März 2008 |
080301 |
ENERGIE-CHRONIK |
(Auszug aus dem Plenarprotokoll - Vorab-Veröffentlichung - der 148. Sitzung
des Deutschen Bundestags am 6. März 2008)
Die Redner in der Reihenfolge ihres Auftritts:
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
Gudrun Kopp (FDP)
Rolf Hempelmann (SPD)
Oskar Lafontaine (DIE LINKE)
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sigmar Gabriel (SPD)
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU)
Dirk Becker (SPD)
Franz Obermeier (CDU/CSU)
Klaus Barthel (SPD)
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c auf:
3. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
- Drucksache 16/8305 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb
- Drucksache 16/8306 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb beschleunigen
- Drucksache 16/7872 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb
Stunden vorgesehen. - Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Bundesminister
Michael Glos.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute, wie
wir gerade vom Präsidenten gehört haben, den Entwurf eines Gesetzes zur
Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und den Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung
des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb. Ich meine, das sind zwei wichtige
Bausteine unseres Energie- und Klimaschutzpakets. Wir wissen ja: Klimaschutz wollen
wir alle. Darüber sind wir uns einig. Ich finde, Klimaschutz muss zu bezahlbaren
Preisen möglich sein. Wir meinen, mit den Maßnahmen zur Erreichung der
Klimaschutzziele müssen wir einen Weg wählen, der Verbrauchern und Unternehmungen
im Land die geringstmöglichen Lasten auferlegt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Durch zusätzliche Flexibilität bei den Förderbedingungen ist es möglich,
mit dem gleichen Geld mehr Investitionen in Kraft-Wärme-Kopplung auszulösen.
Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung soll bis zum Jahr 2020
auf etwa 25 Prozent, also etwa auf das Doppelte, ansteigen.
Stärkung der Verbraucher, mehr Wettbewerb im Energiemarkt und Klimaschutz müssen
sich ergänzen. Dies wird gerade im Messwesen bei Strom und Gas deutlich. Bislang
gibt es ein Monopol des Netzbetreibers für den Einbau und das Ablesen des Zählers.
Damit soll jetzt Schluss sein, nach dem Motto: Es ist aus damit, dass der Gasmann
zweimal klingeln muss.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Künftig soll jeder Verbraucher selbst bestimmen können, wer bei ihm den
Strom oder das Gas abliest. Mithilfe sogenannter intelligenter Zähler wollen
wir den Strom- und Gaskunden die Möglichkeit eröffnen, ihren Energieverbrauch
selbst bedarfsgerecht und kostenoptimal zu steuern. Man kann dann gleich ablesen,
wie viel Strom gerade gebraucht wird. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen
bei der Nutzung der Geräte die günstigsten Tarife wählen und damit
leichter sparen können. Das schont den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher,
und es stärkt die Position der Kunden gegenüber den großen Energieversorgern.
Auch über die muss ich noch ein paar Worte verlieren.
Wichtigstes Ziel meiner Politik als Bundesminister für Wirtschaft ist, die Verbraucher
zu stärken. Ich meine, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher im Mittelpunkt
unserer Betrachtungsweise stehen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dazu gehört, dass wir den Wettbewerb auf diesem Gebiet mit einer ganzen Reihe
von Maßnahmen, die ich jetzt nicht alle aufzählen will, gestärkt haben.
Ein Beispiel dafür ist die Tatsache, dass die Stromkunden ihre Anbieter jetzt
sehr rasch wechseln können. Ich kann nur empfehlen, davon Gebrauch zu machen
- das geschieht bereits sehr rege -, dann allerdings immer streng darauf zu achten,
dass der neue Lieferant innerhalb eines Jahres seine Bedingungen nicht so ändert,
dass man wieder mehr bezahlt. Wir brauchen einfach kostenbewusstere Verbraucherinnen
und Verbraucher.
Die Maßnahmen, die wir zur Stärkung des Wettbewerbs und gegen den Missbrauch
von Marktmacht im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht haben, beginnen zu wirken.
Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt machen von ihren neuen Instrumenten rege Gebrauch.
So hat das Bundeskartellamt in den letzten Tagen ein Preismissbrauchsaufsichtsverfahren
gegen 35 Gasversorger eingeleitet.
(Beifall des Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE))
- Vielen Dank für den Beifall von ganz links.
(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Die haben aber dagegen gestimmt! - Wolfgang Zöller
(CDU/CSU): Dagegen stimmen und dann klatschen! Eigentor!)
Ich möchte noch einmal betonen: Für die länderübergreifenden Gasversorger
ist das Bundeskartellamt zuständig. Für diejenigen, die sich auf ein Bundesland
beschränken, sind es die Landeskartellbehörden. Ich fordere die Landeskartellbehörden
noch einmal nachdrücklich auf, von ihren gewachsenen Vollmachten Gebrauch zu
machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich meine, Gewinne, ja, das ist selbstverständlich; aber Übermaßgewinne,
die manche auf diesem Gebiet zu vereinnahmen gewohnt sind, sind total falsch.
In diesen Tagen findet auch eine Diskussion statt, in der sich das Bundesumweltamt
als Sachverständiger über eine mögliche Stromlücke im Land zu
profilieren versucht hat. Das ist etwas, worüber wir uns Gedanken machen müssen.
Der Energieminister ist auch für die Sicherheit der Energieversorgung zuständig.
Natürlich werden in Deutschland und Europa morgen nicht plötzlich die Lichter
ausgehen. Heute wird aber darüber entschieden, wie sicher die Versorgung morgen
und übermorgen ist, und vor allen Dingen darüber, wie viel dann für
Strom oder für Gas bezahlt werden muss.
Was wir derzeit in der öffentlichen Debatte erleben, ist für mich nicht
nachvollziehbar. Mit Blick in die Zukunft ist es eigentlich ein Stück weit verantwortungslos.
Neue Kohlekraftwerke finden dort, wo sie gebaut werden sollen, keine Akzeptanz, obwohl
sie unter besseren Bedingungen für die Umwelt produzieren als die jetzt vorhandenen.
Die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken ist gegenwärtig ein
politisches Tabu, weil es nicht gelungen ist, sich in der Großen Koalition zu
Beginn entsprechend zu vereinbaren.
(Ulrich Kelber (SPD): Wir haben uns ja vereinbart!)
- Wir haben uns vereinbart, dass wir nicht einig sind, Herr Kollege. Das war aber
alles. Über mehr haben wir uns nicht vereinbart.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Selbst der Ausbau erneuerbarer Energien wie der Windenergie stößt zunehmend
auf Widerstände. Der Doppelausstieg aus Kohle und Kernenergie ist für mich
undenkbar. Die Folge wäre, dass die Energieversorgung in Deutschland dramatisch
in Gefahr geriete. Die erneuerbaren Energien könnten eine solche Lücke nicht
rasch genug schließen.
Wir brauchen deshalb eine offene und sachliche Diskussion über die energiepolitische
Zukunft unseres Landes; dazu lade ich ein, Herr Kollege Kelber. Mehr Strom in den
Netzen ist die Bedingung dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auf die
Dauer niedrige Preise bekommen.
(Ulrich Kelber (SPD): Wir freuen uns, dass wir das Gesetz endlich vorgelegt bekommen
haben!)
Unabhängig davon, wie der Energiemix zukünftig aussieht, führt an einem
Ausbau des Leitungsnetzes kein Weg vorbei.
Dazu möchte ich noch ein paar Worte sagen: Wenn man zum Beispiel den Wind aus
dem Norden in den Süden bringen will, braucht man neue Leitungen. Der Bau neuer
Leitungstrassen ist sehr unbeliebt. Ich kann das sogar nachvollziehen. Wenn wir jedoch
alles für teures Geld unter die Erde legen wollen, dann sind die Hochspannungsleitungen
unsicherer, und es kostet ein Vielfaches. Dies müsste dann auf die Verbraucher
umgelegt werden.
Mein Haus arbeitet deshalb für den zweiten Teil des Energie- und Klimapaketes
an einem Netzausbaugesetz. Ziel ist eine Beschleunigung des Netzausbaus, damit in
die Netze rasch investiert wird. Wir wollen Planungssicherheit für den Netzausbau.
Die Vorstellungen der EU-Kommission zu einer sogenannten eigentumsrechtlichen Entflechtung
lehnt die Bundesregierung deshalb ab. Wir wollen nicht, dass das verpflichtend wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen uns auch nicht von der EU-Kommission vorschreiben lassen, dass wir enteignungsgleiche
Eingriffe in das Eigentum an Netzen, aber auch an Gasleitungen vorzunehmen haben.
