Oktober 2010

101007

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Wirb oder stirb: Auf der Internetseite von Teldafax wirbt im Rahmen eines millionenschweren Sponsoring-Vertrags mit Bayer 04 Leverkusen der Fußballmanager Rudi Völler für den Vorkasse-Anbieter.

Teldafax bestreitet Überschuldung und Schneeball-System

Der Stromanbieter Teldafax ist laut "Handelsblatt" (20.10.) derart verschuldet, daß er schon 2008 am Rand des Zusammenbruchs stand. Dem seit November 2008 amtierenden neuen Finanzvorstand Alireza Assadi seien die vorgefundenen bzw. nicht vorgefundenen Zahlen so verdächtig gewesen, daß er die Verantwortung dafür nicht übernehmen wollte. Von ihm hinzugezogene Wirtschaftsprüfer hätten sich ebenfalls geweigert, die Jahresabschlüsse abzusegnen. Die Prüfer hätten herausgefunden, daß Teldafax den Strom teilweise billiger verkauft als eingekauft habe. Die dabei entstehenden Verluste seien nach Art eines "Schneeball-Systems" mit den Vorkasse-Zahlungen neu gewonnener Kunden verschleiert worden, was aber nur solange funktionieren konnte, wie das Wachstum des Billigstrom-Anbieters anhielt. Ende 2009 habe der Teldafax-Aufsichtsrat den Finanzvorstand abgesetzt, bevor dieser dazu kam, die Insolvenz zu beantragen.

In einer Reihe von Presseerklärungen bestritt Teldafax diese Darstellung. Dem Unternehmen drohe keine Überschuldung. Es sei auch nicht auf das Vorkasse-Modell angewiesen. Vielmehr seien die Kunden zu 70 Prozent "auf monatliche Zahlweise eingestellt". Im kommenden Jahr werde man sogar erstmals schwarze Zahlen schreiben. Es handele sich "um eine gesteuerte Kampagne, die die fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem internationalen strategischen Investor torpedieren soll". Man habe deshalb Strafanzeige erstattet gegen "Wirtschaftskriminelle, die einige Medien in den vergangenen Tagen gezielt mit einer Fülle von missverständlichen und falschen Informationen über das Unternehmen beliefert haben".

Ex-Chef Michael Josten wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt

Der einzige Wirtschaftskriminelle, der bisher in diesem Zusammenhang zweifelsfrei als solcher bezeichnet werden kann, ist allerdings der frühere Teldafax-Chef Michael Josten. Der gelernte Wirtschaftsprüfer wurde am 16. März 2007 vom Landgericht Mannheim wegen Untreue in 176 Fällen und Gläubigerbegünstigung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, nachdem er Tausende von Immobilienanlegern mit einem Schneeballsystem um ihr Geld gebracht hatte. Die Richter bescheinigten ihm dabei "eine erhebliche kriminelle Energie". Dennoch blieb die Verurteilung in der Öffentlichkeit unbekannt. Josten entzog sich dem Haftantritt durch Wechsel in die Schweiz. Den Vorstandsvorsitz von Teldafax gab er zwar ab, figurierte nun aber als Aufsichtsrat und Geschäftsführer für die Schweiz. Erst im April 2010 wurde er festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert, wo er seit 7. Juni im Bruchsaler Gefängnis seine Haftstrafe unter vergleichsweise komfortablen Bedingungen verbüßt: Laut "Handelsblatt" ist er den größten Teil des Tages schon wieder auf freiem Fuß und kann sich somit ungehindert wieder seinen Geschäften bei Teldafax widmen.

Verhandlungen mit Russen bisher ohne Ergebnis – Flexstrom wittert eine Chance

Der "internationale strategische Investor", mit dem laut Teldafax verhandelt wird, wirkt auch nicht gerade vertrauenserweckend. Soviel bisher bekannt wurde, handelt es sich um einen in der Schweiz angesiedelten "Investor", der Teldafax dann aber an russische Geldgeber weiterreichen soll. Diese Russen bzw. deren Hintermänner müssen in der Tat ein ausgeprägtes strategisches Interesse besitzen, denn mit dem Kauf eines hoch verschuldeten Stromanbieters läßt sich bis auf weiteres nur Geld in den Sand setzen. Sie scheinen den Preis aber kräftig drücken zu wollen, denn die seit längerer Zeit geführten Verhandlungen brachten bisher kein Ergebnis.

