März 2014

140301

ENERGIE-CHRONIK


EWE erlangt nun doch die Mehrheit am ostdeutschen Gasverteiler VNG

Sieben Jahre nach Beginn eines genauso heftigen wie erfolglosen Kampfes um die Aktienmehrheit an der VNG Verbundnetz Gas kann der Kommunalkonzern EWE nun doch die unternehmerische Führung des ostdeutschen Gasverteilers übernehmen. Ermöglicht wird ihm dies durch die geschäftliche Neuorientierung der BASF-Tochter Wintershall, die bisher im Bunde mit der russischen Gazprom sein schärfster Widersacher war. Wie beide Unternehmen am 17. März mitteilten, wird die Wintershall ihrer VNG-Beteiligung von 15,79 Prozent verkaufen. Die EWE-Beteiligung erhöht sich dadurch von bisher 47,9 auf 63,7 Prozent. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Für Wintershall hat das VNG-Paket seine strategische Bedeutung verloren

Die Initiative zu dem Geschäft war anscheinend von Wintershall ausgegangen. Die BASF-Tochter verwies darauf, daß sie ihr Gashandels- und -speichergeschäft inzwischen an die russische Gazprom abgegeben hat, die ihr dafür eine Beteiligung an sibirischen Gasvorkommen einräumte (131206). Mit der Entscheidung, sich von den VNG-Anteilen zu trennen, setze sie die strategische Konzentration auf den Upstream-Bereich fort.

EWE-Vorstandsvorsitzender Werner Brinker stellte fest, daß die Übernahme der Wintershall-Anteile die "Handlungsmöglichkeiten" seines Unternehmens erweitern werde. Er ließ dabei offen, ob er die VNG als Tochterunternehmen längerfristig weiterführen oder die neu erlangte Aktienmajorität möglichst gewinnbringend weiterverkaufen will. Zunächst werde EWE die Möglichkeit nutzen, "gemeinsam mit den übrigen Aktionären Zukunftsoptionen der VNG zu diskutieren".

Seit 2007 ist VNG für EWE nur noch eine Beteiligung

Die EWE AG hatte Ende 2003 den größten Teil des VNG-Aktienpakets übernommen, das der E.ON-Konzern abgeben mußte, als er sich die Ruhrgas AG einverleibte. Mit dem Erwerb weiterer Anteile kam sie so auf knapp 48 Prozent. Eine Konsortialvereinbarung mit den kommunalen Miteigentümern (25,8 Prozent) sicherte ihr zudem die unternehmerische Führung und die Konsolidierung der VNG in der eigenen Bilanz (031208). Den Rest der VNG-Anteile hielten Wintershall (15,8 Prozent) sowie die russische Gazprom (10,5 Prozent) und die französische GDF Suez (5,26 Prozent).

Das Bündnis mit den ostdeutschen Kommunen hielt allerdings nicht lange. Im Mai 2007 wurde EWE-Chef Brinker als Vorsitzender des VNG-Aufsichtsrats überraschend abgewählt (070504). Die VNG tauchte fortan im Konzernabschluß der EWE nur noch als Beteiligung auf (070808). Der Großaktionär hoffte zunächst, die Phalanx der Kommunen aufbrechen und so die fehlenden drei Prozent zur Mehrheit erlangen zu können. Die versuchte Abwerbung der Stadtwerke Jena und Halle mißlang jedoch (090109). Daraufhin betrat die EnBW als neuer strategischer Partner der EWE die Bühne (080701) und machte sich anheischig, deren VNG-Aktienpaket zu übernehmen (090504). Anscheinend glaubte die EnBW, mehr Chancen zu haben. Sie verkaufte sogar ihre ostdeutsche Gastochter Geso, um vom Bundeskartellamt grünes Licht für die neue Partnerschaft mit der EWE und für den geplanten Einstieg bei VNG zu bekommen (100310). Der französische Staat ließ jedoch die damalige deutsche EDF-Tochter EnBW im Stich und schanzte den Anteil der GDF Suez stattdessen der Gazprom zu (091102). Die Gegner waren damit noch stärker geworden, während sich die strategischen Partner EWE und EnBW wegen des Fiaskos zu zerstreiten begannen (111205, 130508).

Das vereinbarte Stillschweigen über den Preis dürfte damit zu tun haben, daß sich die Wintershall den Verkauf ihrer VNG-Beteiligung durch einen hohen Aufschlag honorieren läßt. Trotzdem kann auch die EWE profitieren. Bisher war es ihr trotz aller Bemühungen nicht gelungen, ihr 48-Prozent-Paket loszuwerden, weil der Verkauf der vinkulierten Aktien nur mit Zustimmung der Hauptversammlung möglich ist. Als Mehrheitsaktionär hat sie dagegen alle Möglichkeiten, entweder das Unternehmen nach eigenem Gusto zu führen oder es meistbietend weiterzuverkaufen

Links (intern)