Juni 2011 |
110613 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Stromanbieter Teldafax hat am 14. Juni Insolvenzantrag gestellt. Er galt schon seit mehreren Jahren als überschuldet (101007). Seit November vorigen Jahres ermittelte die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Strafanzeige wegen Insolvenzverschleppung (101118). Die Bundesnetzagentur überprüfte zudem die unseriösen Geschäftspraktiken, über die sich Tausende von Strom- und Gaskunden beschwert hatten (110313). Zum Schluß war dem windigen Stromanbieter sogar von zahlreichen Netzbetreibern und Lieferanten die Geschäftsbeziehung aufgekündigt worden, weil er fällige Rechnungen nicht bezahlt hatte (110515). Die angeblich noch 700.000 Kunden des Unternehmens werden seit 18. März von den jeweils zuständigen Grundversorgern im Wege der Ersatzversorgung beliefert. Am 27. Juni ließ die Staatsanwaltschaft Bonn mehrere Büros sowie Wohnungen von Teldafax-Managern durchsuchen. Sie ermittelt wegen Verdachts der Insolvenzverschleppung.
Inzwischen werben bereits Konkurrenten um die Kunden des insolventen Unternehmens, die in der Ersatz- bzw. Grundversorgung mit höheren Strompreisen rechnen müssen. So schaltete Yello auf der ersten Seite der "Bild-Zeitung" eine Anzeige mit der Aufforderung "Jetzt retten lassen". Angeblich hat der Stromvertrieb der EnBW damit eine vierstellige Zahl an Kunden gewonnen. Die kann er auch gut gebrauchen, denn sein Nimbus als Billigstromanbieter ist schon seit 2003 obsolet geworden (030309).
Laut "Handelsblatt" (21.6.) zeigt sich der Stromanbieter Flexstrom auch an Mitarbeitern des Unternehmens interessiert. Vor der Teldafax-Zentrale hätten Abgesandte von Flexstrom Handzettel verteilt, auf denen in Abwandlung eines Teldafax-Slogans stand: "Wechseln? Ist doch 'n Klax! Jetzt bei Flex-Strom im Callcenter bewerben!" Flexstrom hatte sich bereits im Oktober 2010 für die Übernahme von Teldafax interessiert und wollte mit dieser Begründung Einsicht in die Bücher des Konkurrenten nehmen, der bei der Kundenwerbung noch etwas erfolgreicher war (101007). Die Firma genießt unter Verbraucherschützern allerdings einen Ruf, der ähnlich und kaum besser als der von Teldafax ist.
Kurz vor der Bruchlandung hatte Teldafax nochmals Ballast abzuwerfen versucht, indem der Sponsoring-Vertrag mit dem dem Profi-Fußballunternehmen Bayer-Leverkusen "in partnerschaftlichem Einvernehmen" zu Ende Juni aufgelöst wurde. Teldafax zahlte jährlich sechs Millionen Euro dafür, daß die Spieler und ihr Chef Rudi Völler Reklame für das Unternehmen machten. Die Auflösung des Vertrags lag auch im Interesse von Bayer-Leverkusen: Der Ruf von Teldafax war inzwischen so ramponiert, daß darunter auch das Image des Werbeträgers litt. Vor allem muß das Fußballunternehmen nun mit Rückzahlungsansprüchen rechnen. Teldafax soll nämlich die irrwitzig hohen Summen aus dem Sponsoring-Vertrag bis zum Schluß pünktlich überwiesen haben, während unzählige Kunden und Lieferanten vergebens auf die ihnen zustehenden Zahlungen warteten. Damit könnte der Tatbestand der Gläubigerbenachteiligung nach § 130 der Insolvenzordnung erfüllt sein.
