August 2018

180801

ENERGIE-CHRONIK


Rechnungshof rügt Vergeudung von Steuergeldern für Elektroauto-Prämien

Der Bundesrechnungshof hat in scharfer Form die Kaufprämien für Elektroautos kritisiert, die seit zwei Jahren von der Bundesregierung und den Automobilherstellern gemeinsam angeboten werden (160403). "Die deutsche Automobilindustrie hat die Entscheidung der Bundesregierung zu diesem Umweltbonus und dessen Ausgestaltung wesentlich beeinflusst", konstatierte die Prüfbehörde in einer Pressemitteilung vom 14. August. Dabei sei zweifelhaft, ob die Automobilindustrie tatsächlich die Hälfte der ausgelobten Preisnachlässe trage. Häufig würden die Hersteller ihren nominellen Beitrag zur Kaufprämie dadurch finanzieren, dass sie einfach die sonst üblichen hohen Rabatte auf den Listenpreis streichen.

Starke Einflussnahme der Lobby vergrößerte Mitnahme-Effekte, die ohnehin zu befürchten waren

Zeitgleich mit der kurzen Pressemitteilung veröffentlichte der Bundesrechnungshof auf seinen Internet-Seiten eine "abschließende Prüfungsmitteilung" an das Bundeswirtschaftsministerium, die vom 26. Februar dieses Jahres datiert ist und auf 60 Seiten alle Kritikpunkte detailliert aufführt. Der Hauptvorwurf lässt sich so zusammenfassen, dass die Kaufprämie auf Drängen der Automobilindustrie zustande gekommen und nach deren Wünschen gestaltet worden sei. Infolge dieser Einflussnahme der Lobby sei die Inanspruchnahme der Kaufprämie in der ersten Halbzeit des Förderprogramms noch weiter hinter den Erwartungen zurückgeblieben und habe in noch höherem Maße zu Mitnahme-Effekten geführt, als von Anfang an zu befürchten gewesen sei.

Die Bundesregierung habe die Gewährung einer haushaltsfinanzierten Kaufprämie für Elektroautos selber lange Zeit abgelehnt und dabei insbesondere auf die Gefahr von reinen Mitnahmeeffekten verwiesen, heißt es in der Prüfungsmitteilung. Sie habe dann aber dem Druck der Automobilindustrie nachgegeben, die auch als einzige Interessengruppe an den weiteren Überlegungen zur Ausgestaltung der Kaufprämie beteiligt gewesen sei. Auf Drängen der Lobby habe sie im Zeitraum von Ende April 2016 bis zur Veröffentlichung der Förderrichtlinie zwei wesentliche Positionen aufgegeben oder abgeschwächt: Zum einen habe sie die Degression der Förderbeträge, die jährlich um 500 Euro sinken sollten, ohne erkennbaren Grund nicht in die Förderrichtlinie übernommen und damit gegen die eigenen subventionspolitischen Leitlinien verstoßen. Zum anderen habe sie die umweltpolitisch als sinnvoll angesehene Spreizung der Förderung zwischen reinen Elektrofahrzeugen und Hybrid-Fahrzeugen von 2000 auf 1000 Euro halbiert. Offensichtlich sei dies in beiden Fällen auf Drängen der Automobilwirtschaft geschehen. "Damit wurden ordnungspolitische Ansätze der Bundesregierung, die Automobilindustrie stärker für die Herstellung von Elektroautos zu motivieren, aufgegeben und nicht weiter verfolgt", stellt der Bericht fest. "Die Entscheidung für die haushaltsfinanzierte Kaufprämie wurde damit ganz wesentlich durch die deutsche Automobilindustrie beeinflusst".

Elf zusätzliche Sachbearbeiter beim Bafa hatten nur wenig zu tun

Ferner beanstandet der Prüfungsbericht die Personalkosten, die das mißratene Förderprogramm nach sich zog und die Staatskasse zusätzlich belasten: Noch im Mai 2016 habe das zuständige Fachreferat des Bundeswirtschaftsministeriums zwei zusätzliche Stellen im höheren und gehobenen Dienst für notwendig gehalten, obwohl die Richtlinie zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend fertiggestellt war. Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa), das mit der Abwicklung der Kaufprämie beauftragt wurde, habe sogar einen zusätzlichen Bedarf von zwanzig Sachbearbeitern angemeldet. Tatsächlich eingestellt worden seien zunächst elf Sachbearbeiter. Aber auch die hätten wenig zu tun gehabt, da die Zahl der Anträge weit hinter den Erwartungen zurückblieb.