Etwas anderes ist es, wenn ein Unternehmen sein Eigentum freiwillig verkauft, wie
das der Eon-Konzern jetzt offensichtlich vorhat. Ich weiß nicht, welche Motive
dahinterstehen. Vor kurzem hat dieser Konzern noch eine andere Haltung an den Tag
gelegt. Man hört auch davon, dass irgendwelche Deals und der Erlass von Kartellstrafen
ihn plötzlich in diese Richtung bewegt haben.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also geht es doch, Herr
Glos!)
Insofern ist das Handeln der EU-Kommission manchmal etwas mysteriös und nur schwer
nachvollziehbar.
Wenn jemand gegen Kartellrecht verstoßen hat, dann muss er dafür zahlen,
finde ich; das darf nicht mit anderen Dingen abgefunden werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die faulen Deals, die da offensichtlich gemacht worden sind, und zwar ausgerechnet
zu dem Zeitpunkt, als der Energierat über die verschiedenen Modelle beraten hat,
bedürfen meiner Ansicht nach einer intensiven Überprüfung.
Das kam überraschend. In der Sache bin ich natürlich für so viel Wettbewerb
wie möglich. Wenn die Leitungen und die Erzeugung nicht in einer Hand sind -
wir haben gesetzliche Einspeiseberechtigungen schon bevorzugt Nichtnetzbesitzern erteilt
-, dann ist das im Prinzip zu begrüßen. Aber es ist eine Reihe von Fragen
zu beantworten: Wer hält die Netze in Zukunft so intakt, wie das bis jetzt der
Fall gewesen ist? Wer will sie überhaupt kaufen? Die öffentliche Hand ist
dafür am wenigsten geeignet. Was wird aus den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,
die dort beschäftigt sind? Dieser Bereich ist ja der beschäftigungsintensivste
Bereich der Stromkonzerne. Ich glaube, auf all diese Fragen müssen wir Antworten
finden, und uns muss gerade die Sorge um die Beschäftigten umtreiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich warne deshalb vor Schnellschüssen. Gerade angesichts der Tatsache, dass aus
den vorhin genannten Gründen so viel Geld in den Netzausbau investiert werden
muss, wäre es sehr problematisch, wenn Teile der Netze - es handelt sich ja zunächst
um einen Konzern, der das vorhat, aber andere Konzerne signalisieren ähnliche
Absichten - plötzlich den Eigentümer wechseln. Wir werden, wie gesagt, all
das sehr sorgfältig betrachten. Es ist meiner Ansicht nach eine vordringliche
Aufgabe, das sehr genau zu prüfen.
In dem Zusammenhang möchte ich noch sagen: Wir streben eine Ergänzung des
Außenwirtschaftsgesetzes an, gemäß der eine Mitsprachemöglichkeit
bzw. ein Einspruchsrecht der Bundesregierung verankert wird, wenn Anlagen, die die
öffentliche Sicherheit und Ordnung betreffen, den Besitzer wechseln oder mehr
als 25 Prozent der Stimmrechte von Betreibern solcher Anlagen erworben werden. Ich
appelliere an alle, die noch unentschlossen sind, dieses Gesetz rasch auf den Weg
zu bringen. Sonst sieht es hinterher möglicherweise so aus, als ob sich die Gesetzesänderung
gegen einen bestimmten Käufer richten würde. Ich fände es gut, wenn
es dieses Instrument gäbe; denn dann könnte man es, wenn man es braucht,
anwenden.
Ich hoffe, dass Unternehmen sich, falls sie einen Verkauf vornehmen - so etwas können
wir ja nicht verhindern -, sehr verantwortungsbewusst bei der Auswahl der Firma, die
dann möglicherweise das Netz erwirbt, zeigen und sich nicht rein nach dem Verkaufserlös
richten, sondern all die von mir angesprochenen Punkte mitberücksichtigen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ansonsten wünsche ich mir eine gute Gesetzesberatung. Wir vom Bundeswirtschaftsministerium
sind jederzeit bereit, auftauchende Fragen zu klären.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Gudrun Kopp (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Das EU-Kartellrechtsverfahren
gegen Eon ist in der Vergangenheit, Herr Minister Glos, in der Tat sehr gespenstig
gelaufen. Ich hätte mir gewünscht, dass kein Deal, so wie es geschehen ist,
abgeschlossen worden wäre, sondern dieses Kartellrechtsverfahren erst einmal
ganz normal durchgeführt worden wäre.
(Beifall bei der FDP)
Mich beunruhigt nicht, dass Eon sein Übertragungsnetz verkaufen möchte.
Dabei handelt es sich um eine freie unternehmerische Entscheidung. Diesen Schritt
würden wir durchaus begrüßen. Es kann aber nicht sein, dass ein Deal
geschlossen wird, wobei wir den "Preis" dafür nicht erfahren. So etwas
sollte es nicht geben.
Gerade in der Energiewirtschaft brauchen wir strukturelle Reformen. Wir müssen
hier Strukturen aufbrechen. Dabei geht es darum, dass die Stromerzeugung von der Netzverantwortung
in gewisser Weise getrennt wird. Wir haben hierzu einen entsprechenden Antrag eingebracht
und darin festgehalten: Die eigentumsrechtliche Entflechtung stellt für uns die
Ultima Ratio dar. Zugleich haben wir in einem weiteren Antrag die Schaffung einer
Netz AG für Deutschland, in die alle Netze von Netzbetreibern eingebracht werden,
vorgeschlagen. Eine solche Netz AG sollte unabhängig arbeiten und Investitionsentscheidungen
treffen können, also alle Verantwortung für die Netze tragen, damit auf
der einen Seite dem Durcheinander und auf der anderen Seite der Marktkonzentration,
die wir augenblicklich haben, ein Ende gemacht wird. Außerdem wollen wir eine
Entflechtungsnorm aufnehmen. Auch das ist eine wichtige Forderung. Das Kartellamt
muss die Möglichkeit haben, bestimmte Strukturen gerade im Erzeugungsbereich
aufzubrechen. Dazu braucht man mehr als nur einige wenige Gesetzeskorrekturen, nämlich
vielmehr ein Schwert, mit dessen Hilfe entsprechende Maßnahmen tatsächlich
durchgesetzt werden können.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE))
Was in die derzeitige politische Landschaft passt, das ist die Frage, wer, wenn jemand
die Netze verkauft, sie kaufen soll. Plötzlich kommt die Debatte auf, ob nicht
der Staat der Eigentümer der Netze sein sollte. Diese Einstellung aufseiten der
Linken wundert mich nicht. Aber in Richtung SPD und Grünen muss ich sagen: Wir
haben doch erlebt, dass der Staat eben nicht der bessere Verwalter ist. Als Beispiel
nenne ich die Bahn. Hier sind wir derzeit in schwierigsten Privatisierungsberatungen.
Dies zeigt, dass es nicht sinnvoll ist, den Staat zum Verwalter zu machen. Die DDR
haben wir mit all den wirtschaftspolitischen Dissonanzen, die es dabei gegeben hat,
hinter uns gelassen.
(Zuruf des Abg. Ulrich Kelber (SPD))
Das kann es nicht sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich hoffe, Herr Minister Glos, dass Sie die Kraft haben, sich hier durchzusetzen,
und dass Sie die Marktöffnung an dieser Stelle positiv begleiten und nicht durch
mehr Staat intervenieren wollen.
Wir haben heute den Gesetzentwurf zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
vorliegen. Beim Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, das ja ein weiteres Mal verändert
werden soll, gibt es eine Besonderheit. Die Ausgangslage war, dass auf der Basis der
Daten von 1998 im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung von 2002 bis 2005 CO2-Einsparungen
im Umfang von 10 Millionen Tonnen und bis 2010 im Umfang von mindestens 20 Millionen
Tonnen erfolgen sollen. In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung einen Bericht,
eine Art Zwischenbilanz, vorgelegt. Dieser Bericht gibt sehr klar und deutlich zu
erkennen, dass diese Einsparungen nicht annähernd erreicht wurden. Das heißt,
das Instrument hat nicht gewirkt. Die Bundesregierung hat jetzt entschieden, einen
Turnaround zu machen und zu sagen, wir wollen weiter fördern, weil das Ergebnis
nicht gestimmt hat, und zwar so lange, bis ein Ergebnis herauskommt, das uns passt.
Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
bis 2010 mit Zusatzkosten, die die Verbraucher zu tragen haben, im Umfang von 5,6
Milliarden Euro zu rechnen ist. Das bedeutet eine Steigerung der Kosten bis 2010 um
1,2 Milliarden Euro. Wer hat diese Zusatzkosten zu tragen? - Natürlich wieder
einmal die Energiekunden. Das ist nicht akzeptabel, ganz zu schweigen davon, dass
auch diese Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes im Grunde genommen
technologieselektiv ist. Hier will Politik eine ganz bestimmte Technologie umsetzen.