Das Ende einer Sumpfblüte(siehe oben) Die Insolvenz von Teldafax ist keineswegs ein Verlust, wie dies in manchen Berichten anklang, die das Ende eines "Billig-Stromanbieters" bedauern zu müssen glaubten. Mit Teldafax verschwindet vielmehr die größte Sumpfblüte, die der Stromhandel im liberalisierten Markt für Haushaltskunden hervorgebracht hat. Daß sich das Unternehmen trotzdem so lange behaupten und auf Kundenfang gehen konnte, hat viel mit den Illusionen über die Realität des liberalisierten Strommarktes und die Möglichkeiten des Lieferantenwechsels zu tun (siehe Hintergrund vom Dezember 2010). Das einzige, was bei Teldafax wirklich funktionierte, war die Werbung. Nach dem Motto "Wirb oder stirb!" war dafür kein Preis zu hoch. So gab das Unternehmen schätzungsweise 30 Millionen Euro allein dafür aus, daß die Fußballer von Bayer-Leverkusen und ihr in Energiefragen sicherlich nicht sonderlich kompetenter Rudi Völler für Strom- und Gasangebote warben, von denen die Verbraucherzentralen abrieten. Unsummen muß es auch gekostet haben, daß bei irgendwelchen Ski-Wettbewerben die Sieger mit Teldafax-Werbung vor der Kamera posierten (wobei sie ihre Original-Skier schnell durch solche mit dem Teldafax-Emblem ersetzten). So erreichte Teldafax tatsächlich ein Publikum, dessen intellektueller Zuschnitt mit marktgängigen Parolen wie "Geiz ist geil" und "ich bin doch nicht blöd" umrissen werden kann. Dem fiel auch nicht so schnell auf, daß Vorkasse-Angebote auf die Gewährung eines zinslosen Kredits hinauslaufen und daß einmal überwiesenes Geld schwer zurückzuholen ist, wenn die Abrechnung falsch ist oder versprochene Leistungen nicht erbracht werden. Es mußte schon einiges zusammenkommen, bis dieses Publikum merkte, daß in vermeintlich einzelnen Pannen durchaus System steckte. Billig war Teldafax allerdings schon, wenn man die Angebote auf dem Papier verglich. So billig sogar, daß der Strom teilweise teurer eingekauft als an die Kunden weiterverkauft wurde. Schon 2008 verweigerten deshalb die normalerweise recht weitherzigen Wirtschaftsprüfer und der damalige Finanzvorstand den Jahresabschlüssen ihren Segen. Die Eigner von Teldafax lösten das Problem, indem sie den Finanzvorstand absetzten und ohne testierte Jahresabschlüsse weitermachten. Der Vorstandsvorsitzende Michael Josten floh zuvor in die Schweiz, weil er wegen einer früheren Affäre, in der er Tausende von Immobilienanlegern mit einem Schneeballsystem um ihr Geld gebracht hatte, zweieinhalb Jahre ins Gefängnis mußte. Es lag nahe, ein solches Schneeballsystem auch bei den Strom- und Gasangeboten von Teldafax zu vermuten. Das konnte dann aber nur solange funktionieren, wie das Kundenwachstum anhielt, denn nur solange konnte die aufreißenden Lücken mit neuem Geld gestopft werden. Tatsächlich gelang es Teldafax nach eigenen Angaben, bis Oktober 2010 über 480.000 Strom- und 109.000 Gaskunden zu werben. Im März dieses Jahres sprach das Unternehmen sogar von 800.000 Strom- und Gaskunden und bezeichnete sich als "größten unabhängigen Energieanbieter Deutschlands". Spätestens seitdem ging es aber abwärts. Vor allem kündigten nun immer mehr Netzbetreiber und Lieferanten die Geschäftsbeziehung, weil Teldafax die fälligen Rechnungen nur schleppend oder gar nicht bezahlte. Damit fielen die betroffenen Kunden in die Grundversorgung zurück und es war noch weniger Geld da, um die Lücken zu stopfen. Im März wurde ein Sanierungsexperte zum neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt. Aber schon im Mai trat auch der wieder zurück - angeblich planmäßig und erfolgreich, weil Teldafax sich nun auf dem Wege zur Sanierung befinde und bald