Ministerium wies alle Beanstandungen zurück und verweigerte ein Nachsteuern

Wie aus der "abschließenden Prüfungsmitteilung" des Bundesrechnungshofs vom 26. Februar weiter hervorgeht, hatte der Bundesrechnungshof das Bundeswirtschaftsministerium schon 2017 aufgefordert, das auf drei Jahre angelegte Förderprogramm kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Zugleich hatte er dem Ministerium vorgeworfen, seiner ordnungspolitische Verantwortung nicht unbefangen und neutral genug nachgekommen zu sein. Das Ministerium hatte aber alle Beanstandungen als unbegründet zurückgewiesen und ein Nachsteuern verweigert. Stattdessen verwies es auf die 2010 gegründete "Nationale Plattform Elektromobilität", in der neben vier Bundesministerien und der Automobilindustrie breite gesellschaftliche Gruppen vertreten seien, was über eine entsprechend breite Diskussion die Neutralität von Entscheidungen sichere. Die derart gepriesene Plattform galt allerdings schon bei ihrer Gründung als "groß inszenierter PR-Gipfel" , der mit der Vergabe von Fördergeldern "mit großer Wahrscheinlichkeit die falschen Kanäle füllen" werde (100505).

"Wir sehen es unverändert kritisch, dass nicht nachprüfbar ist, inwieweit die Automobilhersteller oder die Händler den Umweltbonus mit in der Vergangenheit gewährten Rabatten verrechnen", entgegnete der Rechnungshof auf die Ausflüchte des Ministeriums. "Wir bleiben bei unserer kritischen Haltung zu der Förderrichtlinie, die wir im Anhörungsverfahren bereits zum Ausdruck gebracht hatten. Solange die Motivation zum Verkauf von Elektrofahrzeugen auf Hersteller- und Händlerseite sowie zum Kauf dieser Fahrzeuge auf Kundenseite kaum vorhanden ist, ist auch die Wirksamkeit des Umweltbonus insgesamt infrage zu stellen."


Links (intern)

 

Hintergrund

Vergeudung von Steuern darf kein Geheimnis sein

Bisher bleibt es dem Bundesrechnungshof überlassen, ob und wieweit er seine Beanstandungen veröffentlicht

(siehe oben)

Es muss kurz vor den Bundestagswahlen im September 2017 gewesen sein, als die harsche Kritik des Bundesrechnungshofs an der Förderprämie für Elektroautos beim Bundeswirtschaftsministerium einging. Verständlich, dass man sich dort nicht auch selber noch Asche aufs Haupt streuen wollte. Es gab schon genug Ärger: im Januar war Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister und designierter Kanzlerkandidat der SPD zurückgetreten, weil ihm klar geworden war, dass er in der Rolle des Ministers für Wirtschaft und Energie nicht so glänzen konnte, wie er ursprünglich gehofft hatte (170101). Seine Nachfolgerin Brigitte Zypries dachte ebenfalls nicht daran, das verunglückte Förderprogramm nochmals aufzudröseln und die vom Rechnungshof erwarteten Nachbesserungen vorzunehmen. So wurden die Rechnungshofprüfer mit phrasenhaften Beteuerungen zur angeblichen Neutralität der getroffenen Entscheidungen abgespeist. Und das scheint sich auch nicht geändert zu haben, als nach quälend langen Koalitionsverhandlungen eine Neuauflage der schwarz-roten Regierung zustande kam, bei der mit Peter Altmaier ein Unionspolitiker die oberste Verantwortung für das Ressort Wirtschaft und Energie übernahm (180304).

