Mai 2012 |
120509 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der RWE-Konzern erwägt nun doch den Rückzug aus dem Pipeline-Projekt "Nabucco", nachdem er im Januar entsprechende Berichte noch dementierte. "Angesichts veränderter Bedingungen durch die Planung neuer Pipeline-Projekte prüfen wir derzeit, ob unsere kommerziellen und strategischen Anforderungen an Nabucco weiter gewahrt werden", erklärte eine RWE-Sprecherin am 12. Mai zu einer Vorab-Meldung der Zeitschrift "Der Spiegel". Eine Entscheidung gebe es jedoch noch nicht.
Dem Magazin zufolge haben RWE-Manager bereits Politiker in Berlin und Brüssel auf einen möglichen Rückzug aus dem Konsortium vorbereitet. Grund für die Neuorientierung sei, daß sich die Kosten von rund acht auf etwa 15 Milliarden Euro fast verdoppelt hätten und nach wie vor keine tragfähigen Gasverträge mit Aserbaidschan und Turkmenistan in Sicht seien.
In der Stellungnahme des Konzerns hieß es, RWE sei "weiter überzeugt, dass Nabucco in der ursprünglichen Form die beste Lösung für alle Stakeholder ist". Das klingt, als ob RWE nun die geplante Verkürzung der Pipeline zum Anlaß nehmen wolle, um einen eventuellen Ausstieg aus dem Projekt zu begründen. Im April hat bereits die ungarische MOL ihren Rückzug angekündigt (120402). Das dürfte ein zusätzliches Motiv für den Sinneswandel von RWE sein, zumal es Gazprom damit ein weiteres Mal gelungen ist, die EU-Länder auseinanderzudividieren.
Dem Nabucco-Konsortium gehören außerdem noch die österreichische OMV, die türkische Botas, die Bulgarian Energy Holding und die rumänische Transgaz an. Aus Kostengründen will sich das Konsortium neuerdings auf den Bau einer 1.300 Kilometer langen Pipeline von Österreich bis zur bulgarisch-türkischen Grenze beschränken. Die Heranführung des Gases aus dem kaspischen Raum soll über die bestehende Leitung durch die Türkei erfolgen, die lediglich ausgebaut wird.
Am 16. Mai hat das Nabucco-Konsortium dieses abgespeckte Projekt auch dem Konsortium vorgelegt, das zur Erschließung des Erdgasfelds Shah Deniz II in Aserbaidschan gegründet wurde. Dieses Shah Deniz II-Konsortium überlegt derzeit noch, ob es zur Fortführung von "Nabucco" durch die Türkei selber eine Leitung bauen soll. Die wichtigsten Mitglieder sind hier mit jeweils 25,5 Prozent die Konzerne BP und Statoil.
Das von der russischen Gazprom dirigierte Gemeinschaftsunternehmen "Nordstream" prüft derzeit die Erweiterung der Ostsee-Pipeline um bis zu zwei weiteren Leitungen – zusätzlich zu der Leitung, die im November 2011 in Betrieb genommen wurde und einem weiteren Strang, an dessen Fertigstellung derzeit noch gearbeitet wird (111101). In einer Mitteilung vom 11. Mai sprach Nordstream von einer "weiteren Diversifizierung der Transportrouten" als "integraler Bestandteil einer verbesserten Versorgungssicherheit in der EU". Die Studie werde in den nächsten acht Monaten erarbeitet. In Wirklichkeit dürfte diese Ankündigung hauptsächlich dazu dienen, das EU-Projekt "Nabucco" noch mehr unter Druck zu setzen, als dies bereits mit dem direkt konkurrierenden Pipeline-Vorhaben "South Stream" der Fall ist.