April 2017

170406

ENERGIE-CHRONIK


Westliche Gaskonzerne finanzieren zweite Ostsee-Pipeline zur Hälfte

Die russische Gazprom und die fünf westeuropäischen Gasunternehmen Engie, OMV, Shell, Uniper und Wintershall haben ihrem Bündnis eine neue Form gegeben: Die westlichen Partner beschränken sich nun beim Bau der zweiten Ostsee-Pipeline auf eine finanzielle Beteiligung, anstatt Minderheitseigentümer der von Gazprom gegründeten Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG zu werden, wie dies ursprünglich vorgesehen war (150905). Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 24. April übernehmen sie die Hälfte der Baukosten, die derzeit mit 9,5 Milliarden Euro veranschlagt werden. Sie bekommen jedoch keine entsprechenden Aktienpakete: "Gazprom ist und bleibt alleiniger Aktionär der Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG", wird ausdrücklich versichert.

Im Unterschied zur Bundesregierung lehnt rund ein Drittel der EU-Staaten das Projekt ab

Das im September 2015 vereinbarte Konsortium war am Widerstand etlicher EU-Staaten gescheitert. Dazu gehören Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien sowie die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Aus deren Sicht kann Rußland mit der zweiten Ostsee-Pipeline sein Erpressungspotential erhöhen. In der Tat macht dieses Projekt die durch die Ukraine und Polen führenden Pipelines für russische Gaslieferungen grundsätzlich entbehrlich. Zudem müssen Polen, Tschechien und die Slowakei den Verlust von Transitgebühren befürchten. Auch Italien lehnt Nordstream 2 ab, weil es an einer durchs eigene Land führenden Ersatzlösung für das geplatzte "South Stream-Projekt interessiert ist, die bei einer Verdoppelung der Ostsee-Kapazitäten überflüssig werden könnte.

Die EU-Kommission hatte ebenfalls Bedenken geäußert – im Unterschied zur deutschen Regierung, die in betonter Blauäugigkeit die Ansicht vertrat, daß es sich um ein rein wirtschaftliches Projekt handele (160512). Den Ausschlag gab zuletzt, daß Polen sich querlegte. Die sechs Konsortialpartner hatten deshalb im August 2016 ihre fusionsrechtliche Anmeldung bei der polnischen Wettbewerbsbehörde zurückgezogen und die Prüfung "alternativer Ansätze" angekündigt (160804).

Bei Baukosten von 9,4 Milliarden Euro müßte jeder der fünf Gazprom-Partner 950 Millionen Euro beisteuern

Wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung heißt, werden die westlichen Partner "jeweils bis zu 950 Millionen Euro bereitstellen". Bei Gesamtkosten von 9,5 Milliarden Euro würde somit jedes der fünf Gasunternehmen genau diesen Betrag aufbringen müssen, damit die Hälfte der Summe erreicht wird. Falls der Voranschlag überschritten wird, müßte aber Gazprom die zusätzlichen Kosten tragen. Als Miteigentümer würden die westlichen Partner dagegen eine Nachschußpflicht haben.

Soweit die veröffentlichten Details. Es ist zu vermuten, daß mit der Finanzbeteiligung noch andere Abmachungen getroffen wurden, die bislang nicht bekannt wurden.

 

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