Auch wenn die Instrumente nicht greifen und das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist,
soll weitergemacht werden. Nun, so hat Minister Glos ausgeführt, sollen bis 2020
25 Prozent des gesamten Stroms in Deutschland durch Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt
und damit eine Verdoppelung vorgenommen werden.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass mit der Verlängerung der Laufzeit des
Gesetzes auch eine Ausweitung des Geltungsbereichs einhergeht. Es sollen jetzt nicht
nur kleinere Anlagen Fördermittel beantragen dürfen, sondern auch größere
Anlagen.
(Dirk Becker (SPD): Das ist doch gut so! Das ist der Erfolg dieses Gesetzes!)
Das heißt, die Größengrenzen werden gestrichen und die Wärmenetze
sollen mit in die Förderung hinein. Die Anzahl der zu fördernden Anlagen
und Netze wird also steigen. Es wird ein Finanzvolumen von 750 Millionen Euro pro
Jahr aufgesetzt, und zwar gedeckelt. Darüber hinaus soll für diejenigen,
die solche Anlagen betreiben, die Möglichkeit bestehen, bis Ende 2014 ihren Dauerbetrieb
anzumelden. Die Förderung würde dann bis 2020 laufen. Das bedeutet im Umkehreffekt:
Durch die Änderung dieses Gesetzes werden - wiederum zulasten der Verbraucher
- bis 2020 weitere 7,5 Milliarden Euro als Fördermittel gebunden. Dieses Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
entwickelt sich zu einem Dauersubventionsinstrument. Wir haben davon ja schon einige
andere; das kennen wir aus der Vergangenheit. Das können wir von der FDP-Bundestagsfraktion
nicht akzeptieren.
(Beifall bei der FDP)
Wir sagen: Die neuen Fördertatbestände bringen neue Informationspflichten,
also neue Bürokratie, mit sich. Pro Jahr fallen dadurch Verwaltungskosten von
circa 430 000 Euro für die jeweiligen Einheiten an. Diese Belastungen entstehen
Wirtschaft und Verwaltung in diesem Bereich zusätzlich.
Wir, die FDP-Bundestagsfraktion, haben schon lange gefordert, dass die Instrumente,
die angewandt werden, um Klimaschutz zu realisieren, dringend durchforstet werden
müssen. Die Liberalen haben den Entwurf eines Wärmegesetzes eingebracht.
Dieses Wärmegesetz sollte in den Emissionshandel integriert werden. Dann gäbe
es an dieser Stelle Klimaschutz plus Kosteneffizienz und somit eine ganz andere Bilanz.
Das, was die Bundesregierung jetzt andenkt, also eine Verlängerung der Geltungsdauer
des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, mit dem die festgelegten Ziele - ich sage
es noch einmal sehr deutlich - nicht erreicht, sondern verfehlt worden sind und das
zusätzliche Kosten verursacht, wird die Verbraucher unter dem Strich belasten,
ohne dass es zu dem notwendigen Ergebnis und zur Einführung marktwirtschaftlicher
Instrumente kommt. Dies lehnen wir deutlich ab.
(Beifall bei der FDP)
Zu dieser Debatte passt eine Umfrage. An diese will ich erinnern, weil natürlich
immer wieder die Frage im Raum steht, wie nahe wir in der Energiepolitik an der Realisierung
unseres Zielkanons, bestehend aus Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit,
sind. In einer aktuellen Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung wurden 200 Energieexperten aus Deutschland danach befragt, was
nach ihrer Beobachtung Priorität in der Energiepolitik hat, die die Bundesregierung
betreibt. Die Forscher sagten: Höchste Priorität hat bei der Bundesregierung
mit 61 Prozent die Umweltverträglichkeit, nur noch mit 25 Prozent die Wirtschaftlichkeit
und mit mageren 14 Prozent die Versorgungssicherheit.
Herr Minister Glos, das zeigt sehr deutlich: Sie haben bescheinigt bekommen, dass
das, was Sie leisten, nicht dazu beiträgt, dass der in der Energiepolitik bestehende
Zielkanon, der gerade für die Wirtschaftspolitik, für Sie als Ressortleiter
von besonderer Bedeutung wäre, ausgewogen realisiert wird. Sie müssten dafür
sorgen, dass Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit eine Einheit mit dem Klimaschutz
bilden können. Das tun Sie leider bis heute nicht. Deshalb mahnen wir Liberalen
Sie noch einmal: Tun Sie etwas, um diesen Zielkanon endlich in ein Gleichgewicht zu
bringen! Sorgen Sie für mehr Wettbewerb und sorgen Sie auch dafür, dass
die Privatverbraucher genauso wie die Unternehmen in unserem Land nicht über
Gebühr mit Kosten belastet werden, wodurch sie weniger wettbewerbsfähig
sind!
(Beifall bei der FDP)
Die FDP-Bundestagsfraktion legt Ihnen heute einen Antrag vor, der sich mit mehr Wettbewerb
im Messwesen im Strom- und Gasbereich befasst. Gerade im Messbereich gibt es eine
große Chance. In den Haushalten und Unternehmen gibt es 125 Millionen Messgeräte
für Wasser, Strom und Gas. Hier Wettbewerb zu schaffen und mit intelligenten
Zählern und Messmethoden den Verbrauchern zu verdeutlichen, wann sie wie viel
Strom verbrauchen und wie sie ihren Stromverbrauch regulieren können, bietet
eine hervorragende Chance, Gebühren zu sparen. Diese Chance gibt es sowohl für
die Wirtschaft als auch für die Privatverbraucher.
Herr Minister Glos, zwei Dinge sind nach unserer Ansicht nicht in Ordnung: Sie treten
in Ihrem Gesetzentwurf für eine Öffnung des Messwesens innerhalb von sechs
Jahren ein. Sie möchten, dass zunächst das Gewerbe und die Industrie davon
profitieren und erst dann, zeitversetzt, die Privatkunden, also die Haushalte. Zu
dieser Abstufung sagen wir: Sie sind nicht ehrgeizig genug. Gehen Sie schneller voran.
Sie brauchen keine sechs Jahre, um die Marktöffnung zustande zu bringen. Sorgen
Sie dafür, dass die Marktöffnung schnellstmöglich erfolgt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, bitte.
Gudrun Kopp (FDP):
Legen Sie die notwendige Verordnung vor und sorgen Sie dafür, dass die Privatkunden
von der Öffnung genauso profitieren wie die Gewerbe- und Industriekunden.
(Beifall bei der FDP)
Das nützt den Verbrauchern und wäre eine konsequente, marktorientierte Energiepolitik.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion.
Rolf Hempelmann (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch wenn wir gerne über
vieles andere reden, beschäftigen wir uns heute vor allen Dingen mit der Novelle
des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, des KWKG. Für viele von uns ist das ein
vertrautes Thema. Spätestens seit den Koalitionsverhandlungen fordern einige
Fraktionen, unter anderem die SPD-Fraktion, die Vorlage eines Monitoringberichts.
Es war klar, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht. Mit dem am 5. Dezember
im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf wurde eine tragfähige Grundlage für
die parlamentarischen Beratungen geschaffen, die von allen an der Kraft-Wärme-Kopplung
Interessierten positiv aufgenommen wurde. Vielen Dank dafür.
Die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung ist neben der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes,
des EEG, und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes ein Schwerpunktthema des
integrierten Energie- und Klimapakets der Bundesregierung. Zu der geplanten Reduktion
der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 soll dieses Paket mit einer Minderung
des CO2-Ausstoßes um 36 Prozent beitragen.
Der Ausbau der hocheffizienten KWK - im Jahr 2020 sollen 25 Prozent des Stromverbrauchs
durch KWK gedeckt werden - ist ein unverzichtbarer Bestandteil dieser Strategie. Die
Verdopplung des KWK-Anteils - heute liegt er bei etwa 12 Prozent - wird zu einer jährlichen
Reduktion der CO2-Emissionen um knapp 15 Millionen Tonnen führen; der Minister
hat das eben schon erwähnt. Dieses Potenzial - ich denke, darüber sind wir
uns in diesem Hause einig - darf nicht ungenutzt bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Grund (CDU/CSU))
Spätestens seit Vorlage des Monitoringberichts zum derzeit geltenden KWKG wissen
wir, dass auf diesem Sektor Handlungsbedarf besteht. Der KWK-Anteil konnte in den
letzten Jahren gerade einmal stabilisiert werden - insbesondere aufgrund von Investitionen
kommunaler Unternehmen. Gleichzeitig hat die Zwischenprüfung, also der Monitoringbericht
gezeigt, dass auf der Grundlage des bisherigen Gesetzes das CO2-Minderungsziel für
das Jahr 2010 nicht erreicht werden kann. Unter anderem deshalb haben wir frühzeitig
zu dieser Novelle gedrängt. Nach dem Motto "Besser spät als nie"
freuen wir uns, dass der Entwurf heute vorliegt.
