Juni 2013 |
130616 |
ENERGIE-CHRONIK |
Gazprom kann nun auch gegenüber RWE die vertraglich vereinbarte Bindung des Gaspreises an den Ölpreis nicht mehr aufrechterhalten. Wie der RWE-Konzern am 27. Juni in einer Ad-hoc-Meldung mitteilte, hat ein Schiedsgericht seinem Antrag auf Anpassung der Preiskonditionen für das Erdgas aus dem langfristigen Gasliefervertrag mit Gazprom "weitgehend stattgegeben". Die Preisklausel des Vertrags sei unter Einführung einer Gasmarktindexierung so umgestellt worden, daß sie den tatsächlichen Marktbedingungen entspricht, wie sie nach Ansicht des Schiedsgerichts im Mai 2010 herrschten. Daraus ergebe sich für RWE ein Anspruch auf Rückzahlungen ab diesem Zeitpunkt. Über die finanziellen Auswirkungen der Entscheidung werde RWE kurzfristig informieren, sobald man die Details geprüft habe.
Die Ölpreis-Bindung für Gas wurde vor Jahrzehnten vom damaligen Alleinimporteur Ruhrgas eingeführt, als Erdgas noch wenig verbreitet war, um in den langfristigen Lieferverträgen mit den Niederlanden und der Sowjetunion trotz des monopolisierten Marktes eine Richtschnur für eine halbwegs angemessene Preisbildung zu haben. Sie galt trotz ihrer Wettbewerbswidrigkeit viele Jahre als politisch sakrosankt und auch kartellrechtlich als unangreifbar, weil sie in den Lieferverträgen zwischen Importeuren und ausländischen Lieferanten verankert wurde. Mit dem erneuten Anstieg des Ölpreises vor dreizehn Jahren geriet sie dann aber zunehmend in die Kritik, zumal sie zur offiziell verkündeten Liberalisierung des europäischen Energiemarktes wie die Faust aufs Auge paßte (000901, 040904). Das Bundeskartellamt verlangte nun zumindest eine Verkürzung der langfristigen Lieferverträge, die Laufzeiten bis zu 25 Jahre hatten (050905).
Solange nur die Verbraucher die Leidtragenden waren, zeigten Gasimporteure und Lieferanten allerdings wenig Bereitschaft zu einer Korrektur der bisherigen Praxis. Das änderte sich erst, als zunehmend Gas aus anderen Quellen angeboten wurde (051017, 061115, 110612), was die Preise am Spotmarkt drückte und in Verbindung mit einem Rückgang des Verbrauchs sowie der allmählich greifenden Regulierung der Gasnetze spürbaren Konkurrenzdruck erzeugte. Seit 2009 sanken deshalb sowohl bei E.ON-Ruhrgas als auch bei RWE die Erlöse aus dem Gasgeschäft. Während die Lieferanten aus den Niederlanden und Norwegen nach langwierigen Verhandlungen in Preiskorrekturen einwilligten, erklärte sich die russische Gazprom nur zögernd zu Nachlässen bereit (100206), wobei sie auch noch sehr selektiv vorging (120106). E.ON rief deshalb 2011 parallel zu den stockenden Verhandlungen mit Gazprom ein Schiedsgericht an (110811), worauf es ein Jahr später schließlich doch zu einer Einigung mit Rückwirkung ab Oktober 2010 kam (120705). RWE setzte dagegen weiterhin auf das Schiedsgerichtsverfahren, das nun entschieden wurde.
Die neue E.ON Global Commodities SE, in der die frühere E.ON Ruhrgas aufgegangen ist (130514), hat mit dem kanadischen Unternehmen Pieridae Energy die Lieferung großer Mengen an Flüssig-Erdgas (LNG) vereinbart. Wie Pieridae Energy am 3. Juni mitteilte, wird E.ON ab dem Jahr 2020 zwanzig Jahre lang jährlich ca. 5 Millionen Tonnen LNG beziehen. Ein entsprechender Vertrag sei in der kanadischen Botschaft in Berlin unterzeichnet worden. Der vereinbarte Preis orientiere sich an den dann geltenden Marktpreisen in Westeuropa. Die Verschiffung des Flüssiggases erfolge über einen neuen LNG-Terminal an der kanadischen Ostküste, mit dessen Bau nun begonnen werde.