März 2017

170308

ENERGIE-CHRONIK


Milde Urteile für Teldafax-Vorstände

Das Landgericht Bonn verurteilte am 1. März zwei frühere Vorstandsmitglieder des Stromanbieters Teldafax wegen Insolvenzverschleppung und Verletzung der Buchführungspflichten: Der Angeklagte Klaus Bath bekam ein Jahr und vier Monate, sein Kollege Gernot Koch elf Monate. Beide Freiheitsstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt, sofern die Verurteilten binnen 14 Monaten 300 Sozialstunden bei einer städtischen oder sozialen Einrichtung ableisten. Aufgrund der langen Verfahrensdauer gelten außerdem jeweils zwei Monate der Freiheitsstrafen als bereits vollstreckt.

Der einschlägig vorbestrafte Josten kam mit 20.000 Euro Geldstrafe davon

Die ungewöhnlich milden Urteile zeichneten sich bereits im Sommer vorigen Jahres ab, als die Staatsanwaltschaft die ursprünglich angeklagten Betrugsdelikte und etliche der Insolvenzvorwürfe fallen ließ (160614). Ein weiteres Verfahren gegen den mitangeklagten Ex-Aufsichtsrat Michael Josten wurde im Dezember 2016 gegen Zahlung einer Geldbuße von 20.000 Euro endgültig eingestellt. Nach Ansicht von Gericht und Staatsanwaltschaft wäre dessen Verantwortung für die Insolvenzverschleppung nur schwierig zu belegen gewesen und hätte wohl eher den Tatbestand der Beihilfe erfüllt. Dabei gilt Josten, der wegen Anlegerbetrugs vorbestraft ist (101007), als der eigentliche Drahtzieher hinter dem Geschäftsmodell von Teldafax und den Machenschaften, derentwegen nun Bath und Koch verurteilt wurden.

Stromanbieter war spätestens seit Juni 2009 insolvent

Das Gericht sah es nach insgesamt 109 Verhandlungstagen als erwiesen an, daß die Teldafax Holding AG und deren Tochtergesellschaft Teldafax Energy GmbH seit dem zweiten Halbjahr 2009 zahlungsunfähig waren. Die beiden Vorstandsmitglieder Bath und Koch hätten es entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung unterlassen, innerhalb der vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Erst am 14. Juni 2011 – also zwei Jahre später – habe Koch ein solchen Antrag gestellt. Neben der Insolvenzverschleppung hätten die Angeklagten auch ihre Buchführungspflichten verletzt, indem sie es 2010 unterließen, die Bilanz des Vermögens der Teldafax Holding AG aufzustellen.

Nach Feststellung des Gerichts begannen die wirtschaftlichen Probleme des Unternehmens bereits 2008, als die Einkaufspreise für den Strom stark gestiegen waren. Im Juni 2009 verlangte die Finanzbehörde eine Stromsteuernachzahlung von 18,8 Millionen Euro. Hinzu kamen weitere Stromsteuerforderungen in Höhe von 16,6 Millionen Euro sowie erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber Netzbetreibern. Durch die Anhäufung dieser und anderer Verbindlichkeiten wurde die Teldafax Holding AG zahlungsunfähig. In einer außerordentlichen Vorstandssitzung, die am 10. Juni 2009 stattfand, stellten die Verantwortlichen selber fest, daß sich mit der am 25. Juni fälligen Stromsteuernachforderung eine Deckungslücke von 24 Millionen Euro auftat und die Teldafax-Gruppe damit illiquide sein würde. Ferner diskutierten sie in dieser Sitzung über ihre gesetzliche Verpflichtung, innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Anschließend informierten sie auch die Mitglieder des Aufsichtsrats über die Lage.