Die KWK ist die effizienteste Technologie zur Ausnutzung des Energiegehaltes eines
Primärenergieträgers. Wir können mit ihr nach dem derzeitigen Stand
der Technik Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erreichen. Sie leistet damit nicht
nur einen wesentlichen Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoßes, sondern trägt
auch zur Ressourcenschonung bei. Aufgrund dieser Vorteile ist das 25-Prozent-Ziel
für 2020 auch kein End-, sondern ein Zwischenziel. Wir können davon ausgehen
- das vom BMWi ausgegebene Gutachten macht das deutlich -, dass hier noch weitere
Potenziale schlummern, die mittelfristig gehoben werden sollten.
Wir setzen nicht auf ein einzelnes Instrument zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung,
sondern wir schaffen neben dem KWKG auch an anderen Stellen geeignete Rahmenbedingungen
für die KWK, unter anderem im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Denn - viele haben
das beobachtet - gerade in Regionen, in denen es hohe Anteile sowohl von erneuerbaren
Energien als auch von Kraft-Wärme-Kopplung gibt, haben wir es durchaus mit einem
Konkurrenzverhältnis zwischen beiden zu tun. Deswegen wird jetzt im KWKG eine
Gleichbehandlung von KWK und erneuerbaren Energien eingeführt. Zugleich streben
wir in der Novelle des EEG eine verbesserte Netzintegration der erneuerbaren Energien
an. Das schafft mehr Planbarkeit in diesem Bereich und entschärft die Binnenkonkurrenz
zwischen KWK und erneuerbaren Energien.
Ein zweiter Bereich, in dem wir die Rahmenbedingungen für KWK setzen, ist der
Emissionshandel. Hier haben wir eine Doppelbenchmark für den Nationalen Allokationsplan
bis zum Jahre 2012 durchgesetzt. Das heißt, es gibt eine Zuteilung sowohl für
den Strom- wie für den Wärmeanteil. Wir wollen diese Präferenz der
KWK auch weiterhin, also auch nach 2012, erhalten. Wir begrüßen deswegen
den Kommissionsvorschlag, für die Wärmeproduktion im Bereich der KWK keine
Versteigerung von Zertifikaten vorzusehen.
(Beifall bei der SPD)
Dennoch - auch wenn diese Instrumente wichtig sind - ist das KWKG das zentrale Instrument
zur Förderung dieser Technologie. Deswegen wollen wir an dieser entscheidenden
Baustelle schnell vorankommen. Wir bauen im Gesetzentwurf weiterhin auf eine umlagefinanzierte
Förderung der KWK - das ist richtig -, aber wir stehen dazu, dass wir auch neue
Fördertatbestände schaffen. Es ist klargeworden, dass wir allein mit den
bisherigen Mitteln die ambitionierten Ziele nicht erreichen werden.
Wir setzen die Förderung modernisierter KWK-Anlagen fort. Hinzu kommt aber, dass
wir neu errichtete KWK-Anlagen ohne Größenbeschränkungen fördern
und die industrielle Eigenerzeugung einbeziehen wollen. All diese Schritte sind notwendig,
um die vorgegebenen Mengenziele erreichen zu können. Im Übrigen - das ist
jedenfalls ein Petita unserer Fraktion - sollten wir überprüfen, ob wir
Eigenerzeugung nur in der Industrie oder auch in anderen Branchen und Sektoren - im
Handel, im Gewerbe, im Dienstleistungssektor - einbeziehen. Ich denke, die Trennung,
wie wir sie bisher im Entwurf haben, macht relativ wenig Sinn.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben einige andere Petiten, die wir im Rahmen der parlamentarischen Beratungen
ansprechen werden. So ist durchaus darüber zu diskutieren, dass wir zur Zielerreichung
mindestens die zugesagten Mittel flexibler über die Jahre verwenden können.
Möglicherweise muss man auch über eine Mittelerhöhung nachdenken. Wir
brauchen mit Sicherheit eine Verlängerung der Anmeldefristen über den 31.
Dezember 2014 hinaus. Ich will nur einen Grund nennen, der für eine solche Fristverlängerung
spricht: Wir alle wissen, dass wir im Kraftwerksbereich - das gilt im Übrigen
für Anlagen bei erneuerbaren Energien genauso wie in jedem anderen Bereich, also
auch bei der Kraft-Wärme-Kopplung - einen stark überhitzten Kraftwerksbaumarkt
haben. Das führt zu Knappheiten und erhöhten Preisen. Dies lässt sich
am besten durch eine Streckung des Investitionszeitraums ausgleichen. Insofern ist
auch eine entsprechende Verlängerung der Anmeldefristen notwendig.
(Beifall bei der SPD)
Ein weiterer uns wichtiger Punkt betrifft die Förderabbrüche, die wir bei
den kleinen KWK-Anlagen kommen sehen. Hier gibt es eine sprunghafte Entwicklung. Die
Förderung in bestimmtem Umfang bei kleinen und in geringerem bei größeren
KWK-Anlagen wollen wir durch gleitendere Regelungen ersetzt sehen. Hier haben wir
also - Sie sehen das - noch eine ganze Menge Detailarbeit vor uns.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass in dem vorliegenden Entwurf auch der
Aus- und Neubau von Nah- und Fernwärmenetzen vorgesehen ist. Hier sollen Investitionszuschüsse
gegeben werden. Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für den
Erfolg des Gesetzes insgesamt. Schließlich ist die Erschließung von Wärmesenken
notwendig, um die zusätzlichen Wärmepotenziale, die wir durch die Erhöhung
des Anteils der KWK schaffen wollen, auch vermarkten zu können.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass viele Fragen, die in diesem Zusammenhang eine
Rolle spielen, durch den vorliegenden Gesetzentwurf schon beantwortet sind. Über
einige andere Fragen, die ich gerade aufgezählt habe, werden wir in der weiteren
Debatte noch zu diskutieren haben.
Klar ist: Die KWK trägt zur weiteren Dezentralisierung unserer Energieversorgungslandschaft
bei. Sie führt uns ein Stück weit weg von den großen Kondensationskraftwerken
und hin zur Erhaltung lokaler Wertschöpfung und lokaler Arbeitsplätze. Sie
stärkt die Stadtwerke, die ihren Strom bereits zu über 80 Prozent durch
KWK erzeugen. Damit stärkt sie auch die Anbietervielfalt und den Wettbewerb.
Das sind viele zusätzliche Argumente, die dafür sprechen, die Kraft-Wärme-Kopplung
weiterzuentwickeln.
Auch wenn wir im Bereich der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2020 sehr erfolgreich
sind und es schaffen, ihren Anteil an der Stromerzeugung auf 30 Prozent zu erhöhen,
ist für uns klar, dass wir in großem Umfang auch fossile Energieträger
verstromen müssen, hier in Deutschland, vor allem aber im Ausland, insbesondere
in Schwellenländern wie China und Indien. Wenn wir bei der KWK Fortschritte erzielen,
dann können wir national und international einen Beitrag zur klimaverträglichen
Nutzung fossiler Energieträger leisten. Das ist gut für das Klima. Das ist
aber auch gut für unseren Export. Deswegen glaube ich, dass wir auf dem richtigen
Weg sind.
In den letzten Monaten haben wir erlebt, dass Neuinvestitionen in Kraftwerke, insbesondere
in Kohlekraftwerke, vor Ort auf Widerstände stoßen. Das ist in gewissem
Umfang nachvollziehbar, zum Beispiel dann, wenn es um große Kondensationskraftwerke
geht. Ich persönlich glaube allerdings, dass wir auch in diesem Bereich nicht
ganz ohne neue Kraftwerke auskommen werden. Schließlich sollen sie alte, klimaschädliche
Anlagen ersetzen. Jedenfalls ist klar: Wir alle müssen ein großes Interesse
daran haben, dass neue Kraftwerke entstehen, die auf der Basis von Kraft-Wärme-Kopplung
betrieben werden. Es werden aber auch solche dabei sein, die mit Kohle befeuert werden.
Ich denke, es ist auch die Aufgabe von Politik, hier für Aufklärung und
Akzeptanz zu sorgen. Wir brauchen in Deutschland eine Art Arbeitsteilung. Wir müssen
eine sichere Energieversorgung, die Schaffung der Rahmenbedingungen für die Erhaltung
von Industriearbeitsplätzen in der energieverbrauchenden Industrie und unsere
anspruchsvollen Klimaschutzziele miteinander verbinden. Das wird nicht funktionieren,
wenn man republikweit überall CO2-freie Zonen einrichtet. Auch die Regionen müssen
bereit sein, über neue KWK-betriebene Kraftwerke hinaus einen Beitrag zu leisten.
