Juni 2011 |
110612 |
ENERGIE-CHRONIK |
Protestplakat gegen Schiefergas-Gewinnung in Südfrankreich. Foto: Leuschner
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Die französische Nationalversammlung billigte am 11. Mai die Untersagung weiterer Bohrungen nach Schiefergas auf dem gesamten Territorium des Staates. Sie reagierte damit auf die Proteste, die es an den Schwerpunkten der Schiefergas-Bohrungen im Süden und Nordosten des Landes gegeben hatte. Die betroffene Bevölkerung befürchtet, daß durch die Bohrungen das Grundwasser verseucht und gefährdet wird. Das jetzt erlassene Verbot bezieht sich allerdings nur auf die bisher angewandte Methode der "fracturation hydraulique". Dabei werden in die Bohrung neben großen Mengen Wasser und Sand auch umweltgefährliche Chemikalien in den Untergrund eingepreßt, um Risse in den gashaltigen Gesteinsschichten zu erzeugen und so die Ausbeute zu steigern. Andere Methoden zur Förderung von Schiefergas bleiben prinzipiell erlaubt. Aber auch bei denen besteht die Gefahr, daß schon die Durchbohrung von Grundwasser-Schichten das Trinkwasser durch Eindringen von Salzen und anderen Stoffen gefährdet. Zudem entweicht bei der Förderung ein Teil des Methans in die Luft und verstärkt den Treibhauseffekt. Experten halten es deshalb für möglich, daß so aus Schiefergestein gewonnenes Erdgas noch klimaschädlicher als Kohle ist.
Der Schiefergas-Boom geht von den USA aus, wo schon ein bedeutender Teil der Erdgas-Förderung auf diese Weise erzeugt wird. Der Anstieg der Gaspreise hat diese aufwendige Technologie inzwischen rentabel macht. In den USA kam es auch bereits zu ersten Trinkwasser-Verunreinigungen, wobei sich im Extremfall das Wasser explosionsartig entzünden ließ (siehe Vorschau zum Film "Gasland" auf Youtube).
In der "Süddeutschen Zeitung" vom 27. Juni warnte Gelsenwasser-Chef Manfred Scholle, der bis 2004 auch Vorsitzender des Bundesverbands der Gas- und Wasserwirtschaft war, erneut vor der Ausdehnung der Schiefergas-Bohrungen auf Deutschland, wie sie Energiekonzerne etwa im Münsterland beabsichtigen: "Bei jeder Bohrung, die auf einen Grundwasserleiter trifft, ist mit Kontaminationen des Wassers zu rechnen. Ob Hydrauliköle oder Bohrfette – das damit in Berührung kommende Wasser ist für den Verzehr nicht mehr geeignet." In Niedersachsen habe es bereits erste Schadensfälle gegeben.
Laut Scholle kam erst durch einen Zufall heraus, daß das umstrittene "Fracking"-Verfahren zur Aufsuchung von Erdgas für rund die Hälfte der Landesfläche von Nordrhein-Westfalen erlaubt worden war. Das Wirtschaftsministerium der rot-grünen Minderheitsregierung (100710) habe "zunächst erschreckende Defizite in der Bewertung von Risiken der anzuwendenden Technik" erkennen lassen. Erst aufgrund der Warnungen von Gelsenwasser seien die Probebohrungen bis vorläufig Ende des Jahres gestoppt worden.