Finanzbehörden verzichteten ohne Rechtsgrundlage auf Eintreibung von Steuerschulden

Zur Insolvenzanmeldung kam es jedoch nicht. Stattdessen verhandelten die Teldafax-Verantwortlichen mit dem Hauptzollamt Köln über eine mögliche Stundung der Steuerschuld. Daraufhin verschob die Finanzbehörde tatsächlich mehrfach die Vollstreckung der fälligen Steuerforderungen, um die sonst unvermeidliche Pleite des Unternehmens nicht verantworten zu müssen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Stundung lagen indessen nicht vor. Wegen dieses Fehlverhaltens konnte der spätere Insolvenzverwalter Biner Bähr die Finanzbehörden erfolgreich auf die Rückzahlung von 180 Millionen Euro Stromsteuer verklagen (161011).

Immerhin veranlaßte das Hauptzollamt Köln eine Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Teldafax Energy GmbH. Sie ergab, daß diese bilanziell überschuldet war und selbst bei Ratenzahlung der Steuerschuld illiquide würde. Daraufhin kam es zu keiner weiteren Stundung der Steuerschulden. Im September und Oktober 2009 wurden die Angeklagten auch von Rechtsanwaltskanzleien, die sie eingeschaltet hatten, auf die fehlende Liquidität und die Notwendigkeit der Insolvenzanmeldung hingewiesen.

Nur hartnäckige Gläubiger bekamen ihr Geld

Trotzdem unterließen es die Vorstände weiterhin, den fälligen Gang zum Amtsgericht anzutreten. Nach Feststellung des Gerichts handelten sie sogar mit hoher krimineller Energie, indem sie bevorzugt solche Gläubiger befriedigten, die ihre Forderungen nachdrücklich verfolgten, während die anderen das Nachsehen hatten. Damit hätten sie die tatsächliche Situation verschleiern und den Geschäftsbetrieb trotz faktischer Zahlungsunfähigkeit aufrechterhalten können. Zu den bevorzugt bedienten Gläubigern gehörte beispielsweise das Fußballunternehmen Bayer-Leverkusen, das mit seiner Galionsfigur Rudi Völler bis zuletzt Werbung für Teldafax machte, obwohl es um die Zahlungsprobleme des Kunden wußte.

Auch nach Ruchbarwerden der Überschuldung vergingen noch zwanzig Monate bis zur Insolvenzanmeldung

Im Oktober 2010 wurde die Überschuldung von Teldafax erstmals öffentlich ruchbar. Damals berichtete das "Handelsblatt", daß das Unternehmen schon 2008 am Rande des Zusammenbruchs gestanden und seinen Finanzvorstand geschaßt habe, bevor er Insolvenz anmelden konnte (101007). Aber auch jetzt war das für die Teldafax-Verantwortlichen kein Grund, die Zahlungsunfähigkeit einzugestehen. Sie setzten vielmehr alles daran, die negative Berichterstattung zu unterbinden. Zum Beispiel erwirkten sie eine gerichtliche Verfügung gegen den Vorwurf, mit einem "Schneeball-System" zu arbeiten. Es gelang ihnen sogar, russische Geldgeber zu interessieren, um die zunächst geheimnisvolles Dunkel herrschte (101118). Aber schon bald dämmerte auch den russischen Spekulanten, daß sie in ein Faß ohne Boden investiert hatten. Sie traten deshalb offen als Gläubiger auf und übernahmen selber die Führung des Unternehmens (110313). Der von ihnen eingesetzte Sanierungsexperte konnte indessen die Pleite auch nicht mehr verhindern und gab sein Amt als neuer Vorstandsvorsitzender schon nach wenigen Wochen wieder auf (110515). Damit trat die alte Vorstandsgarde mit Klaus Bath und Gernot Koch wieder in den Vordergrund. Koch versicherte zunächst in gewohnter Manier, daß man die aufgetretenen Probleme "zeitnah in den Griff bekommen" und "prüffähige Abschlüsse" vorlegen werde. Drei Wochen später meldete er endlich Insolvenz an (110613).

 

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