Mai 2013

130514

ENERGIE-CHRONIK


Die "Ruhrgas AG" ist nun vollends Geschichte

Die Ruhrgas AG, deren Einverleibung durch E.ON vor zehn Jahren hohe Wellen schlug, gibt es nun auch dem Namen nach nicht mehr. Wie der Konzern am 2. Mai mitteilte, hat er seine Gastochter mit der früheren E.ON Energy Trading SE in der E.ON Global Commodities SE (EGC) vereinigt. Das neue Handelsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf beschäftigt derzeit rund 1.500 Mitarbeiter. Sie sollen "auf den weltweiten Handelsmärkten die Marktrisiken der E.ON-Gruppe zentral steuern und das Portfolio des Konzerns optimieren". Neben den E.ON-Kraftwerken gehören dazu die Gas-Langfristverträge, Pipelines und Gas-Speicher. Das Großkunden-Vertriebsgeschäft der früheren E.ON Ruhrgas AG wird dagegen in der EGC-Tochtergesellschaft E.ON Energy Sales GmbH weitergeführt und wie bisher durch E.ON Vertrieb Deutschland gesteuert.

Die neue Tochter für den globalen Energiehandel hat die Rechtsform einer Societas Europaea (SE) – so wie die Konzernholding, die aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung seit 15. November 2012 im Handelsregister nicht mehr als Aktiengesellschaft deutschen Rechts geführt wird (120513). Die E.ON Energy Trading bediente sich schon seit 2009 dieser Rechtsform. Aus ihrer Umbenennung entstand zum 1. März dieses Jahres die E.ON Global Commodities SE (EGC), der nun die Ruhrgas AG hinzugefügt wurde.

Das bundesweite Transportnetz hat E.ON schon vor einem Jahr verkauft

Die E.ON Ruhrgas AG war zuletzt nur noch eine Gashandelstochter. Ihr bundesweites Transportnetz wurde im September 2010 in "Open Grid Europe GmbH" umbenannt (110806) und im Mai 2012 für 3,2 Milliarden Euro an ein internationales Konsortium von Finanzinvestoren verkauft (120507). Damit kam dem Unternehmen das Kernstück abhanden, zumal die langfristigen Lieferverträge für russisches Erdgas, die ihm verblieben, inzwischen eher zu einer Belastung geworden waren (110708).

Bis zum ostdeutschen "Gaskrieg" war die Ruhrgas Alleinimporteur für Erdgas

Das sang- und klanglose Ende der Ruhrgas AG steht in einem seltsamen Kontrast zu der bedeutenden Rolle, die das 1926 gegründete Unternehmen in der Geschichte der deutschen Energiewirtschaft spielte. Ursprünglich eine Ferngasgesellschaft des Ruhrbergbaues, die ein großes Gebiet im Westen Deutschlands mit Kokereigas versorgte – daher der Name – , entwickelte sich die Ruhrgas AG nach dem zweiten Weltkrieg zum Alleinimporteur und bundesweiten Netzbetreiber für das Erdgas, das zunächst aus Holland und dann in immer größeren Mengen aus Rußland kam. Diese Rolle wurde ihr erst nach der Wiedervereinigung streitig gemacht, als der BASF-Konzern die neue Situation nutzte, um gemeinsam mit der russischen Gazprom den ostdeutschen "Gaskrieg" zu entfachen und ein eigenes Ferngasnetz aufzubauen (siehe Hintergrund vom August 2008).

Die Einverleibung gelang E.ON nur durch politische Protektion

Auch nach der Einigung mit BASF/Gazprom blieb die Ruhrgas mit Abstand das bedeutendste Unternehmen der Gaswirtschaft. Es erregte deshalb großes Aufsehen und Protest, als der neue E.ON-Konzern – der erst vor einem Jahr aus der Verschmelzung der beiden Konzerne Veba und Viag mit ihren Stromversorgern PreussenElektra und Bayernwerk entstanden war – im Jahr 2001 zielstrebig mit dem Erwerb der Ruhrgas-Aktienmehrheit begann (010701, 011007). Als er die Absicht zur Übernahme offiziell beim Bundeskartellamt anzeigte (011110), versagte die Behörde erwartungs- und pflichtgemäß ihre Zustimmung (020103). E.ON verfügte aber anscheinend von vornherein über eine Zusage des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), das Veto durch eine Sondererlaubnis des Bundeswirtschaftsministers außer Kraft zu setzen. Der amtierende Minister Werner Müller, der als ehemaliger Veba-Manager selber auf der Pensionsliste des E.ON-Konzerns stand, überließ diese heikle Aufgabe seinem Staatssekretär Alfred Tacke, der die Ministererlaubnis im Juli 2002 wunschgemäß erteilte. Zum Vollzug kam es indessen vorläufig nicht, da das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Staatssekretär "gravierende Verfahrensfehler" bescheinigte (020701). Das Verfahren wurde deshalb neu aufgerollt (020801), und im September 2002 genehmigte das Bundeswirtschaftsministerium die geplante Fusion mit einer leichten Verschärfung der Auflagen erneut (020901). Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah allerdings keinen Anlaß, das Vollzugsverbot für die Fusion aufzuheben, zumal auch die nachgeholte Anhörung "nicht ordnungsgemäß und dem Gesetz entsprechend durchgeführt worden" sei (021201).

Außergerichtliche Einigung mit Geheimabsprachen

So zeichnete sich ein langwieriger Rechtsstreit ab, in dem der E.ON-Konzern und seine politischen Helfer schlechte Karten hatten, während die klagenden Konkurrenten hoffen durften, die Fusion mit juristischen Mitteln zu verhindern. In dieser Situation beschritt der E.ON-Konzern den Weg einer außergerichtlichen Einigung, indem er den klagenden Konkurrenten millionenschwere Zugeständnisse machte und so ihren Widerstand abkaufte. Am 31. Januar 2003 zogen alle neun Unternehmen, die gegen die Ministererlaubnis geklagt hatten, ihre Klagen zurück, und noch am selben Tag konnte E.ON die Übernahme der Ruhrgas AG vollziehen. Der genaue Umfang der Gegenleistungen, die E.ON den neun Unternehmen zusicherte, um die Ruhrgas AG doch noch übernehmen zu können, wurde nie bekannt. E.ON bezifferte sie pauschal mit 90 Millionen Euro, was vermutlich stark untertrieben war bzw. dem tatsächlichen Gewicht der Zugeständnisse nicht gerecht wurde (030101). Unbekannt blieb auch, welche Summe der E.ON-Konzern insgesamt ausgeben mußte, um in den Besitz der Ruhrgas AG zu gelangen, für deren Netz allein er neun Jahre später einen Verkaufserlös von 3,2 Milliarden Euro erzielte.

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