über "prüffähige Abschlüsse" verfügen werde. Es war der letzte Akt eines Verwirrspiels, in dem sich die wirklichen Akteure sorgsam bedeckt hielten. Stattdessen geisterte ein Phantom nach dem anderen über die Bühne. Es begann mit der angeblichen Trennung von dem flüchtigen Michael Josten, der zwar den Vorstandsvorsitz abgab, aber weiterhin Eigentümer sowie Aufsichtsrat und Geschäftsführer für die Schweiz blieb. Dann wurden über Monate hinweg angebliche russische Interessenten beschworen, die mit dem Erwerb von Teldafax den Einstieg in den deutschen Strommarkt planen würden. Das war zumindest nicht schlecht erfunden, da die neureiche russische Mafia bekanntlich ein sehr lebhaftes Interesse am Einstieg in den deutschen Energiemarkt hat (siehe 101109). Die russischen Dunkelmänner machten angeblich sogar schon Geld locker und verhalfen so Teldafax zu einer "finanziell sehr komfortablen Situation". Die Pressemitteilungen des Unternehmens vermittelten jedenfalls diesen Eindruck. Wenn man die blumigen Formulierungen auf ihren tatsächlichen Gehalt abklopfte, blieb allerdings nichts als heiße Luft und sprachlicher Schrott übrig. Nachdem der russische "deus ex machina" dann doch nicht kommen wollte, betraten im März zwei Finanzgesellschaften die Bühne, die als Gläubiger das Aktienkapital übernahmen und den bereits erwähnten Sanierungsexperten einsetzten. Der neue Chef präsentierte dann noch im selben Monat ein in Zypern registriertes Finanzunternehmen als neuen Mehrheitsgesellschafter. Die drei Unternehmen, die auf diesem Verschiebebahnhof tätig waren, sind völlig unbekannt, und auch bei Kennern der Finanzszene lösen ihre Namen nur Achselzucken aus. Vermutlich wissen aber einige Vorstände und Aufsichtsräte von Teldafax mehr damit anzufangen... Nun ist die Blase, die sich seit Jahren immer mehr ausbeulte, endlich geplatzt. Die sonst so sprachgewandten Texter von Teldafax brachten es nicht einmal mehr fertig, eine Mitteilung über die Einreichung des Insolvenzantrags zu verfassen. Stattdessen meldete sich unter www.teldafax.de der Insolvenzverwalter zu Wort: Zunächst kündigte er an, eine Sanierungslösung zur Erhaltung des Unternehmens zu prüfen. Er ermahnte sogar die Kunden, daß ihre Verträge weiterhin gültig seien und sie ihre Zahlungen weiterhin regelmäßig zu leisten hatten. Erst nach drei Tagen schien dem Insolvenzverwalter zu dämmern, daß da wohl nicht mehr viel zu retten war: Mit Wirkung vom 18. Juni entließ er sämtliche Teldafax-Kunden in die Obhut der jeweils zuständigen Grundversorger. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Insolvenzverwalter will weiter versuchen, einen Interessenten für das Unternehmen zu finden. Er gebrauchte sogar den neuerdings arg strapazierten Begriff "Moratorium", um die Entlassung der Teldafax-Kunden in die Grundversorgung quasi als vorübergehende Abschaltung darzustellen. Und als ob die Texter von Teldafax nun doch ihre Sprache wiedergefunden hätten, hieß es zum Schluß der Mitteilung: "Im Moment laufen Gespräche mit strategischen Investoren, um den Geschäftsbetrieb kurzfristig wieder auf eine solide Grundlage zu stellen, damit die Kunden möglichst bald wieder von attraktiven Energiepreisen profitieren können und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder eine Perspektive erhalten." Was von diesem Gesäusel zu halten war, zeigte wenige Tage später die Razzia, bei der in mehreren Städten Teldafax-Geschäftsräume und auch Wohnungen von Managern durchsucht wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der Insolvenzverschleppung und des gewerbsmäßigen Betruges. Und es handelt sich keineswegs nur um einen vagen Verdacht. |