Mai 2010 |
100505 |
ENERGIE-CHRONIK |
Autohersteller, Energieversorger und andere einschlägig interessierte Branchen gründeten am 3. Mai in Berlin die "Nationale Plattform Elektromobilität". Die Zeremonie fand im Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) statt. In einer gemeinsamen Erklärung unterstrichen Industrie und Bundesregierung das Ziel, "Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu entwickeln". Bis zum Jahr 2020 sollen "mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren".
Das einzige gravierende Hindernis, das bisher einer Markteinführung des Elektroautos im Wege steht und sich wohl auch nicht so schnell überwinden läßt, ist die Unzulänglichkeit der Stromversorgung per Batterie oder Brennstoffzelle. Dennoch wurden im Rahmen der Plattform nicht weniger als sieben Arbeitsgruppen gegründet. Sie befassen sich im einzelnen mit den Themen Antriebstechnologie (1), Batterietechnologie (2), Ladeinfrastruktur und Netzintegration (3), Normung, Standardisierung und Zertifizierung (4), Materialien und Recycling (5), Nachwuchs und Qualifizierung (6) und Rahmenbedingungen (7). Diese Vielzahl der Arbeitsgruppen ergab sich offenbar aus der Vielzahl der Branchen und Unternehmen, die in den Genuß staatlicher Subventionen und Forschungsgelder kommen wollen. Den Vorsitz in der Arbeitsgruppe Batterietechnologien übernimmt Evonik-Chef Klaus Engler gemeinsam mit Daimler-Forschungsvorstand Thomas Weber. Die Arbeitsgruppe Ladeinfrastruktur und Netzintegration leitet der neue E.ON-Technologievorstand Klaus-Dieter Maubach (100516) gemeinsam mit dem Siemens-Vorstand Wolfgang Drehen.
Entgegen dem Drängen der Industrie hat die Bundesregierung bisher aber keine Gelder für die Markteinführung von Elektroautos zugesagt. Sie will lediglich prüfen, ob sich "im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel für Fuhrparks in ihrem Zuständigkeitsbereich eine Beschaffungsinitiative für Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 50 g/km starten läßt". Ferner will sie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten rund ums Elektroauto "im Rahmen der geltenden Finanzplanung" unterstützen.
Zuvor hatten Umweltverbände vor "undifferenzierter Euphorie zur Elektromobilität" gewarnt. "Die von Regierung und Industrie angepriesenen Elektrofahrzeuge bringen weder den Klimaschutz in den nächsten zehn Jahren voran, noch lösen Elektroautos die Verkehrsprobleme von heute", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die Greenpeace Deutschland, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) am 29. April veröffentlichten. Die Verbände forderten die Bundeskanzlerin auf, "die Klimaschutzziele ins Zentrum der Verkehrspolitik zu stellen und in der Nationalen Plattform Elektromobilität nicht weiter einseitig den Interessen von Auto-, Chemie- und Stromkonzernen zu folgen".
DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch erinnerte daran, dass die Autoindustrie vor zehn Jahren "Milliardenbeträge" an Steuermitteln für die Entwicklung der Brennstoffzellenantriebe abgegriffen habe, ohne die zugesagte Serienreife tatsächlich zu erreichen. Nun drohe eine "erneute Plünderung der Steuerkassen durch die Autokonzerne". Anstatt Steuergelder für die Markteinführung von technisch noch immer unzulänglichen Elektroautos auszugeben, solle die Bundesregierung mit einem aufkommensneutral finanzierten Marktanreizprogramm die besonders sparsamen Fahrzeuge unabhängig von der Technologie fördern und Spritschlucker zur Gegenfinanzierung mit einer Strafsteuer belegen.
Bemerkenswert skeptisch waren auch die Kommentare von sonst durchaus wirtschaftsfreundlichen Blättern. "Deutschland braucht keine Subventionen für Elektroautos", hieß es in der "Frankfurter Allgemeinen" (3.5.). Der Kampf um die erhofften "Subventionstöpfe" habe schon jetzt zu einer Überbesetzung der sieben Arbeitsgruppen der "Nationale Plattform Elektromobilität" geführt und lasse nichts Gutes für die weitere Arbeit erwarten. Die Vergabe von Fördergeldern werde ebenfalls "mit großer Wahrscheinlichkeit die falschen Kanäle füllen".
Nach Ansicht der "Süddeutschen Zeitung" (3.5.) war die Berliner Gründungsveranstaltung vor allem "ein groß inszenierter PR-Gipfel", der von der eigentlichen Problematik ablenkt: "Das E-Auto wird kommen, und es wird die Mobilität revolutionieren wie einst der Verbrennungsmotor. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Revolutionen wird diese Jahrzehnte dauern. Denn noch ist die Technologie nicht ausgereift, sind die Batterien zu groß und zu teuer, noch fehlt die Infrastruktur, sind die Rahmenbedingungen schwammig."
Die Erneuerbare-Energien-Vereinigung Eurosolar plädierte dagegen für ein Marktanreizprogramm nach französischem Vorbild, das den Kauf eines Elektrofahrzeuges mit 5.000 Euro subventioniert. Nach Ansicht des Eurosolar-Vorsitzenden Hermann Scheer wäre dies "das effizienteste Fördermittel für den Weg zur Massenproduktion". Die Stellungnahme der Umweltverbände bezeichnete Scheer als "unverständlich, kurzsichtig und widersprüchlich".
Der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE) begrüßte die "Nationale Plattform Elektromobilität" ebenfalls. Er verwies darauf, daß ein Markterfolg des Elektroautos die Lösung des Stromversorgungs-Problems voraussetzt. Die Erforschung und Entwicklung von elektrischen Energiespeichern sei aber in Deutschland lange vernachlässigt worden. Um den entstandenen Rückstand aufzuholen, müßten große Anstrengungen unternommen werden.
Die Wirtschaftsminister der EU-Staaten wollen die Entwicklung marktfähiger Elektrofahrzeuge mit Geldern aus Fördertöpfen der Gemeinschaft unterstützen. In einer Entschließung, die sie am 25. Mai in Brüssel verabschiedeten, sprachen sie sich außerdem für steuerliche Anreize zum Kauf von Elektroautos aus, die EU-einheitlichen Vorgaben unterliegen. In einer weiteren Erklärung plädierten die Wirtschaftsminister Deutschlands, Frankreichs und Portugals speziell für ein einheitliches europäisches Ladesystem und die Unterstützung grenzüberschreitender Pilotprojekte.