(Beifall bei der SPD)
Ansonsten würden wir von den Realitäten sehr schnell überholt.
Wir müssen an vielen Fronten gleichzeitig erfolgreich sein. Wir brauchen den
massiven Ausbau der erneuerbaren Energien; dazu haben wir in der letzten Sitzungswoche
die erste Lesung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes
durchgeführt. Wir brauchen eine massive Steigerung der Energieeffizienz auf der
Angebots- und auf der Nachfrageseite; dazu werden wir entsprechende Maßnahmenpakete
auf der Basis der Beschlüsse von Meseberg vorlegen. Wir brauchen die Modernisierung
des fossilen Kraftwerksparks, und zwar möglichst unter Einsatz der umweltfreundlichen
Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn wir diese drei Ansätze parallel verfolgen, dann
ist das eine gute Voraussetzung sowohl für Fortschritte im Bereich der Ökologie
als auch im Bereich der Ökonomie.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der heute bereits angesprochen worden ist und den auch
ich nicht unerwähnt lassen will, betrifft die Netze. Auch eine wettbewerbsneutrale
Organisation des Netzbetriebes muss in unser aller Interesse liegen. Wir brauchen
einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen, wir müssen möglichst
vielen Anbietern eine faire Chance auf diesem Markt geben, wenn wir den Wettbewerb
vorantreiben wollen. Wir brauchen aber auch den Ausbau der Netze. Denn es ist klar,
dass unsere Netze, wenn unsere Energieversorgung durch KWK und durch erneuerbare Energien
dezentralisiert wird, immer leistungsfähiger werden müssen. Wir brauchen
deswegen Rahmenbedingungen, die auf ein angemessenes Netzentgelt abzielen. Es muss
am Ende so sein, dass der Verbraucher keinen Euro mehr zahlt als notwendig, zugleich
aber Renditen erzielt werden können, die Investitionen in die Netze attraktiv
halten. Das ist ein schwieriger Balanceakt, insbesondere für die Bundesnetzagentur.
Aber Enteignungsfantasien, Entflechtungsvorschläge, wie sie aus Brüssel
kommen, haben nicht den Nachweis gebracht, dass sie zu dem gewünschten Doppelziel
- zu sinkenden Preisen und mehr Investitionen - führen; wer sich die Zahlen des
United Kingdom anschaut, wird zu diesem Ergebnis kommen.
Meine Redezeit ist abgelaufen, und ich möchte nicht dem nächsten Redner
unserer Fraktion Redezeit stehlen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der nächste Redner - dem Sie die Redezeit nicht stehlen können - ist der
Kollege Oskar Lafontaine für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe ja, dass Sie
mir gern die Redezeit stehlen würden; aber da steht die parlamentarische Geschäftsordnung
davor. Insofern müssen Sie jetzt zuhören.
Es war heute Morgen schon von der sozialen Marktwirtschaft die Rede. Wir definieren
soziale Marktwirtschaft als eine wirtschaftliche Ordnung, die Lohndumping und Monopolpreise
verhindert. Wenn wir die Situation in unserem Lande betrachten, müssen wir feststellen,
dass wir nicht besonders erfolgreich gearbeitet haben: Wir haben derzeit fallende
Löhne, also echtes Lohndumping, während die Monopolpreise steigen. Das ist
das Gegenteil von dem, was das Ergebnis der Ordnungs- und Wirtschaftspolitik einer
sozialen Marktwirtschaft sein müsste.
(Beifall bei der LINKEN)
Es hat keinen Sinn, wenn wir hier - dieser Ansatz ist ja unstreitig - über die
energetischen Wirkungsgrade der Kraft-Wärme-Kopplung dozieren. Die Frage ist
vielmehr, in welchem politischen Umfeld wir diskutieren: Viele Bürgerinnen und
Bürger in ganz Deutschland leiden zurzeit darunter, dass sie fallende Löhne,
fallende Renten zu verkraften haben, während die Monopolpreise schamlos steigen.
Das muss das Thema der heutigen Debatte sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich widme mich jetzt nicht den fallenden Löhnen, ich widme mich den steigenden
Preisen und sage, dass die bisherige Ordnungspolitik der Regierung schlicht und einfach
nicht die gewünschten Erfolge hat oder, wenn man so will, dass in den letzten
Jahren eine Ordnungspolitik gemacht worden ist, deren Ergebnisse im Gegensatz zu den
Zielen stehen, die immer wieder vorgetragen werden. Die Monopolunternehmen kassieren
immer noch schamlos ab. Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger,
die, ich sage es noch einmal, mit fallenden Löhnen und fallenden Renten konfrontiert
sind. Das ist die Lage in Deutschland.
(Beifall bei der LINKEN)
Was kann man machen, um diese Entwicklung zu verhindern? Es gibt einen Ansatz, den
die Linke schon mehrfach vorgetragen hat und den auch andere Fraktionen befürworten:
Das ist eine Verschärfung der Kartellgesetzgebung. Eine verschärfte Kartellgesetzgebung
ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die einzige Möglichkeit, Monopole
zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb seine soziale Funktion
erfüllt: zu Preisen zu führen, die akzeptabel sind. Monopole haben die Folgen,
die ich angesprochen habe. Die Linke ist für eine Verschärfung der Kartellgesetzgebung,
weil es nicht darum geht - ich zitiere das sehr gerne -, wirtschaftliche Macht zu
kontrollieren, sondern darum, wirtschaftliche Macht überhaupt zu verhindern.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist ein Ansatz, für den ich mich immer wieder ausgesprochen habe. Ich berufe
mich hier nicht auf Karl Marx, sondern auf Walter Eucken - damit Sie wissen, woher
dieser Ansatz kommt.
Es ist nicht gelungen, wirtschaftliche Macht zu kontrollieren. Wir haben in Deutschland
Monopolunternehmen, die die Energiepolitik in den letzten Jahren weitgehend bestimmt
haben und die teilweise über Lobbyisten die Gesetzgebung beeinflusst haben, was
zu den negativen Folgen geführt hat, mit denen wir heute konfrontiert sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Kartellgesetzgebung verschärft
wurde und dass die Verfahren nicht länger auf die Stromerzeuger beschränkt
bleiben, sondern auch auf die Gasversorger ausgedehnt werden. Das war notwendig.
Ich stimme der Kritik durchaus zu: Es geht nicht an, dass sich die Monopolunternehmen
mit einigen Gesten freikaufen können. Die Kartellverfahren sollten durchgezogen
werden, damit Vertrauen in solche Verfahren entsteht und nicht damit gerechnet werden
muss, dass der Lobbyismus wieder zu einem Deal führt und die Kartellverfahren
zurückgezogen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Erstens ist also - darin besteht offensichtlich Übereinstimmung - eine Verschärfung
der Kartellgesetzgebung notwendig, wenn wir Monopolpreise verhindern wollen.
(Ulrich Kelber (SPD): Wer hat denn gegen eine verschärfte Kartellgesetzgebung
gestimmt? Unangenehmes wird ignoriert!)
Zweitens stellt sich die Frage - darin gibt es unterschiedliche Auffassungen -, wer
für die Netze zuständig sein soll. In der Fachdebatte ist es weitgehend
unstreitig, dass man die Netze von den Stromerzeugern trennen sollte. Ich wundere
mich, dass die Bundesregierung in dieser Frage den falschen ordnungspolitischen Ansatzpunkt
vertritt - damit ist sie innerhalb der Europäischen Union ziemlich isoliert -,
Netzbetrieb und Stromerzeugung nicht zu trennen. Das passt ordnungspolitisch wie die
Faust aufs Auge. Denn wenn man an dieser Position festhält, dann wird es nicht
gelingen, Monopolpreise zu verhindern.
(Beifall bei der LINKEN)
Daher treten wir für die Trennung der Netze von den Stromerzeugern ein.
Daraus ergibt sich die Frage, wem die Netze übertragen werden sollen. Dabei kann
ich mich mit einem gewissen Vergnügen auf Hermann Scheer berufen. Denn er hat
sich als ein Energiepolitiker ausgewiesen, der tatsächlich die Verbraucher und
den Umweltschutz im Blick hat. Er fordert eine öffentliche Netzbetriebsgesellschaft
unter gemeinsamer Trägerschaft des Bundes und der Länder, die Eigentümer
aller Stromübertragungsnetze werden sollten. Stromnetze seien unverzichtbarer
Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur und gehörten zur Daseinsvorsorge
ebenso wie Straßen und Schienen. Die Übernahme der Stromnetze durch die
öffentliche Hand könnte Scheer zufolge über die Netznutzungsgebühren
refinanziert werden. Eine öffentliche Netzgesellschaft sei zudem neutral gegenüber
allen Stromproduzenten und könne behördlich zum Netzerhalt und -ausbau verpflichtet
werden.
