Oktober 2010 |
101003 |
ENERGIE-CHRONIK |
Profitmäßig haben die drei Konzerne E.ON. RWE und EnBW sozusagen Siebenmeilenstiefel an, denn binnen sieben Jahren haben sie ihren jährlichen Gewinn insgesamt vervierfacht. Im einzelnen gibt es allerdings Unterschiede. So ist E.ON zwar die größte Profitmaschine, weist aber gegenüber RWE erheblich stärkere Schwankungen auf. Die vorliegende Studie begründet dies damit, daß E.ON inzwischen fast mehr durch "Zocken" an der Börse verdient als im angestammten Geschäft. |
Die drei Energiekonzerne E.ON, RWE und EnBW haben ihre jährlichen Gewinne von 2002 bis 2009 um das vierfache gesteigert und insgesamtüber 100 Milliarden Euro erzielt. Für das Jahr 2010 bahnt sich ein weiterer Rekordgewinn an. Zu dieser Feststellung gelangt eine Kurzstudie, die Uwe Leprich und Andy Junker von der Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlands im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen erstellt haben. Die Studie wurde am 20. Oktober auf der Internetseite der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, veröffentlicht.
Im Unterschied zu einer vorangegangenen Studie, die ebenfalls im Auftrag der Grünen erstellt wurde (081202), haben die Autoren den vierten marktbeherrschenden Energiekonzern dieses Mal nicht in die Untersuchung miteinbezogen, weil Vattenfall Europe sich seit dem 21. April 2008 durch Ausschluß der Minderheitsaktionäre komplett in der Hand des schwedischen Staats befinde und daher geringeren Informationspflichten unterliege, was für Außenstehende die Datenfindung erheblich erschwere. Auch die Informationspolitik der drei anderen Konzerne sei trotz einer Fülle von bereitgestellten Daten sehr restriktiv. Entweder würden Vorschriften geschickt ausgenutzt ("befreiender Konzernabschluß") oder Ergebnisgrößen in einer nicht vergleichbaren Zusammensetzung definiert. Ohne andere Informationsquellen sei es deshalb kaum möglich, die eigentlich interessierenden Fragen – etwa die nach der Höhe des Gewinns bei der Stromerzeugung - zu beantworten.
Immerhin glauben die Autoren aber doch feststellen und belegen zu können, daß die Gesamtkapitalrenditen (ROCE) der drei Energiekonzerne deutlich über denen der meisten anderen DAX-Unternehmen liegen, obwohl ihr Geschäft mit deutlich geringeren Risiken verbunden ist. Auch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise haben ihren Gewinnen nur sehr wenig anhaben können. So habe RWE im letzten Jahr rund doppelt so viel Kapitalrendite bei der Stromerzeugung erwirtschaftet wie die meisten anderen DAX-Konzerne in ihren Geschäftsfeldern. Dies sei keineswegs mit einem Technologievorsprung oder einer besonderen unternehmerischen Leistung zu erklären, sondern mit dem immer noch sehr geringen Wettbewerb im diesem Bereich, was den Stromkonzernen etwa die Einpreisung der kostenlos erhaltenen CO2-Zertifikate (070903) und andere Windfall-Profite (090803) ermöglicht. Bei Zugrundelegung einer für DAX-Unternehmen üblichen Rendite auf Märkten mit einem funktionierendem Wettbewerb habe RWE im Jahr 2009 den Kunden rund 2,3 Milliarden Euro zu viel in Rechnung gestellt.
Der E.ON-Konzern erwirtschafte mittlerweile einen Großteil seiner Gewinne mit Derivaten. Dieser Derivatehandel habe inzwischen eine Größenordnung, die sich nicht mehr allein mit Absicherungsgeschäften erklären lasse. Es handele sich vielmehr um Spekulationsgeschäfte. Man könne sogar sagen, "daß E.ON mittlerweile mehr durch 'Zocken' verdient als durch sein ursprüngliches Kerngeschäft". Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf den US-Energiehändler Enron als mahnendes Beispiel für mögliche Risiken, die sich durch ein massives "Verzocken" von E.ON für die Strom- und Gasversorgung in Deutschland ergeben könnten. Enron war 2001 zusammengebrochen, worauf eine ganze Reihe krimineller Machenschaften zur Verschleierung der tatsächlichen Geschäftslage ans Tageslicht kamen. Noch kurz davor hatte der E.ON-Vorläuferkonzern Veba die Fusion mit Enron erwogen (020104).
Die Rückstellungen für Stillegung, Rückbau und Entsorgung von Kernkraftwerken bieten den Konzernen weitere Konkurrenzvorteile. Ende 2008 wurden diese Rückstellungen für alle vier Konzerne – einschließlich Vattenfall Europe – mit 27,5 Milliarden Euro beziffert (100609). inzwischen schlagen sie nach Angaben der Studie allein in den Geschäftsberichten von E.ON, RWE und EnBW mit rund rund 28 Milliarden Euro zu Buche. Aufgrund von Bewertungsspielräumen bei den nicht vertraglichen Entsorgungsverpflichtungen ergäben sich hier für die Konzerne Möglichkeiten, Gewinne in einer signifikanten Größenordnung zu verstecken. Ferner würden sich dadurch den Konzernen erheblichen Finanzierungsspielräume und Ertragspotentiale eröffnen, die anderen Energieunternehmen nicht zur Verfügung stehen und daher zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen führen.
Die von der Bundesregierung mit den Kernkraftwerksbetreibern vereinbarte Laufzeiten-Verlängerung (100901) beschert der Studie zufolge allen drei Konzernen – also ohne Vattenfall – einen Vorteil von über 70 Milliarden Euro, wobei die vorgesehene Brennelementesteuer und die vereinbarten Einzahlungen in den Klimafonds bereits abgezogen sind. Um die ursprünglich vorgesehene Mehreinnahme von 2,3 Milliarden Euro erreichen zu können, hätte die Bundesregierung alle vier Konzerne mit 4,1 Milliarden Euro belasten müssen, da die neue Steuer eine gewinnmindernde Belastung darstellt und die betroffenen Gemeinden eine Kompensation für entgangene Gewerbesteuer verlangen. Durch die zuletzt vorgenommenen Abstriche an der Brennelementesteuer würden deshalb alle KKW-Betreiber faktisch um 1,8 Milliarden Euro entlastet.