April 2021

210404

ENERGIE-CHRONIK


 


Mit dieser Grafik unterstreicht der Bundesrechnungshof in seinem Bericht, dass drei Viertel des Haushalts-Strompreises der staatlichen Regelung unterliegen. Sie zeigt die Zusammensetzung des Strompreises für private Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 2500 bis 5000 kWh im Jahr 2019 und basiert auf dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur. Zu den "echten" Kostenbestandteilen des Strompreises gehören freilich nicht nur die 24,7 Prozent für Energiebeschaffung, Vertrieb und Marge, sondern auch die staatlich geregelten Netzentgelte sowie die Konzessionsabgaben der Stromnetzbetreiber an die Kommunen (5,3 Prozent). Die Kosten der Erneuerbaren-Förderung, die mit 20,8 Prozent die Hauptlast des Umlagen-Anteils von 29,3 Prozent ausmachen, sowie der KWK-Förderung (0,9 Prozent) sollten dagegen sinnvollerweise über den Bundeshaushalt finanziert werden. So lautet die Empfehlung einer vom Bundeswirtschaftsministerium berufenen Expertenkommission. Außerdem soll die Stromsteuer (6,6 Prozent) durch Senkung auf den EU-Mindestsatz weitgehend abgeschafft werden (200603). Zusätzlich wäre zu überlegen, ob für ein absolut lebenswichtiges Gut wie Strom nicht die ermäßigte Mehrwertsteuer gelten müsste. Bisher verteuert sie alle Preisbestandteile einschließlich der Stromsteuer um weitere 19 Prozent.

Auch der Bundesrechnungshof verlangt eine grundlegende Strompreis-Reform

Nach der regierungsamtlichen Expertenkommission (200603) und dem Bundesrat (210313) verlangt nun auch der Bundesrechnungshof eine grundlegende Strompreis-Reform. In seinem "Bericht zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität", den er mit Datum vom 30. März dem Bundestag zuleitete, warnt er außerdem erneut vor einer Gefährdung der Versorgungssicherheit durch die unzureichende Umsetzung der Energiewende, die er bereits 2018 (180902) und 2019 (190708) kritisiert hat.

Staatlich überhöhte Strompreise gefährden Akzeptanz der Energiewende

"Seit unserer letzten Bilanz in 2018 hat sich zu wenig getan, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten", erklärte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, in einer Pressemiteilung. "Das ist ernüchternd. Die Bundesregierung steuert den Transformationsprozess weiterhin unzureichend. Das gefährdet eine sichere und bezahlbare Stromversorgung. Mehr noch: Die Energiewende droht Privathaushalte und Unternehmen finanziell zu überfordern. Die Bezahlbarkeit ist noch immer nicht messbar bestimmt; die Versorgungssicherheit lückenhaft erfasst. Ob Bürger und Wirtschaft künftig verlässlich mit Strom versorgt werden, unterliegt Risiken, die die Bundesregierung nicht vollständig im Blick hat. Bedenklich stimmen mich die hohen Strompreise für Privathaushalte und für kleinere und mittlere Unternehmen. Das setzt die Akzeptanz des Generationenprojektes aufs Spiel. Und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Hier besteht Handlungsbedarf: Wir schlagen vor, das System der staatlichen Umlagen und Entgelte grundlegend zu reformieren."

Nur Großverbraucher zahlen weniger als im EU-Durchschnitt

In keinem anderen EU-Mitgliedsstaat seien die Strompreise für typische Privathaushalte zur Zeit höher als in Deutschland, stellt der Bericht fest. Sie lägen 43 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Auch für Gewerbe- und Industriekunden mit einem Stromverbrauch zwischen 20 und 20.000 Megawattstunden (MWh) pro Jahr lägen die deutschen Strompreise teils an der Spitze. Großverbraucher mit mehr als 150.000 MWh pro Jahr zahlten dagegen weniger als im EU-Durchschnitt. "Treiber hoher Strompreise waren und sind die staatlich geregelten Preisbestandteile, insbesondere die Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage."

SAIDI ist kein zuverlässiger Indikator für Versorgungssicherheit

Die Annahmen des Bundeswirtschaftsministeriums zur Versorgungssicherheit bei Elektrizität seien teils zu optimistisch und teils unplausibel. Wenn das Ministerium auf den hohen SAIDI als Indikator für die Versorgungszuverlässigkeit verweise (201014), könne das nicht überzeugen, weil es sich beim SAIDI – im Gegensatz zur Lastausgleichswahrscheinlichkeit – um einen Ex-Post-Indikator handele, der keine Aussagen zu möglichen zukünftigen Entwicklungen zulasse. Das Ministerium habe auch kein Szenario untersuchen lassen, in dem mehrere absehbare Faktoren zusammentreffen, die die Versorgungssicherheit gefährden können.

Unrealistische Annahmen müssen dringend korrigiert werden

Allein durch den Kohleausstieg entstehe eine Lücke von bis zu 4,5 Gigawatt gesicherter Leistung, heißt es mit Blick auf die unrealistischen Annahmen im EEG 2021 zur Entwicklung de Bruttostromverbrauchs und des dadurch notwendigen Ausbaues der Erneuerbaren bis zum Jahr 2030 (201201). Ferner sei dringend zu klären, "inwieweit der Strombedarf für die Produktion von Wasserstoff nach der Nationalen Wasserstoffstrategie bereits in den Berechnungen für das 65-Prozent-Ausbauziel bei erneuerbaren Energien enthalten ist". Gegebenenfalls müsse das Ministerium sicherstellen, dass der zusätzliche Bedarf in die Planungen und entsprechend in die Bewertung der Versorgungssicherheit einfließt. Daneben sei zu gewährleisten, dass diese Anlagen auch tatsächlich realisiert werden. "Die Wasserstoffproduktion muss die Netze entlasten und darf nicht zu weiteren Netzengpässen führen."

Corona-Pandemie reißt riesiges Loch in die Staatsfinanzen

In einer weiteren Pressemitteilung vom 8. April warnte der Rechnungshof außerdem vor der gewaltigen Schulden-Lawine, die infolge der Corona-Pandemie auf die Bundesfinanzen zukommt und diese auf ungewisse Zeit tief ins Defizit reißen wird . "Nach den Planungen der Bundesregierung explodieren die Schulden innerhalb der Jahre 2020 bis 2022 von Null auf 452,2 Mrd. Euro", heißt es in der 28-seitigen Information an den Haushaltsausschuss des Bundestags. "Das entspricht fast der Hälfte der Staatsschulden, die der Bund in den 70 Jahren zuvor angehäuft hat." Mit ihrem Eckwertebeschluss vom 24. März habe die Bundesregierung schonungslos offengelegt, auf welch tönernen Füßen der Bundeshaushalt stehe und welche unkalkulierbaren Lasten sie ihren Nachfolgern nach dem im September stattfindenden Parlamentswahlen hinterlasse (siehe PDF).

Links (intern)

zur Reform der staatlichen Strompreisbelastung

zu energiewirtschaftlichen Stellungnahmen des Rechnungshofs

Links (extern, ohne Gewähr)