Damit trifft Hermann Scheer den Kern der Sache.
(Beifall bei der LINKEN)
Die private Nutzung der Netze hat nur dazu geführt - das hat das Beispiel Eon
gezeigt -, dass man auf der einen Seite überhöhte Preise fordert, aber auf
der anderen Seite die notwendigen Netzinvestitionen unterlässt, und wenn man
Schwierigkeiten mit der Kartellbehörde bekommt, bietet man das mehr oder weniger
marode Netz anderen an. Dass man sich so der Verantwortung entziehen kann, ist die
Folge einer falschen wirtschaftlichen Ordnung im Stromsektor.
(Beifall bei der LINKEN)
An dieser Stelle will ich mit besonderem Genuss darauf hinweisen, dass die Kollegen
der SPD-Fraktion ihre Vorlagen überarbeiten müssen. Wenn Sie sich mit den
vermeintlich völlig unhaltbaren Forderungen der Linken auseinandersetzen, gilt
der Vorschlag, die Netze in öffentliche Hand zu übertragen, immer als sehr
kostenträchtig. Wir begrüßen es außerordentlich, dass dieser
Vorschlag jetzt aus Ihren eigenen Reihen kommt. Das ist durchaus eine Veränderung.
Zur Kostensituation möchte ich Folgendes feststellen - leider ist der Kollege
Struck nicht anwesend; vielleicht kann man es ihm ausrichten -: Man muss die Prozentrechnung
beherrschen. Die einzige geistige Aufgabe, die man leisten muss, besteht darin, 5
Prozent des Sozialprodukts zu errechnen. Wenn man das ausrechnet, dann erkennt man,
dass die gesamte Argumentation gegen die Linke in sich zusammenfällt.
Ich wiederhole mein Angebot: Ich schenke demjenigen eine goldene Uhr, der widerlegt,
dass in Deutschland bei der durchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote Europas in
den letzten Jahren keine einzige soziale Kürzung notwendig gewesen wäre.
All diese Kürzungen waren ein einziger Betrug, weil man nicht in der Lage war,
in Deutschland eine durchschnittliche Steuer- und Abgabenquote zu erheben, die dem
europäischen Durchschnitt entspricht.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich fordere also alle neoliberalen Professoren, Journalisten und Abgeordneten auf,
diesen Satz zu widerlegen. Eine goldene Uhr müsste eigentlich ein Anreiz sein.
Aber zurück zum Thema. Wir halten eine öffentliche Netzstruktur für
notwendig. Der dritte Vorschlag der Linken, neben der Verschärfung des Kartellrechts
und einer öffentlichen Netzstruktur, ist die Rekommunalisierung der Energieversorgung.
Das wird auch durch meinen Vorredner Herrn Hempelmann gestützt. Sie haben darauf
hingewiesen, dass die Kraft-Wärme-Kopplung gerade im kommunalen Bereich finanziert
worden ist. Das hat seine Gründe. Es hängt mit den Auseinandersetzungen
zusammen, zu denen es häufig kommt, wenn vor Ort größere Kraftwerksanlagen
durchgeboxt werden sollen.
Wir hatten eine ähnliche Situation in einer saarländischen Gemeinde, in
der RWE die Leistung eines Kraftwerksblocks von 400 Megawatt auf 600 Megawatt erhöhen
wollte. Hätte man dort beispielsweise eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf
einer vernünftigen Megawattbasis angeboten, dann wäre das sicherlich bei
den Bürgerinnen und Bürgern auf große Zustimmung gestoßen. Wenn
man aber die bisherige falsche Politik fortsetzt, den Monopolisten große Kraftwerksanlagen
zu genehmigen, die keinen vernünftigen Effizienzgrad erreichen, dann ist es richtig,
dass die Bürgerinnen und Bürger eine solche verfehlte Politik ablehnen.
Das ist der entscheidende Zusammenhang.
(Beifall bei der LINKEN)
Aus diesen Gründen ist die Linke für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung.
Dies ist nach unserer Auffassung ein geeignetes Instrument, um dem jetzigen Trend
steigender Monopolpreise entgegenzuwirken und dem Gedanken des Umweltschutzes Rechnung
zu tragen. Aufgrund von Naturgesetzen ist es unwiderlegbar, dass eine dezentrale Energieversorgung
die umweltgerechteste Energieversorgung ist. Wenn man eine dezentrale Energieversorgung
will, dann braucht man ein kartellrechtliches Vorgehen gegen die bisherigen Anbieter,
die alles im Sinn haben, aber nicht eine dezentrale kleinräumige Energieversorgung.
Eine dezentrale Energieversorgung ist aber nicht nur ökologisch, sondern auch
beschäftigungspolitisch sinnvoll, wie alle Untersuchungen in den letzten Jahren
gezeigt haben. Man kann hier tatsächlich vieles zusammenbinden. Wenn man akzeptiert,
dass man bei Ökologie nicht nur an Umweltschutz denken darf, sondern diesen Gedanken
mit der sozialen Frage verbinden muss, dann muss man alle ordnungspolitischen Weichenstellungen
so vornehmen, dass das Soziale mit dem Ökologischen verbunden wird; das heißt,
man muss Monopolpreise unterbinden. Das heißt für uns auch eine Verschärfung
des Kartellrechts und - das wiederhole ich - eine öffentliche Netzstruktur, damit
man wirklich Wettbewerb organisieren kann.
Es bringt nichts - das ist ein großer Irrtum -, den einen privaten Eigentümer
zu wechseln und ihn durch einen anderen privaten Eigentümer zu ersetzen. Auch
dieser wird im Sinne haben, hohe Erträge und Renditen zu erwirtschaften. Damit
wird er genauso preistreibend wie die bisherigen Netzeigentümer wirken. Geben
Sie diesen verfehlten ordnungspolitischen Ansatz endlich auf!
(Beifall bei der LINKEN)
Da Sie eben wieder von der DDR angefangen haben, muss ich Ihnen sagen, dass das langsam
ein bisschen billig und nervend ist. Im Norden Europas befindet sich nicht die DDR.
Wenn Sie beispielsweise in Dänemark oder Schweden Verhältnisse wie in der
DDR festgestellt haben, dann haben Sie vielleicht eine falsche Sichtweise. Ich möchte
nur darauf hinweisen, dass man in diesen Staaten sehr gute Erfahrungen mit der öffentlichen
Netzstruktur gemacht hat. Ich fahre gerne mit Ihnen dorthin und unterhalte mich vor
Ort mit konservativen und auch liberalen Politikerinnen und Politikern. Für die
Linke reklamiere ich eine solche Struktur. Sie ist ein besseres Instrument als die
bisherige Netzstruktur und wird zu sinkenden Preisen führen.
Ich fasse zusammen. Wir können die Energiedebatte nicht nur auf der Grundlage
technischer Daten führen. Wir können die Energiedebatte nicht abgehoben
von der gesellschaftlichen Wirklichkeit in der Bundesrepublik führen. Wir müssen
uns der Tatsache stellen, dass wir hier ordnungspolitisch versagt haben, weil wir
eine wesentliche Zielsetzung der sozialen Marktwirtschaft grob verfehlt haben. Deutschland
hat die dritthöchsten Gaspreise und mit die höchsten Strompreise in Europa.
Sie liegen um 50 Prozent - man höre! - über dem europäischen Durchschnitt.
Wenn noch fallende Löhne hinzukommen, dann zeigt das, dass die bisherige Energiepolitik
zu korrigieren ist. Sie muss einer Energiepolitik weichen, die Umweltschutz und Soziales
miteinander verbindet. Dazu haben wir Vorschläge gemacht.
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand die Rede von Oskar Lafontaine
schon spannend; denn eines hat er nicht gemacht: Er hat nicht zum Thema geredet.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU
und der SPD)
Er hat sich gedacht: KWK - das versteht sowieso kein Mensch; die Kraft-Wärme-Kopplung
ist so abstrakt. Da trage ich lieber meine bekannten Positionen wieder vor.
Ihre Art, Energiepolitik zu betreiben, Herr Lafontaine, ist sehr widersprüchlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU
und der SPD)
Sie haben eben wieder das Kraftwerk Ensdorf im Saarland genannt; da kennen Sie sich
ja gut aus. Die Leute haben mir auf einer Veranstaltung in Ensdorf - auch ich bin
dort gewesen - gesagt, dass Sie sich gegen das Kraftwerk aussprechen, weil dort keine
heimische Kohle verfeuert wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hier gilt offensichtlich das Motto: Wenn saarländische Kohle verfeuert würde,
dann würde es kein CO2-Problem geben. - Diese Energiepolitik ist nicht konsistent,
Herr Lafontaine.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU,
der SPD und der FDP)
Sie haben hier zu Recht gesagt: Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind eine gute Sache.
