftliches Projekt zwischen der Gazprom und den westlichen Energiekonzernen handele. Stattdessen setzte sie auf direkte Verhandlungen mit dem Kreml (160512). Im Juni dieses Jahres ersuchte sie außerdem den Rat der Europäischen Union förmlich um ein Mandat für solche Verhandlungen.

Wo Berlin sich bestätigt fühlt, sieht Brüssel eine Rechtslücke

Mit dem Vorschlag zur Änderung der Gasrichtlinie will die Kommission ihrem Begehren nach einem Mandat für Direktverhandlungen mit dem Kreml offenbar Nachdruck verleihen. Zugleich geht sie in die Offensive, nachdem die Juristischen Dienste der Kommission und des Rates in einem Gutachten festgestellt haben, daß die Gasrichtlinie in ihrer bisherigen Fassung keine umfassende Regelung für Gasleitungen von und nach Drittländern enthält. Die deutsche Regierung und andere Unterstützer des Pipeline-Projekts werteten diesen Befund als Bestätigung dafür, daß Nord Stream 2 mit den EU-Vorschriften vereinbar sei. Die EU-Kommission sieht das nun ganz anders und entdeckt eine Rechtslücke, die unbedingt geschlossen werden muß.

Die geplante Revision der Gasrichtlinie würde die in Artikel 36 enthaltenen Ausnahmebestimmungen für solche Pipelines ändern, die über eine Seegrenze in den Bereich der Europäischen Union gelangen. Außer Nord Stream 2 wären das Pipelines aus Norwegen, Algerien, Libyen, Tunesien und Marokko. Ferner könnten darunter die Verbindungen mit Großbritannien fallen, sobald der derzeit betriebene Austritt dieses Landes aus der EU verwirklicht ist.

 

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