August 2018 |
180802 |
ENERGIE-CHRONIK |
Keine Angst vor China: Während die Bundesregierung eine Fünftel-Beteiligung der chinesischen SGCC am ostdeutschen Netzbetreiber 50Hertz unter Aufbietung einer Milliardensumme verhindert hat, weil sonst angeblich die technische Ausspähung und Fremdbestimmung "kritischer Infrastruktur" gedroht hätte, unterzeichneten jetzt der SGCC-Chef Shu Yinbia und der VDE-Vorstand Ansgar Hinz eine Absichtserklärung (MOU) zur engen Zusammenarbeit in allen möglichen technologischen Bereichen. Wenige Tage zuvor überließ das Großherzogtum Luxemburg den Chinesen 25,5 Prozent des nationalen Energiekonzerns Encevo, ohne von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Foto: VDE
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Nach dem zweimal gescheiterten Versuch, einen 20-Prozent-Anteil am ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz zu erlangen (180709), kann die State Grid Corporation of China (SGCC) jetzt beim luxemburgischen Energiekonzern Encevo eine noch höhere Beteiligung erwerben. Wie der französische Finanzinvestor Ardian am 31. Juli mitteilte, ist er mit den Chinesen handelseinig geworden und verkauft ihnen sein 25,5-Prozent-Aktienpaket an der Encevo SA. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt. Dem Vernehmen nach haben die Chinesen gut 400 Millionen Euro geboten. Das läge deutlich über den 300 Millionen Euro, auf die der Wert der Beteiligung zunächst veranschlagt worden war.
Während in Deutschland die Bundesregierung große finanzielle Anstrengungen unternahm, um den Einstieg der Chinesen bei 50Hertz zu verhindern, hatte die Luxemburger Regierung offenbar keine derartigen Bedenken. Dem luxemburgischen Staat gehören direkt oder indirekt alle anderen Aktien des Energiekonzerns. Außerdem verfügt er über ein Vorkaufsrecht, das er aber nicht in Anspruch genommen hat.
Die Encevo SA hieß bis 2016 Enovos International SA und ist die Holding der luxemburgischen Energiewirtschaft. Ihr gehören der Energieversorger Enovos, der 2009 aus der Fusion der Unternehmen Soteg, Saar Ferngas und Cegedel entstand (090108), sowie der nationale Übertragungsnetzbetreiber Creos, der inzwischen auf allen Ebenen den Strom- und Gastransport besorgt.
Der Finanzinvestor Ardian, der jetzt sein Aktienpaket den Chinesen überläßt, hatte 2012 den Anteil des Stahlkonzerns Arcelor-Mittal übernommen. Als sich 2015 auch die Enovos-Gründungsgesellschafter RWE und E.ON von ihren Aktien trennten, erhöhte er diese Beteiligung von 23,5 auf 25,5 Prozent. Den größten Teil der Aktien übernahmen jedoch der Staat, die Stadt Luxemburg sowie die beiden staatseigenen Banken SNCI und BCEE (151211). Im Februar dieses Jahres stieg mit dem französischen Energiekonzern Engie (vormals Electrabel) ein weiterer Gründungsgesellschafter aus. Diese 4,7 Prozent kaufte die luxemburgische Post. Seitdem gehört Encevo zu 74,52 Prozent dem Großherzogtum Luxemburg. Die restlichen 25,48 Prozent werden bis Anfang nächsten Jahres rechtskräftig in den Besitz des Staatskonzerns SGCC übergehen, hinter dem die Volksrepublik China steht.
Wenige Tage nach dem Erfolg in Luxemburg unterzeichnete der SGCC-Chef Shu Yinbia mit dem Vorstand des deutschen Technologie-Fachverbands VDE, Ansgar Hinz, am 20. August in Peking eine Absichtserklärung zur engen Zusammenarbeit. Die Vereinbarung sieht vor, in den Schwerpunktbereichen Wissenschaft, Bildung, Prüfung und Anwendung gemeinsame Ziele zu fördern und die deutsch-chinesische Zusammenarbeit in zukunftsweisenden Technologien wie "Smart Energy", "Cybersecurity" oder "Smart Mobility" auszubauen. Beide Vertragspartner setzen dabei auf ihre Expertise in der Integration und Standardisierung von Erneuerbaren Energien, Grid Codes, Netzregelung und Speichersystemen. Der VDE berät die Chinesen zusätzlich bei Aspekten der "Bankability und Insurabiltiy von Produkten im Bereich Erneuerbare Energien und Speichersystemen". Auf dem Gebiet der Elektromobilität will er sein Know-how bei der Standardisierung, dem Testen und Zertifizieren von Energiespeichersystemen (ESS), Ladeinfrastruktur und der Evaluation von Abrechnungssystemen in die Partnerschaft mit einbringen.
"Zusammen ergänzen wir uns ideal in vielen Bereichen der digitalen Zukunftstechnologien", erklärte der VDE-Vorstand Ansgar Hinz. Die State Grid Corporation of China verfüge über mehr als 120.000 Experten in Forschung und Entwicklung. Der VDE könne seinerseits auf ein umfassendes Expertenwissen von über 30.000 namhaften Experten in Wissenschaft, Normung, Prüfen und Zertifizieren sowie Anwendungsberatung zurückgreifen.
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