- Darum geht es hier ja eigentlich. Ich frage Sie nun aber: Warum verteidigen Ihre
Parteifreunde in den neuen Bundesländern jedes Braunkohlekraftwerk, und zwar
große Kohlekraftwerke, die überhaupt keine Wärme auskoppeln können?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Das ist ja Quatsch!)
Ihre Haltung ist, auf alle Fragen eine einzige Antwort zu geben, egal wie das Thema
heißt, nämlich Verstaatlichung. Da muss ich in der Tat sagen: Das ist nicht
die richtige Logik, Herr Lafontaine. Verstaatlichung allein ist kein Konzept.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU
- Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): So weit ist es gekommen, dass ich Frau Höhn
applaudiere! - Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Sie verfehlen das Thema in großem
Umfang!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Höhn, darf Ihnen die Kollegin Enkelmann eine Zwischenfrage stellen?
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Frau Kollegin Höhn, Sie haben gerade behauptet, die Linke stimme für weitere
Braunkohlekraftwerke. Ist Ihnen bekannt, dass die Linke in Brandenburg eine Volksinitiative
gegen den Aufschluss weiterer Braunkohletagebaue und gegen den Bau weiterer Kraftwerke
unterstützt? Dann können Sie hier nicht so etwas behaupten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das ist mir in der Tat bekannt. Auf der einen Seite nehmen Sie in Brandenburg diese
Position ein, weil Sie versuchen, die Stimmung in der Bevölkerung zu nutzen;
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)
auf der anderen Seite stellen Sie sich in anderen Bundesländern hin und verteidigen
die Braunkohlekraftwerke. Frau Enkelmann, das ist doch widersprüchlich:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie
bei Abgeordneten der FDP)
Einmal so und einmal so, wie gerade der Volkswille ist. Das geht nicht. Sie müssen
schon eine konsistente Politik betreiben und ein klares Konzept haben; sonst funktioniert
es nicht. Ich kenne mich in dieser Debatte, gerade in Bezug auf die neuen Bundesländer,
ganz gut aus.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das merkt man! Das muss Ihnen sehr wehtun!
- Gegenruf der Abg. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihnen aber
auch, Frau Enkelmann! Warum regen Sie sich so auf?)
Ich habe mich gerade gemeinsam mit Ihren Kollegen vor Ort gegen das Kraftwerk in Lubmin
ausgesprochen; es gibt bei Ihnen ein paar Vernünftige. Es gibt aber auch die
anderen, die eine vollkommen kontraproduktive Politik betreiben. Wie Sie handeln,
hängt davon ab, wie die Stimmung vor Ort ist. Das mache ich Ihnen zum Vorwurf;
denn wer immer nur die Stimmung vor Ort aufgreift, betreibt keine Politik, die durchgehend
nachvollziehbar ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU
und der SPD)
Wir debattieren hier über Kraft-Wärme-Kopplung; ich möchte darauf zurückkommen.
Kraft-Wärme-Kopplung hört sich irgendwie abstrakt an. Ich schätze einmal,
50 Prozent der Bevölkerung wissen gar nicht, was Kraft-Wärme-Kopplung ist.
- Herr Präsident, Sie haben ein Zeichen gegeben?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ja, so ist es. Ich bin ganz gerührt; denn es kommt so selten vor, dass Redner
prompt auf solche Signale reagieren. - Auch die Kollegin Kurth wollte Ihnen eine Zwischenfrage
stellen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Okay.
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte dafür sorgen, dass bei der Debatte hier im Hause kein einseitiges
Bild entsteht, und daher meine Fraktionskollegin Bärbel Höhn fragen, ob
ihr bekannt ist, dass im Burgenlandkreis - er liegt meines Wissens in den neuen Bundesländern
- gerade von SPD, CDU, FDP und der Linken einträchtig ein Beschluss für
den Bau eines Kraftwerks in Profen und für die Erschließung eines neuen
Braunkohletagebaus gefasst worden ist?
(Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Was soll dieser Unsinn?)
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja. Ich bedanke mich bei der Kollegin Kurth, dass sie darauf hingewiesen hat, damit
die Widersprüche noch einmal deutlich werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte zur Kraft-Wärme-Kopplung zurückkommen. Ich sagte bereits:
Ich glaube, 50 Prozent der Bevölkerung wissen gar nicht, was das ist. Bei uns
gibt es große Kraftwerke, die Strom erzeugen. Die meisten dieser großen
Kraftwerke können die Wärme, die dabei produziert wird, überhaupt nicht
nutzen. Eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage - das ist entscheidend - koppelt Strom,
also Kraft und Wärme. Die großen Anlagen, die bei uns in Deutschland stehen
und Strom erzeugen, können die abgegebene Wärme nicht nutzen und sind deshalb
absolut ineffizient.
Woran liegt es, dass diese nichteffizienten Kraftwerke so stark verbreitet sind? Würden
Sie hier in Berlin ein großes Kraftwerk auf dem Alex bauen? Nein, denn die Leute
würden dann natürlich sofort demonstrieren; das würden sie sich nicht
gefallen lassen. Also werden die großen Kraftwerke draußen auf dem Land
gebaut. Dort gibt es aber niemanden, der die Wärme abnehmen kann. Der Effizienzgrad
der alten Kraftwerke liegt bei rund 30 Prozent; die neuen Kraftwerke haben einen Effizienzgrad
von 45 Prozent. Das heißt, dass mehr als die Hälfte der Energie ungenutzt
bleibt und nicht von der Bevölkerung genutzt werden kann. Diese Art von großen
Kraftwerken - die Wärme kann nicht genutzt werden, weil es keinen gibt, der sie
abnimmt - können wir uns unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes nicht mehr leisten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die kleinen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen - sie sind teilweise so klein, dass
man sie in ein Hotel oder in ein Familienhaus einbauen kann - haben einen Effizienzgrad
von über 90 Prozent. Das heißt, nur ein kleiner Teil der Energie geht verloren.
Wir führen gerade die Diskussion: Können wir uns neue große Kraftwerke
in Deutschland noch leisten? Wir, die Grünen, sagen dazu: Wir können uns
in Deutschland keine großen Kohlekraftwerke, keine großen Braunkohlekraftwerke
und keine großen Steinkohlekraftwerke, mehr leisten; das ist mit dem Klimaschutz
nicht vereinbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gudrun Kopp (FDP): Dann geht
das Licht aus!)
Interessanterweise sagt das Bundesumweltministerium: Wir können noch sechs oder
sieben davon bauen, mehr aber nicht. Das finde ich schon spannend. De facto ist es
aber so, dass momentan über 20 dieser gro0en Kraftwerke schon im Bau oder im
Genehmigungsverfahren, also kurz vor der Realisierung, sind.
Ich will noch einmal an einen Satz von Angela Merkel aus dem letzten Jahr erinnern.
Sie hat gesagt, dass jeder Mensch auf dieser Erde das Recht hat, die gleiche Menge
CO2 auszustoßen. Wir wissen von den Experten, dass das nicht mehr als 2 Tonnen
pro Person und Jahr sein dürfen, eher weniger. - Herr Göppel nickt. - Da
wir in Deutschland 80 Millionen Menschen sind, dürfen wir im Jahr 2050, für
das dieses Ziel angestrebt wird, also einen CO2-Ausstoß von 160 Millionen Tonnen
haben.
Dieselbe Angela Merkel, die diesen Satz zu Recht gesagt hat, legt dann aber zusammen
mit dem damaligen RWE-Chef Roels - jetzt heißt der Chef Großmann - den
Grundstein für das Braunkohlekraftwerk in Neurath. Und welchen Wirkungsgrad hat
dieses Kraftwerk? 43 Prozent. Welchen CO2-Ausstoß hat es? 14 Millionen Tonnen.
Allein dieses eine Kraftwerk wird im Jahre 2050 10 Prozent der CO2-Menge ausstoßen,
die uns dann noch erlaubt sein wird. Da sieht man, wie absurd es ist, eine solche
Politik zu machen. Das geht so nicht!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man darf nicht auf der einen Seite immer sagen, man sei für den Klimaschutz,
sich aber auf der anderen Seite zum Beispiel für das große Kraftwerk in
Lubmin oder das Kraftwerk in Neurath aussprechen.
Interessant ist auch die Position der SPD. Ich habe mir genau angeschaut, was die
SPD auf ihrem Parteitag im letzten Jahr beschlossen hat. Man hat sich gegen große
Kraftwerke ausgesprochen. Wenn es überhaupt noch Steinkohlekraftwerke geben solle,
dann nur als kleine Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen.