Kann-Bestimmung in § 96 Absatz 4 der Bundeshaushaltsordnung

Anscheinend war es diese Halsstarrigkeit des Ministeriums, welche die Behörde jetzt veranlaßte, das abschließende Prüfungsergebnis vom 26. Februar auf ihren Internet-Seiten zu veröffentlichen (siehe oben). Verpflichtet wäre sie dazu nicht gewesen. Sie machte vielmehr von einer Kann-Bestimmung Gebrauch, die vor fünf Jahren der Bundeshaushaltsordnung (BHO) mit dem Absatz 4 in § 96 eingefügt wurde. Dass die Veröffentlichung erst jetzt – nach einem halben Jahr – erfolgte, erklärte die Behörde auf Nachfrage mit der zeitaufwendigen Abklärung der Frage, ob es Einwände gegen eine Veröffentlichung geben könnte bzw. inwieweit der Originalbericht um "zu schützende Daten" bereinigt werden müsse.

Urteil zum Informationsfreiheitsgesetz sollte entschärft werden

Mit der erwähnten Änderung der Bundeshaushaltsordnung räumte der § 96 BHO dem Rechnungshof das Recht ein, selber über eine Veröffentlichung zu entscheiden. Diese Änderung hatte indessen restriktiven Charakter: Anlass war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das "Informationsfreiheitsgesetz" auch auf Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofs anzuwenden gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund war die neu eingefügte Kann-Bestimmung in § 96 Absatz 4 BHO eine "lex specialis" und diente der Abwehr weitergehender Verpflichtungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Sie wurde ganz unauffällig dem "Ersten Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes" eingefügt, in dem es eigentlich um Zuschüsse für Hartz-IV-Empfänger in Ostdeutschland ging. Der komplette Gesetzentwurf wurde dann vom Plenum des Bundestags bei gerade mal zwanzig anwesenden Abgeordneten ohne Diskussion in zweiter und dritter Lesung binnen 53 Sekunden abgenickt (siehe Mitschnitt des Parlamentsfernsehens). Damit blieb es möglich, besonders heikle Prüfungsberichte wie die zur Verwendung von Steuergeldern durch die Fraktionen oder die Parteistiftungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Außerdem haben Journalisten oder andere Bürger ausdrücklich keinen Anspruch auf Einsicht in jene Dokumente, die den veröffentlichten Prüfungsberichten zugrunde liegen.

Prüfer genießen richterliche Unabhängigkeit

Der Bundesrechnungshof überprüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes sowie von Stellen außerhalb der Bundesverwaltung, soweit diese staatliche Gelder empfangen. Nach Artikel 114 des Grundgesetzes genießen seine Mitglieder "richterliche Unabhängigkeit" und sind somit keinen Weisungen der Regierung unterworfen. Die Berufung des Präsidenten und Vizepräsidenten, auf deren Vorschlag der Bundespräsident die weiteren Mitglieder ernennt, ist allerdings von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen in Bundestag und Bundesrat abhängig. Als 2014 die zwölfjährige Amtszeit des Präsidenten Dieter Engels (SPD) zu Ende ging, trat deshalb mit Kay Scheller ein bisheriger Unionspolitiker die Nachfolge an. Und als der Bundesrechnungshof Anfang 2017 dem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorwarf, keinen Überblick über die Kosten der Energiewende zu haben, konnte dies wenige Monate vor der Bundestagswahl als unabsichtliche oder sogar bewußte Schützenhilfe für die Union im Wahlkampf gedeutet werden (170102). Zwar hatte der Bundesrechnungshof seine Kritik nicht veröffentlicht. Aber es gab einen großen Kreis von Informierten und andere Möglichkeiten, um sie in Medien wie der FAZ (12.1.17) zu lancieren.

Meistens trifft der Rechnungshof mit seiner Kritik ins Schwarze

In aller Regel erfolgte die Kritik an energiepolitischen Entscheidungen jedoch zu Recht und ohne parteipolitischen Beigeschmack. Zum Beispiel wies der Bundesrechnungshof 1993 darauf hin, daß sich das unsinnige und hochgefährliche Konzept der Wiederaufarbeitung auch wirtschaftlich nicht lohnte (930905). Völlig zu Recht beanstandete er die Vergeudung von Steuergeldern für Steinkohle-Reklame (050804), das Finanzgebaren der "Deutschen Energie-Agentur" (070410) oder den Ankauf von "Ökostrom"-Zertifikaten durch die Bundeswehr (siehe 131205 und Hintergrund, Dezember 2013).

