Februar 2012

120203

ENERGIE-CHRONIK


 

 

In der ersten Handelsperiode war der EUA-Preis im Mai 2006 abgestürzt, nachdem klar wurde, daß ein Überangebot bestand und man bisher nur mit heißer Luft gehandelt hatte (060501). Am Ende lag der Preis gerade noch bei 2 Cent. Um den Fehlschlag zu beschönigen, wurde die erste Handelsperiode nachträglich als "Pilot-" bzw. "Testphase" bezeichnet. Aber auch die im November 2008 neu ausgegebenen EUA erreichten nur mit Mühe den Preis von etwa 15 Euro, um dann ab Juni 2011 bis auf 6,23 Euro zu sinken. (Zwischen dem 20. März 2008 und dem 16. Januar 2009 ist die EUA-Kurve unterbrochen, weil wegen der verzögerten Ausgabe für die zweite Handelsperiode kein Spothandel stattfand, so daß auch keine Notierungen vorlagen.)

Emissionshandel funktioniert wieder nicht

Der 2005 gestartete Handel mit Emissionszertifikaten, dessen zweite Handelsperiode in diesem Jahr ausläuft, hat erneut keinen nennenswerten Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionen geleistet. Dies zeigt der Preis, der an der Energiebörse EEX für die Berechtigung zur Emittierung einer Tonne Kohlendioxid (EUA) gezahlt werden muß: Seit Beginn der zweiten Handelsperiode Anfang 2008 bewegte er sich meistens unter 15 Euro. Im vergangenen Jahr ging er sogar in den Sinkflug über und lag seit November 2011 beständig unter 10 Euro. Ein vorläufiges Minimum wurde am 4. Januar dieses Jahres mit 6,23 Euro erreicht (siehe Grafik). Nach Ansicht von Fachleuten müßte der EUA-Preis mindestens bei zwanzig Euro liegen, damit der Handel mit Emissionszertifikaten tatsächlich die erwünschte Wirkung entfaltet.

Der Hauptgrund für das erneute Versagen des Emissionshandels liegt darin, daß auch in der zweiten Handelsperiode zuviele Zertifikate kostenlos ausgegeben wurden. Dieser Überhang zeichnete sich bereits 2009 ab, als der Europäische Gerichtshof die nationalen Zuteilungspläne etlicher osteuropäischer Staaten für rechtens erklärte, die ihren jeweiligen Bedarf deutlich höher veranschlagt hatten als aus Sicht der EU-Kommission gerechtfertigt war (090903). Die deutsche Regierung hatte zunächst ebenfalls einen deutlich höheren Bedarf an kostenlos auszugebenden Zertifikaten angemeldet (060602). Sie hatte dann aber die von der Kommission vorgenommenen Abstriche nach einigem Hin und Her akzeptiert (070202) und in der gesetzlichen Endfassung um 57 Millionen Tonnen pro Jahr gekürzt (070801).

Wegen der Wirtschaftskrise können die Minderungsziele mit Leichtigkeit erreicht werden

Zur reichlichen Ausgabe von Zertifikaten kam die Finanz- und Wirtschaftkrise, die den Energieverbrauch und damit auch die CO2-Emissionen deutlich sinken ließ (091203). Deutschland hat deshalb schon 2008 das im Rahmen des Kyoto-Abkommens zu erreichende Treibhausgas-Minderungsziel von 21 Prozent übertroffen (090302), was sich im folgenden Jahr wiederholte (100309). Auch die anderen Mitgliedsstaaten der alten EU können das in Kyoto festgelegte Minderungsziel von insgesamt acht Prozent bis Jahresende mit Leichtigkeit erfüllen (111204).

In neuem Licht erscheint unterdessen auch das selbst gesteckte Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen von 2012 bis 2020 um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990 zu verringern (070102). Schon im Frühjahr 2010 hielt es die Umweltkommissarin Hedegaard für möglich, dieses Ziel im Alleingang auf 30 Prozent anzuheben (100513). Mittlerweile regt sich allerdings allenthalben Widerstand gegen den Umweltaktivismus der Kommission, der die EU-Bürger mit einer enormen Steigerung der Energiepreise belasten würde (111010), obwohl sich selbst bei Erreichung der damit angestrebten Ziele kaum etwas an der weltweiten CO2-Bilanz ändern würde (111204).