Der Vorkasse-Anbieter Flexstrom, der ein ähnliches Geschäftsmodell betreibt (101008), ließ am 22. Oktober wissen, daß er ebenfalls die Übernahme von Teldafax erwäge. Man habe dem Konkurrenten schriftlich das Interesse an einer näheren Prüfung der Bücher mitgeteilt. Nach Angaben des Bunds der Energieverbraucher (BdEV) hat die Flexstrom AG im Jahr 2007 einen Verlust von 14 Millionen Euro ausgewiesen, der sich 2008 auf 21 Millionen Euro erhöhte. Man darf deshalb darüber spekulieren, welche Absichten Flexstrom mit der Offerte tatsächlich verfolgt.

Teldafax verfügt derzeit nach eigenen Angaben über 480.000 Strom- und 109.000 Gaskunden. Flexstrom spricht von mehr als 400.000 Stromkunden. Beide haben ihre Angebote so ausgestaltet, daß sie in Tarifrechnern an der Spitze der günstigsten Angebote erscheinen, sofern die Option "Vorkasse" – die auch bei seriösen Vergleichern wie Verivox voreingestellt ist – nicht ausgeblendet wird. Teldafax operiert außerdem mit Kautionen und einmaligen Boni. Vermeintlich günstige Angebote entpuppen sich so hinterher für viele Kunden als böse Überraschung. Der Service läßt ebenfalls oft zu wünschen übrig. Den Verbraucherzentralen liegen deshalb zahlreiche Beschwerden über beide Stromanbieter vor.

Millionenschwerer Reklame-Vertrag mit Bayer 04 Leverkusen

Wohl auch deshalb gibt Teldafax viel Geld für Image-Werbung aus. Dazu gehört ein sechs Millionen Euro schwerer Sponsoring-Vertrag mit dem Fußball-Unternehmen Bayer 04 Leverkusen, das als GmbH verfaßt ist und dem Bayer-Konzern gehört. Auf der Internet-Seite von Teldafax wirbt der Fußballer Rudi Völler als Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen persönlich ("Sparen auch Sie mit Teldafax"). Wegen der aus diesem Sponsoring-Vertrag entstehenden finanziellen Verpflichtungen soll Teldafax schon 2009 nur knapp am Konkurs vorbeigeschrammt sein.

Teldafax startete 2004 als Anbieter von Telekommunikationsleistungen. Ab 2007 verlagerte sich der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit auf Strom- und Gaslieferungen. Die in Troisdorf ansässige Teldafax Holding AG wird nicht an der Börse notiert. Auf ihrer Internetseite präsentierte sie sich im Oktober mit insgesamt neun GmbH-Unternehmen für das operative Geschäft. Die mit Abstand wichtigste ist die Teldafax Energy als Strom- und Gasanbieter.

Alle neuen Stromanbieter kaufen auf demselben Preisniveau ein

Die "Schlammschlacht" (FAZ, 22.10.) um Teldafax zeigt ein weiteres Mal, daß der mangelnde Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt nicht über die Vertriebsschiene in Fahrt gebracht werden kann. Denn letzten Endes kaufen auch die neuen Stromanbieter alle auf demselben überhöhten Preisniveau ein, das von den Großstromerzeugern RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW bestimmt wird. Die per Vertrieb erzielbaren Preisdifferenzen sind aber gering. Sie werden deshalb oft durch Fußangeln in den Geschäftsbedingungen und optische Täuschungsmanöver wie Vorkasse, Kautionszahlungen und einmalige Boni so manipuliert, daß sie wesentlich günstiger erscheinen. Hier sind insbesondere Teldafax und Flexstrom zu nennen, vor deren Angeboten Verbraucherschützer aus gutem Grund warnen oder wenigstens zu besonderer Vorsicht raten.