Das gilt ebenfalls für die nun bekanntgewordene Schelte an der staatlichen Kaufprämie für den Kauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Sie ist im Grunde keine Überraschung, nachdem auch die zweite Bafa-Zwischenbilanz nur ein flaues Interesse an dem Förderprogramm dokumentierte, das praktisch auf Mitnahme-Effekte zurückzuführen war (siehe 180102 und Hintergrund, Januar 2018). Die "Nationale Plattform Elektromobilität" galt schon immer als verschämtes Feigenblatt für unverschämten Lobbyismus. Der Bericht des Bundesrechnungshofs ist aber doch eine amtliche Bestätigung dafür, dass mit diesem patriotisch verbrämten Schulterschluss zwischen Staat und Autokonzernen überflüssigerweise Steuergelder in die Taschen einer Branche geleitet wurden, die das weder nötig hatte noch sonderlich erpicht darauf war, die Ära des Verbrennungsmotors bei Straßenfahrzeugen zu beenden.

Novelle zum Atomgesetz verpulvert ohne Not mindestens eine Milliarde

Inzwischen gibt es neue energiepolitische Entscheidungen der Bundesregierung bzw. des Parlaments, bei denen es sich lohnen würde, Kosten und Nutzen zu vergleichen sowie die Argumente zu durchleuchten, mit denen sie begründet wurden. Zunächst wäre hier jener Gesetzentwurf zu nennen, den die schwarz-rote Regierung anscheinend schon aus der vorherigen Legislaturperiode in der Schublade hatte und im Mai hervorzauberte, um gemäß einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Atomgesetz bis spätestens 30. Juni 2018 zu ändern. Es ging dabei um die Schlusstermine für die Kernkraftwerke, die 2011 dem Atomgesetz überflüssigerweise hinzugefügt und dann auch noch falsch berechnet wurden, weshalb sie mit der tatsächlich maßgeblichen Abarbeitung der Reststrommengen kollidieren. Es hätte genügt, den Schlusstermin für die drei letzten Kernkraftwerke zu streichen oder um ein paar Wochen zu verlängern, um die Auflage der Karlsruher Richter zu erfüllen. Stattdessen erweckten die schwarz-rote Koalition und andere Bundestagsparteien den Eindruck, als ob dadurch der Ausstieg aus der Kernenergie gefährdet oder zumindest nennenswert verzögert würde. Als Folge dieser schiefen Optik werden die KKW-Betreiber in ein paar Jahren eine Entschädigung in Milliardenhöhe für nicht abgearbeitete Reststrommengen beanspruchen können (siehe 180501, 180601 und Hintergrund, Mai 2018).

Für die kostspielige Intervention bei 50Hertz gab es keinen hinreichenden Grund

Ein unnötiger finanzieller Kraftakt war auch die Milliardensumme, welche die Bundesregierung bzw. die staatseigene KfW-Bank aufwendete, um zweimal den Verkauf einer Fünftelbeteiligung am ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz zu verhindern (siehe 180709 und Kommentar). Die Begründung lautete hier, dass "kritische Infrastruktur" vor dem Zugriff einer ausländischen Macht oder dem Ausspionieren von Geschäftsgeheimnissen geschützt werden müsse. Der Investor SGCC, der von den Garantie-Renditen der deutschen Netzbetreiber profitieren wollte, ist nämlich ein chinesisches Staatsunternehmen. Bei den regulierten Netzbetreibern ist indessen der Einfluß der Eigentümer auf Geschäftspolitik und betriebliche Abläufe so gering wie in keiner anderen Branche. Die angeblichen Geschäftsgeheimnisse dienen den konkurrenzlosen Unternehmen normalerweise nur als Vorwand, um weiterhin Dokumente schwärzen können, aus denen sachkundige Dritte die echten Kosten der verlangten Netzentgelte errechnen könnten (180805). Wie unbegründet und sogar absurd die Intervention der Bundesregierung bei 50Hertz war, zeigte sich wenige Tage später, als das Nachbarland Luxemburg demselben chinesischen Unternehmen eine Viertelbeteiligung am nationalen Energiekonzern Encevo mit dem Übertragungsnetzbetreiber Creos einräumte. Kurz darauf unterzeichneten der deutsche Technologie-Fachverband VDE und die chinesische SGCC sogar eine Absichtserklärung über einen umfassenden Informationsaustausch inklusive Stromerzeugung, Grid Codes, Netzregelung und Speichersystemen (180802).