Dezember 2013 |
131205 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, daß die Bundeswehr 3,5 Millionen Euro für den Kauf von "Ökostrom"-Zertifikaten ausgab, die auf norwegische Wasserkraft ausgestellt sind. Es handelt sich um die bekannte Augenwischerei mit Zertifikaten ohne entsprechende Lieferverträge (080102). In diesem Fall wirkt sie besonders grotesk, weil es bisher nicht einmal eine direkte Stromverbindung zwischen Norwegen und Deutschland gibt. Dennoch hält das Bundesverteidigungsministerium den Ankauf der Zertifikate für rechtens und will die Bundeswehr weiterhin derart sinnlose Ausgaben tätigen lassen (siehe auch Hintergrund).
Da die Zertifikate allenfalls für Reklamezwecke genutzt bzw. mißbraucht werden können, verstößt ihr Kauf nach Feststellung des Bundesrechnungshofs gegen den Grundsatz, daß der Bund nur solche Ausgaben tätigen darf, die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. "Der Erwerb der Ökostrom-Zertifikate war nicht geeignet, die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu fördern", heißt es im jüngsten Jahresbericht, den die Behörde am 10. Dezember vorlegte. "Die Zertifikate dienten lediglich dazu, dem gelieferten konventionellen Strom ein umweltfreundliches Etikett zu verleihen."
Die Initiative zum Kauf der Zertifikate ging nicht vom Millitär, sondern vom Bundesverteidigungsministerium aus. Es hatte Anfang 2009 die vier regional zuständigen Beschaffungs-Dienststellen der Bundeswehr angewiesen, den "Ökostrom"-Anteil am Verbrauch der Kasernen und sonstigen Liegenschaften zu erhöhen. Daraufhin kauften drei der vier Dienststellen in den Jahren 2010 bis 2012 die Zertifikate und gaben dafür insgesamt 3,5 Millionen Euro aus.
Eine der Dienststellen war besonders eifrig. Um den Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums hundertprozentig zu erfüllen, ließ sie die komplette Strommenge, die ihr ein Energieversorger lieferte, für zusätzlich eine Million Euro mit den Zertifikaten für norwegische Wasserkraft verschönern. Sie hatte dabei allerdings nicht bedacht, daß der normale Strom bereits zu rund dreißig Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Und zwar aus solchen, die tatsächlich in das Stromnetz einspeisen. Sie brachte so das Kunststück fertig, ihre Liegenschaften zu 130 Prozent mit "Ökostrom" zu versorgen. Natürlich nur auf dem Papier. In Wirklichkeit änderte sich überhaupt nichts am normalen Strom-Mix.
Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt hatten schon 2006 in einer Arbeitshilfe für die öffentlichen Auftraggeber von solchen Zertifikaten abgeraten, weil sie als Nachweis für die Einhaltung von Umweltanforderungen nicht geeignet seien. Das Verteidigungsministerium räumte gegenüber dem Bundesrechnungshof ein, daß diese Hinweise nicht beachtet wurden. Die Beschaffer hätten aber trotzdem richtig gehandelt, weil die Bundeswehr zur Förderung von Ökostrom eine andere Sichtweise vertrete als Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt. Die dafür eingesetzten Haushaltsmittel seien sinnvoll und richtig ausgegeben worden. Die Beschaffer hätten auch keine bloße Imagewerbung betrieben. Sie hätten vielmehr der "Vorbildfunktion der öffentlichen Hand" Rechnung getragen und damit die Ziele der Bundesregierung unterstützt. Bei den Zertifikaten handele es sich um ein anerkanntes Instrument, mit dem die Bundeswehr ihren Ökostrom-Bezug nachgewiesen habe. Daher werde die Bundeswehr sie auch weiterhin beschaffen.
Den Hinweis des Bundesrechnungshofs, daß es bisher nicht einmal eine Stromverbindung zwischen Norwegen und Deutschland gibt, glaubte das Verteidigungsministerium ebenfalls entkräften zu können: Es bestünden Leitungen von Norwegen nach den Niederlanden und Dänemark. Der Strom aus Norwegen könne somit über die Netze dieser beiden Länder auch ins deutsche Stromnetz gelangen.
Der Bundesrechnungshof ist freilich nicht bereit, sich so einfach abwimmeln zu lassen. Das zeigt schon die Ausführlichkeit, mit der er die Affäre in seinem Jahresbericht darstellt. Vor allem fordert er das Verteidigungsministerium nochmals ausdrücklich dazu auf, künftig auf den Erwerb von Ökostrom-Zertifikaten oder vergleichbaren Instrumenten zu verzichten. Andernfalls gebe das Ministerium "Haushaltsmittel in Millionenhöhe für eine wirkungslose Maßnahme aus".
"Die Einlassungen des Bundesverteidigungsministeriums überzeugen nicht", stellt die Behörde in ihrem Jahresbericht fest. Beispielsweise vermag der Bundesrechnungshof nicht zu erkennen, warum die Hinweise des für die Umweltpolitik der Bundesregierung verantwortlichen Bundesumweltministeriums zur Beschaffung von Ökostrom für die Bundeswehr nicht gelten sollen. Für besonders bedenklich hält er, daß das Verteidigungsministerium die Schwächen der Ökostrom-Zertifikate zwar einräumt, diese aber weiterhin erwerben möchte. Denn auch die im Jahr 2013 aktualisierte Arbeitshilfe rät davon ab, Ökostrom-Zertifikate oder vergleichbare Instrumente zu erwerben. Es komme im übrigen nicht darauf an, ob das deutsche Stromnetz in irgendeiner Weise mit dem norwegischen Stromnetz physikalisch verbunden ist: "Inwieweit Ökostrom aus Norwegen den Weg über Dänemark oder die Niederlande nach Deutschland nimmt und hier den Ökostrom-Anteil erhöht, läßt sich weder bestimmen noch durch den Erwerb von Zertifikaten beeinflussen."