November 2009 |
091104 |
ENERGIE-CHRONIK |
Polen hat am 9. November einen Teil seiner nach dem Kyoto-Protokoll ungenutzten Emissionsrechte an Spanien verkauft. Der Verkauf werde 25 Millionen Euro einbringen, sagte der polnische Umweltminister Maciej Nowicki der polnischen Presse-Agentur PAP. In zwei Wochen werde ein ähnliches Abkommen mit Irland unterzeichnet. Die Gesamteinnahmen von rund 40 Millionen Euro aus beiden Geschäften will Polen angeblich für den Umweltschutz verwenden. "Spanisches Geld wird auf dem polnischen Boden für den Umweltschutz arbeiten", beschönigte Polens Ministerpräsident Donald Tusk den Handel. Die Vereinbarung sei für beide Länder vorteilhaft, betonte sein spanischer Amtskollege Jose Luis Zapatero. Insgesamt will Polen Emissionsrechte für 500 Millionen Tonnen Kohlendioxid verkaufen. Auch Japan sei am Geschäft interessiert, berichtete das polnische Fernsehen TVP.
Polen ist das erste Land, das ungenutzte Emissionsrechte auf Grundlage von Artikel 17 des Kyoto-Protokolls an andere Staaten verkauft, damit sie ihre im Rahmen des Protokolls bzw. der EU-internen Lastenteilung übernommen Minderungsverpflichtungen zumindest rechnerisch erfüllen können. Zum Beispiel wurde Spanien, das sich in Kyoto zu einer Minderung um acht Prozent verpflichtet hat, EU-intern sogar ein Anstieg der Emissionen um15 Prozent zugestanden. Das Land hat seine Emissionen indessen noch stärker erhöht, so daß es derzeit um etwa 19 Prozentpunkte hinter der EU-internen Verpflichtung zurückbleibt. Ähnlich liegt der Fall bei Irland, das sich im Kyoto-Protokoll ebenfalls zu einer Minderung um acht Prozent verpflichtet hat, EU-intern aber seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 13 Prozent steigern darf. Es tut sich ebenfalls schwer damit, dieses bescheidene Ziel einzuhalten (siehe Übersicht). Durch den Kauf der ungenutzten polnischen Emissionsrechte verbessern beide Staaten ihre Reduktionsergebnisse rein kosmetisch.
Die ungenutzten Emissionsrechte, die Polen jetzt verkauft, verdankt das Land aber keineswegs etwa eigenen Anstrengungen zur Minderung des Ausstoßes an Treibhausgasen. Sie sind ihm vielmehr durch den Niedergang der Schwerindustrie in den Schoß gefallen. Im Kyoto-Protokoll hat sich Polen zu einer Reduzierung seiner Treibhausgas-Emissionen um sechs Prozent bis 2012 verpflichtet, bezogen auf 1990 als Basisjahr. Wie anderen "Ländern, die sich im Übergang zur Marktwirtschaft befinden", und deren Reduktionsverpflichtungen deshalb in der Anlage B des Protokolls mit einem Sternchen versehen sind, wurde ihm außerdem bei der Erfüllung nach Artikel 3 Absatz 6 "ein gewisses Maß an Flexibilität gewährt". Tatsächlich lagen aber die polnischen Treibhausgas-Emissionen wegen des Niedergangs der Schwerindustrie schon 2003 um 32,1 Prozent unter dem Bezugsjahr 1990. Derzeit sind noch etwa um 24 Prozent geringer. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den anderen sieben ehemaligen Ostblock-Staaten, die 2004 der EU beigetreten sind (siehe Übersicht). Es ist deshalb zu befürchten, daß auch sie dem Beispiel Polens folgen und Emissions-Reduzierungen, die ihnen ohne jegliche Anstrengung zugefallen sind, nun zu Zwecken der Kyoto-Kosmetik an andere Staaten verkaufen. Polen will zudem erreichen, daß ihm die viel zu niedrig angesetzten Verpflichtungen einschließlich der Möglichkeit des Verkaufs ungenutzer Emissionsrechte auch dann noch gewährt werden, wenn 2012 die Vereinbarungen von Kyoto auslaufen.
Polen war am 1. Mai 2004 zusammen mit Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Estland, Litauen, Lettland, Malta und Zypern der EU beigetreten, wodurch sich deren Mitgliederzahl von 15 auf 25 erhöhte. Ab 2007 kamen außerdem noch Bulgarien und Rumänien hinzu. Mit Ausnahme von Malta und Zypern hatten alle diese Staaten im Rahmen des Kyoto-Protokolls (971215) individuelle Verpflichtungen zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen übernommen (050612). Die ursprünglich 15 EU-Staaten hatten sich dagegen sowohl einzeln als auch kollektiv zu Reduktionen von acht Prozent verpflichtet. Da die Staaten ihre Reduktionsziele auch gemeinschaftlich erreichen können, weicht die interne Lastenteilung, mit der die 15 Mitgliedsstaaten das EU-Gesamtziel von acht Prozent unter sich aufteilten (020302), zum Teil ganz erheblich von den in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen ab (siehe Übersicht). Zum Beispiel hat sich Deutschland in Kyoto zu einer Minderung um acht Prozent verpflichtet, während es im Rahmen der EU-internen Lastenteilung 21 Prozent übernimmt. Bei Nichterreichen des Gesamtziels müssen die EU-Staaten aber weiterhin für ihre nationalen Verpflichtungen geradestehen.
