Juni 2012

120612

ENERGIE-CHRONIK


Teldafax hat Insolvenz mindestens zwei Jahre lang verschleppt

Der Stromanbieter Teldafax war schon im Mai 2009 "durchgängig insolvenzreif". Davon hat sich inzwischen auch der Insolvenzverwalter Biner Bähr überzeugt, der nach seiner Einsetzung im Juli 2011 anfangs noch Zweckoptimismus verbreitete und sogar versuchen wollte, "den Geschäftsbetrieb kurzfristig wieder auf eine solide Grundlage zu stellen" (110613). Der Insolvenzverwalter verlangt nun von mehreren Energieversorgern und Netzbetreibern die an sie geleisteten Zahlungen für Stromlieferungen und Netzentgelte zurück, weil sie hätten wissen müssen, daß Teldafax längst pleite war. Mit derselben Begründung will er vom Fußballunternehmen Bayer-Leverkusen viele Millionen an Werbegeldern zurückhaben, die Teldafax stets pünklich überwies, während unzählige Kunden und Lieferanten vergebens auf die ihnen zustehenden Zahlungen warteten. Außerdem soll das Hauptzollamt einen Großteil der von Teldafax gezahlten Stromsteuer zurückgeben, weil es die Steuer in Kenntnis der wahren Geschäftslage eingetrieben und wegen der Überschuldung des Unternehmens sogar Zahlungsaufschub gewährt hat. Insgesamt fordert der Insolvenzverwalter mehr als 150 Millionen Euro zurück. Da vermutlich keine dieser Forderungen freiwillig erfüllt wird, dürften sich daraus zahlreiche Prozesse ergeben, die jahrelang dauern werden.

Die Nachforschungen des Insolvenzverwalters bestätigten, was das "Handelsblatt" schon im Oktober 2010 berichtete: Teldafax stand bereits Ende 2008 am Rande des Zusammenbruchs. Am 9. Juli 2009 teilte der damalige Finanzvorstand Alireza Assadi dem Aufsichtsrat mit, daß er nur die Wahl zwischen Insolvenz und Rücktritt des Vorstands sehe, falls kein frisches Geld hereinkomme. Der Finanzvorstand wurde jedoch entlassen, bevor er die Insolvenz beantragen konnte. Testierte Jahresabschlüsse gab es seitdem nicht mehr. Stattdessen häufte das Unternehmen immer mehr Schulden an, um wenigstens ein paar Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Dazu gehörten etwa der Werbevertrag mit Bayer-Leverkusen oder die vom Finanzamt eingetriebene Stromsteuer. Am Ende gelang es aber nicht einmal mehr, die Rechnungen von Lieferanten und Netzbetreibern zu begleichen. Beschwerden einfacher Kunden wurden längst ignoriert. Als der Insolvenzverwalter die Geschäfte übernahm, fand er 240.000 ungeöffnete Briefe vor.

Auch somalische Piraten wären Teldafax als "Investoren" willkommen gewesen

Die Eigentümer und Manager versuchten unterdessen, mit dem Verkauf des bankrotten Unternehmens noch einen Gewinn zu machen und sich selber aus der Verantwortung zu stehlen. Am laufenden Band zauberten sie irgendwelche "strategischen Investoren" aus dem Hut, die angeblich kurz vor der Übernahme des Unternehmens stünden und frisches Geld bereitstellen würden (101118). Auf die Berichterstattung über die desolate Geschäftslage reagierten sie mit einer Strafanzeige gegen "Wirtschaftskriminelle, die einige Medien in den vergangenen Tagen gezielt mit einer Fülle von mißverständlichen und falschen Informationen über das Unternehmen beliefert haben". Tatsächlich waren sie es, die mit Wirtschaftkriminellen verhandelten, um ihr Schäfchen noch ins Trockene zu bringen. Sie akzeptierten sogar das Angebot eines unbekannten Betrügers, der ihnen gegen Überweisung von 150.000 Euro "Vorlaufkosten" eine Finanzspritze von 30 Millionen Dollar in Aussicht stellte. Angeblich handelt es sich um Lösegeld, das somalische Piraten erpreßt hatten und nun anlegen wollten. Auf Anweisung von Geschäftsführer Klaus Bath überwies 2009 die Teldafax-Buchhaltung die verlangten 150.000 Euro nach Kairo. Der angebliche Vermittler kassierte und ließ nichts mehr von sich hören (SZ, 14.6.).

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