Juli 2017 |
170702 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die vor 18 Jahren eingeführte Stromsteuer gerät immer stärker in die Kritik, weil sie die Energiewende behindert und die Kleinverbraucher unverhältnismäßig stark belastet. Ein breites Bündnis aus Verbraucherverbänden, Energieerzeugern und Umweltschützern verlangt jetzt ihre komplette Abschaffung, soweit sie die Mindestsätze übersteigt, die eine 2003 in Kraft getretene EU-Richtlinie für die Besteuerung von Elektrizität vorsieht. Zugleich fordert das Bündnis eine gerechtere Verteilung der EEG-Kosten, bei der die Energieträger unter Einbeziehung der Sektoren Wärme und Verkehr nach ihrem Anteil an den Kohlendioxid-Emissionen belastet werden. Außerdem soll der Staat die Begünstigung von Großverbrauchern künftig aus Steuergeldern finanzieren, anstatt sie den kleineren Energieverbrauchern aufzubürden.
Der Appell "Für eine faire Neuverteilung der Energiewendekosten", den die Initiative am 13. Juli veröffentlichte, wird vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und fünf weiteren Verbänden unterstützt. Im einzelnen handelt es sich um den Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne), den Deutschen Mieterbund (DMB), den Deutschen Naturschutzring (DNR), den Handelsverband Deutschland (HDE) und die Stiftung Offshore-Windenergie.
Aber auch andere Verbände verlangen die Abschaffung der Stromsteuer oder die Verlagerung der Großverbraucher-Begünstigung auf die Staatskasse. So hat sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in seinen "10 Thesen zur Sektorkopplung", die er am 27. April vorlegte, für das Abschmelzen der Stromsteuer auf EU-Mindestmaß und für die Steuerfinanzierung der "Besonderen Ausgleichsregelung" im EEG ausgesprochen. Dieselbe Forderung erhoben der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) und der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) in einem Papier, das sie am 22. Mai veröffentlichten. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) machte am 11. Juli den Vorschlag, die Stromsteuer durch eine nationale CO2-Steuer zu ersetzen, die den Handel mit Emissions-Zertifikaten solange ergänzt, bis dieser tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Die seit Anfang 2004 geltende EU-Richtlinie zur Mindestbesteuerung von Energie legt für die nichtgewerbliche Nutzung von Strom einen Mindeststeuersatz von 1 Cent pro Kilowattstunde fest, der sich bei gewerblicher Nutzung halbiert (031103). Durch die Absenkung auf diesen Mindestsatz würde sich die Stromrechnung für den Normalverbraucher um 1,05 Cent pro Kilowattstunde verbilligen, was dem Durchschnittshaushalt eine jährliche Einsparung von etwa 37 Euro einbrächte.
Die Stromsteuer wurde Mitte der neunziger Jahre erfunden, um eine neue staatliche Einnahmenquelle zu erschließen, nachdem das Bundesverfassungsgericht den bis 1994 erhobenen "Kohlepfennig" zur Subventionierung der Steinkohle-Verstromung für unzulässig erklärt hatte (941201). Es dauerte aber bis 1999, ehe sie tatsächlich eingeführt wurde (990201). Die frisch ins Amt gekommene rot-grüne Bundesregierung beschloß den neuen Aderlaß mitsamt einer Erhöhung der Mineralölsteuer. Zugleich hängte sie ihm ein grünes Mäntelchen um, indem sie von einer "Öko-Steuerrefom" sprach und die Ansicht vertrat, daß eine Verteuerung des Stroms auch umweltpolitisch sinnvoll sei (siehe Hintergrund, Juli 2010). Die rot-grüne Koalition ging dabei von der irrigen Erwartung aus, daß die Strompreise durch die Liberalisierung des Energiemarktes sowieso erheblich sinken würden. Vor allem hat sie die Kosten der Erneuerbaren-Förderung völlig außer Acht gelassen, die das wenige Monate später von ihr verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz zur Folge haben würde. Die anfängliche Mehrbelastung des Strompreises durch das EEG belief sich im Jahr 2000 gerade mal auf 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Heute beträgt sie 6,88 Cent. Das ist 34-mal soviel und belastet die Kleinverbraucher mit mehr als dem dreifachen Betrag der Stromsteuer.
Die Stromsteuer betrug zunächst 2 Pfennig/kWh (990201). Bis 2003 stieg sie auf 2,05 Cent/kWh – also mehr als das Doppelte (991104). Seitdem blieb sie auf diesem Niveau. Der Regelsatz galt indessen nur für Kleinverbraucher. Die Industrie zahlte lediglich ein Fünftel des Normalbetrags. Darüber hinaus konnte sie sich unter bestimmten Umständen die gezahlte Steuer erstatten lassen (990201). Erst auf Verlangen der EU-Kommission wurde der ermäßigte Steuersatz ab 2003 auf sechzig Prozent angehoben (021102). Diese Anhebung traf jedoch allenfalls kleine Betriebe, denn über den sogenannten Spitzenausgleich erhielten die meisten Unternehmen die so errechnete und abgeführte Steuer weiterhin größtenteils zurück. Im November 2012 wurde die deutsche Industrie für weitere zehn Jahre weitgehend von der Zahlung der Stromsteuer befreit (121104). Im Jahr 2015 beliefen sich die Staatseinnahmen aus der Stromsteuer auf 6,6 Milliarden Euro.