EU-Parlamentarier wollen Kommission zur nachträglichen Verknappung der Zertifikate ermächtigen

Der Umweltausschuß des Europäischen Parlaments zeigte sich besorgt über die niedrigen EUA-Preise. "Die Kommission weiß, daß das Emissionshandelssystsem darin versagt, einen hinreichenden Preismechanismus für Investitionsentscheidungen zu liefern", hieß es in einer Entschließung des Ausschusses vom 31. Januar. Man dürfe deshalb nicht länger zögern und müsse endlich Vorschläge zur Lösung des Problems vorlegen. Ein probates Mittel wäre nach Ansicht der Europa-Parlamentarier, die Kommission zu ermächtigen, die Menge der zirkulierenden Zertifikate nachträglich zu verknappen.

Einen ersten Vorstoß in dieser Richtung unternahm der Umweltausschuß bereits am 20. Dezember. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) reagierte darauf mit "großem Erstaunen und Unverständnis". Nach seiner Ansicht gibt es überhaupt keinen Grund, dem stumpfen Klimainstrument zu größerer Schärfe zu verhelfen. Vielmehr müsse "der derzeit systembedingt niedrige CO2-Preis als willkommene Entlastung der Beteiligten gesehen werden". Schließlich könne die EU trotz der niedrigen EUA-Preise ihre Klimaziele erfüllen. Es trage auch nicht zur internationalen Attraktivität und Nachahmung des EU-Emissionshandels bei, wenn der am Markt entstandene Preis durch eine künstliche Verknappung der umlaufenden Zertifikate nachträglich nach oben korrigiert werde.

Am 16. Februar einigten sich die Fraktionen im Ausschuß für Industrie und Energie des Europäischen Parlaments darauf, in Artikel 19 der von Energiekommissar Günther Oettinger vorgeschlagene Energieeffizienz-Richtlinie (110609) auch eine eventuelle Kürzung der Zertifikatemenge (Set-Aside) aufzunehmen: Der Text enthält nun auch die Forderung nach Anpassungen beim Emissionshandel. Die Formulierung gibt der Kommission weitgehend freie Hand, wie viele Zertifikate sie aus dem Markt nimmt und ob die Entnahme permanent erfolgt. Nachdem die Entscheidung des Ausschusses bekannt geworden war, stieg der EUA-Preis an der EEX wieder auf bis zu 9,05 Euro.

Dem "Klimafonds" bricht die finanzielle Grundlage weg

Wegen des darniederliegenden Emissionshandels fehlen der Bundesregierung die Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten, mit denen sie ihren "Klimafonds" auf eine neue finanzielle Grundlage stellen wollte (110606). Sie hatte mit einem dauerhaften Preis um 17 Euro bis zum Ende der zweiten Handelsperiode gerechnet. Im vergangenen Jahr floß aber nur ein Viertel der veranschlagten 300 Millionen in den Fonds. Für das laufende Jahr hat das Bundesfinanzministerium bereits einen Ausgabenstopp verfügt: Statt des vollen Betrags von 780 Millionen Euro werden erst einmal nur 390 Millionen Euro ausgezahlt. Es steht somit kaum Geld zur Verfügung, um die vorgesehenen Projekte auf den Gebieten Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Energietechnik oder Elektromobilität tatsächlich zu finanzieren.

Ungewiß bleibt auch, ob sich das mit Beginn der dritten Handelsperiode grundlegend ändern wird, wenn deutlich weniger Zertifikate kostenlos ausgegeben werden (110805). Bisher rechnet die Bundesregierung ab 2013 mit jährlich 3,3 Milliarden Euro an Einnahmen für den Klimafonds. Davon will sie sogar bis zu 165 Millionen jährlich zur Förderung des Baues neuer Kohle- und Gaskraftwerke verwenden (110709).

Internationale Airlines wehren sich gegen Einbeziehung in den EU-Emissionshandel

Für internationalen Ärger sorgt unterdessen eine EU-Richtlinie vom November 2008, mit der das europäische Emissionshandelssytem auf den Luftverkehr ausgeweitet wird: Seit Anfang 2012 müssen deshalb auch ausländische Gesellschaften für den CO2-Ausstoß auf Flugstrecken, die auf Flughäfen der EU beginnen oder enden, entsprechende Zertifikate erwerben. Obwohl sie diese Zertifikate nach Artikel 3c der Richtlinie zu 97 Prozent kostenlos bzw. im Umfang der "historischen Luftverkehrsemissionen" bekommen, boykottieren China, USA, Rußland und zahlreiche weitere Staaten die Einbeziehung ihrer Airlines in den EU-Emissionshandel. Am 20. Februar trafen sich die Vertreter der insgesamt 43 Staaten in Moskau, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten.

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