Die besonders hohe Reduktionsverpflichtung Deutschlands im Rahmen der EU-internen Lastenteilung erklärt sich aus dem Niedergang der ostdeutschen Industrie seit dem Basisjahr 1990. Wie im Falle Polens handelt es sich größtenteils um Reduktionen, die nicht auf eigenen Anstrengungen beruhen. Im Unterschied zu Polen hat Deutschland sie aber nicht zu Geld gemacht, sondern in die eigenen Verpflichtungen einfließen lassen. Wegen der aktuell schlechten Wirtschaftslage hat Deutschland das so gesteckte Minderungsziel von 21 Prozent bereits Anfang 2009 erreicht und übertroffen (090302). Ob es bis 2012 dabei bleibt, wird wohl ebenfalls von der Wirtschaftslage abhängen.
Der Verkauf von nationalen Emissionsrechten, wie ihn jetzt Polen betreibt, darf nicht mit dem Emissionshandelssystem verwechselt werden, das die EU zur Reduzierung der Emissionen von Kraftwerken und anderen besonders CO2-trächtigen Industriezweigen eingeführt hat (021202). Er gehört vielmehr zu den sogenannten flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls neben Joint Implementation (gemeinsam durchgeführte Projekte zwischen Industrieländern) und Clean Development Mechanism (Projekte zur Emissionsreduktion in Entwicklungsländern). Der Grundgedanke aller drei flexiblen Mechanismen ist, dass die Reduktionsverpflichtungen der Staaten auch im Ausland erbracht werden können. Die in Artikel 17 des Kyoto-Protokolls festgelegte Möglichkeit des Handels mit nationalen Emissionsrechten kam allerdings nur auf Drängen der USA zustande (971215), die sogar darauf bestanden, sämtliche Reduktionsverpflichtungen auf diese Weise erfüllen zu können (991125, 001104) und mit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush schließlich offen erklärten, die in Kyoto versprochene Reduzierung ihrer Emissionen um sieben Prozent nicht erfüllen zu wollen (010303).
Geplante und bisher erreichte Minderungsziele der 15 EU-Staaten, die sich in Kyoto einzeln und kollektiv zu einer Minderung ihrer Treibhausgas-Emissionen bis 2012 um acht Prozent gegenüber 1990 verpflichteten | |||
Land | Minderung in % nach Kyoto-Protokoll |
Minderung in % |
Tatsächlich erreichte Minderung in % * |
Belgien | - 8 | -7,5 | + 3,7 |
Dänemark | - 8 | -21 | + 16,9 |
Deutschland | - 8 | -21 | - 0,3 |
Finnland | - 8 | 0 | + 6,5 |
Frankreich | - 8 | 0 | - 3,1 |
Griechenland | - 8 | +25 | - 2,8 |
Irland | - 8 | +13 | + 11,6 |
Italien | - 8 | -6 | + 15,0 |
Luxemburg | - 8 | -28 | + 27,2 |
Niederlande | - 8 | -6 | + 5,8 |
Österreich | - 8 | -13 | + 28,7 |
Portugal | - 8 | +27 | + 14,6 |
Schweden | - 8 | +4 | - 9,9 |
Spanien | - 8 | +15 | + 33,6 |
Vereinigtes Königreich | - 8 | -12 | - 3,6 |
Kyoto-Verpflichtungszusagen und bisher erreichte Minderungsziele der 12 Staaten, die erst 2004 bzw. 2007 der EU beitraten | |||
Land | Minderung in % nach Kyoto-Protokoll |
Tatsächlich erreichte Minderung in % * | |
Bulgarien | - 8 | - 37,5 | |
Estland | - 8 | - 44,6 | |
Lettland | - 8 | - 48,1 | |
Litauen | - 8 | - 46,4 | |
Malta | keine Verpflichtung | k.A. | |
Polen | - 6 | - 24,7 | |
Rumänien | - 8 | - 37,0 | |
Slowakei | - 8 | - 23,9 | |
Slowenien | - 8 | + 9,3 | |
Tschechien | - 8 | - 15,9 | |
Ungarn | - 6 | - 25,3 | |
Zypern | keine Verpflichtung | k.A. | |
* in den Jahren 2003 - 2007 bzw. 2004 - 2008, Quelle: EEA-Report 9/2009 - Greenhouse gas emissions trends and projections in Europe 2009 |