Ob Teldafax tatsächlich überschuldet ist und damit Insolvenzverschleppung vorliegt, muß vorläufig offen bleiben, da kein Außenstehender die tatsächlichen Zahlen kennt. Sicher ist nur eine hohe Verschuldung. Der bloße Umstand, daß Teldafax den Strom unter den eigenen Kosten verkauft haben könnte, begründet auch noch nicht zwingend den Tatbestand eines kriminellen Schneeball-Systems, das nur durch den ständigen Zustrom neuer Kunden am Leben erhalten werden kann. Schließlich hat auch "Yello" in den Anfängen seinen Strom unter Einstandspreis verkauft (001206) und mit jedem Neukunden nur weitere Verluste angehäuft, so daß ein Loch von mindestens einer halben Milliarde Euro entstand (030413), ehe das Geschäftskonzept grundlegend umgestaltet wurde (030309). Hinter "Yello" stand allerdings die Finanzkraft des EnBW-Konzerns, der mit einer aggresssiven Vertriebsstrategie die Konkurrenten in Angst und Schrecken versetzte, ehe ihm zu dämmern schien, daß Liberalisierung nicht unbedingt Wettbewerb bedeuten muß und das Arrangement mit den anderen Konzernen die profitablere Lösung sein kann. Vor allem verlangte Yello keine Vorkasse.

Lange Liste von Pleiten und "Marktaustritten"

Falls Teldafax vom Markt verschwinden sollte, wäre das seit sieben Jahren die erste bekanntgewordene Pleite eines Stromanbieters. Bis 2003 gab es jedoch zahlreiche Insolvenzen: Bereits der Pionier "ares-energie-direkt", der 1999 als erster bundesweiter Stromanbieter den Wettbewerb um Haushaltskunden eröffnete, mußte Ende 2002 Insolvenz anmelden (021209). Zuvor waren bereits Deutsche Strom AG (020607), Zeus-Strom (000611), Europower Energy (001014), Vossnet (010715) und Zweitausend-Stromvertrieb (010311) von der Bildfläche verschwunden. Ein Jahr später ging auch die Riva Energie AG pleite, die für ihre Geschäftsmethoden besonders berüchtigt war und die ares-direkt-Kunden übernommen hatte (030107). In diesem Zusammenhang wären auch die Liquidierung des Stromanbieters "Best Energy" durch die Berliner Bewag und die Rücknahme des bundesweiten Stromangebots der Stadtwerke Hannover zu erwähnen (031105). Allein im Marktgebiet von RWE registrierte das Bundeskartellamt bis Anfang 2003 zehn Insolvenzen und über zwanzig "Marktaustritte" (030203).

Vielfalt von Stromanbietern täuscht über das Oligopol bei der Erzeugung

Neuen Aufschwung erhielt das Gewerbe durch die Einsetzung der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde, die wirksam gegen die bisherigen Schikanen und überhöhten Entgelte bei der Netznutzung vorging (060509, 060601). Die damit erzielte Erleichterung des Stromvertriebs lockte nicht nur neue oder bisher branchenfremde Unternehmen wie Teldafax in diesen Geschäftsbereich, sondern veranlaßte auch alle größeren der etablierten Stromversorger, die nunmehr nach § 36 EnWG den Status von "Grundversorgern" erhielten, sich auch außerhalb ihres angestammten Versorgungsbereichs zu betätigen. Inzwischen gibt es deshalb eine unübersehbare Vielfalt von Stromvertrieben mit einer noch unübersichtlicheren Anzahl von Angeboten, die sich alle paar Monate ändern, so daß das günstige Angebot von heute schon morgen das ungünstigere sein kann. Dabei sind die echten Preisdifferenzen so gering, daß sich die Mühe des ständigen Preisvergleichens und Wechselns kaum lohnt. Im Grunde ist es deshalb Augenwischerei, wenn Politiker oder auch die Stiftung Warentest den Wechsel des Anbieters als probates Mittel gegen steigende Strompreise empfehlen. Entscheidend für die Höhe der Strompreise sind letztendlich nicht die Gewinnspannen beim Vertrieb, sondern die bei der Erzeugung, wobei der Großhandel mit Strom an der Börse zusätzlich eine preistreibende Wirkung entfaltet und es beispielsweise dem E.ON-Konzern ermöglicht, den größten Teil seiner Profite aus spekulativen Geschäften mit Derivaten beziehen (101003).

Links (intern