(Ulrich Kelber (SPD): So war der Beschluss auch nicht ganz! Aber eine interessante
Interpretation!)
Es ist schon spannend, dass die SPD-Basis weiter ist als der Bundesumweltminister.
Denn dieser verteidigt immer noch die großen Kraftwerke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ulrich Kelber (SPD): Das war ein
falsches Zitat, und das wissen Sie!)
Das Gesetz, über das wir momentan sprechen, ist absolut notwendig. Wenn wir unsere
Klimaschutzziele erreichen wollen, müssen wir es besser machen als bisher. Denn
das alte KWK-Gesetz hat nicht das erfüllt, was alle sich davon erwartet hatten.
Kraft-Wärme-Kopplung hat momentan einen Anteil von gerade einmal gut 11 Prozent.
Wir bräuchten aber viel mehr. Deshalb ist es falsch, wenn jetzt ein Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
vorgelegt wird, das eine Ausgabendeckelung bei 750 Millionen Euro vorsieht. Das ist
zu wenig Geld, insbesondere wenn 20 Prozent der Mittel für den Netzaufbau eingesetzt
werden sollen. Wir brauchen mehr Geld für die Kraft-Wärme-Kopplung; denn
wir brauchen mehr Kraft-Wärme-Kopplung in diesem Land.
(Gudrun Kopp (FDP): Zu welchen Preisen?)
- Sehr schön, dass Sie mir dieses Stichwort geben, Frau Kopp. Das Bundesumweltministerium
hat nämlich ausgerechnet, dass Kraft-Wärme-Kopplung sich sehr wohl rechnet,
und zwar in Höhe von 12,90 Euro je eingesparter Tonne CO2.
Schauen Sie sich nur einmal an, wie teuer das - durchaus notwendige - Gebäudesanierungsprogramm
ist, das dieselbe Bundesregierung aufgelegt hat, die dieses Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
vorgelegt hat. Verglichen mit den Kosten dafür, ist auch die Reduzierung des
CO2-Ausstoßes durch Kraft-Wärme-Kopplung finanziell effizient. Genau das
wollen wir, und deshalb müssen wir in diesem Bereich mehr tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir doch einmal, was andere können. Dänemark liegt mittlerweile
bei 53 Prozent Kraft-Wärme-Kopplung. Die Niederlande liegen bei 38 Prozent. Sie
haben in den 90er-Jahren in nur fünf Jahren eine Verdoppelung hinbekommen. Es
gibt eine Aussage vom Bremer Energie-Institut, wonach in Deutschland 57 Prozent Kraft-Wärme-Kopplung
wirtschaftlich möglich seien. Diese 57 Prozent sollten wir so schnell wie möglich
anstreben. Das muss das Ziel sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte noch kurz auf die Stromnetze eingehen, über die gerade diskutiert
wurde, obwohl sie eigentlich nicht Thema der Debatte sind. Eon hat in der letzten
Woche in der Tat einen Coup gelandet, indem es seine Netze einfach zum Verkauf angeboten
hat. Herr Glos, ich möchte einmal wissen, wie Sie sich gefühlt haben, als
Sie in Brüssel noch über einen dritten Weg verhandelt haben, als Sie als
Lobbyist von RWE gekämpft haben und aus der Zeitung erfahren haben, dass Eon
schon lange einen Deal mit der EU-Kommission gemacht hat. Das war doch eine Blamage
für die Bundesregierung!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es war auch deshalb eine Blamage, weil Ihr dritter Weg überhaupt nicht tragfähig
ist. Das, was Sie wollten, ging zurück auf die Lobbyarbeit der Energiekonzerne,
aber noch nicht einmal aller. Eon hat dann gezeigt, dass es, um nicht in dem Kartellverfahren
zu unterliegen und hohe Strafen zahlen zu müssen, bereit ist, sich auf einen
Deal einzulassen. Ich gebe Ihnen recht, dass das nicht in Ordnung ist.
Aus meiner Sicht ist die Infrastruktur, also die Energienetze und das Schienennetz
der Bahn, für die Wirtschaft in diesem Land absolut wichtig und notwendig. Deshalb
muss der Staat die Kontrolle über die Infrastruktur haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ob das alles in staatlicher Hand sein muss, ist eine zweitrangige Frage. Entscheidend
ist doch, welche Kriterien wir für die Netze festlegen. Wir müssen für
einen Ausbau sorgen, sodass der im Norden mit Windkraft erzeugte Strom in das Netz
eingespeist werden kann. Es kann nicht sein, dass ein großer Teil dieses Stroms
nicht in das Netz eingespeist werden kann. Das müssen wir ändern. Wir müssen
des Weiteren die Netzengpässe beseitigen und die Kuppelstellen ausbauen. Wir
müssen zudem neuen Stromproduzenten den Zugang zu den Netzen erleichtern. Das
sind die entscheidenden Kriterien.
Ob das alles in staatlicher Hand sein muss oder ob das im Rahmen einer privaten Gesellschaft
gemacht wird, ist eine zweitrangige Frage. Zuerst geht es um das inhaltliche Ziel,
die Gestaltung der Netze. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, es ist total
einfach, permanent Verstaatlichung zu fordern. Aber das ist nicht immer das beste
Mittel. Gehen Sie ein bisschen differenzierter an die Sache heran!
(Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Sind Sie für oder gegen die Rekommunalisierung?
Da können Sie eine konkrete Sachfrage beantworten!)
Lassen Sie uns schauen, was sinnvoll ist: Ist es besser, wenn es in staatlicher, oder
ist es besser, wenn es in privater Hand bleibt? Ist zum Beispiel eine Netzgesellschaft
besser, die sowohl privat als auch staatlich sein kann? Das sehen wir in Dänemark
und in der Schweiz. Das wäre ein viel besseres Vorgehen. Das sollten wir auch
tun. Lassen Sie uns lieber inhaltlich diskutieren, anstatt plumpe ideologische Lösungen
vorzuschlagen! Das brauchen wir nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sigmar Gabriel (SPD))
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Bundesumweltminister Gabriel.
(Beifall bei der SPD)
Sigmar Gabriel (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nicht in meiner Eigenschaft
als Minister, sondern als Abgeordneter des Deutschen Bundestages gemeldet. Ich danke
der SPD-Fraktion, dass sie mir Gelegenheit gibt, ihr sozusagen die Redezeit zu stehlen.
Es war nicht beabsichtigt, dass ich nach Herrn Lafontaine spreche.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Minister, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich mit dieser Klarstellung
dem starren Regime unseres Redezeitmanagements unterworfen haben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sigmar Gabriel (SPD):
Ich habe mir vorher sagen lassen, dass ich nur fünf Minuten reden darf, und die
schlimme Konsequenz erklären lassen, wenn nicht.
Ich finde es gut, dass Herr Lafontaine gesagt hat, welche Richtung er bei der Energiepolitik
in Deutschland einschlagen will. Erstens. Frau Höhn hat absolut recht: Es wird
in den nächsten Jahren um den Netzausbau gehen. Zweitens. Es ist eine zweitrangige
Frage, wer der Träger des Netzausbaus ist. Drittens. Es ist interessant, festzustellen,
wie die Realitäten dort aussehen, wo sich die Netze in öffentlichem Eigentum
befinden. Herr Lafontaine, Sie haben auf die skandinavischen Länder verwiesen.
Wenn man Dänemark dazuzählt, dann muss man feststellen: Dort, wo sich die
Netze in öffentlichem Eigentum befinden, gibt es die höchsten Nutzungsentgelte.
Herr Lafontaine, auch ich bin mit der Höhe der Strompreise in Deutschland nicht
zufrieden. Aber eines ist klar: Deutschland ist netto Stromexporteur. Sie sagen immer,
Sie hätten viel Ahnung von Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie der Börse.
Dann wissen Sie, dass die Preise an den europäischen Strombörsen festgelegt
werden. Es fließt nur deshalb Strom von Deutschland in andere europäische
Staaten, weil dort die Preise höher sind als in Deutschland. Das ist die Realität
der Stromversorgung in Deutschland.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wenn Sie der geschätzten Öffentlichkeit erklären, wir sollten das alles
verstaatlichen bzw. zurückkaufen, dann sollten Sie wenigstens einen Satz dazu
sagen, dass die Voraussetzung dafür ist, dass der Staat eine vernünftige
Wirtschafts- und Finanzpolitik betreibt und einen ausgeglichenen Haushalt hat. Sie
können der Öffentlichkeit nicht bei jeder Gelegenheit sagen, der Staat solle
es bezahlen, und dabei die Antwort auf die Frage schuldig bleiben, wie wir zu vernünftigen
staatlichen Einnahmen kommen sollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN)
Was Sie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wollen, führt dazu, dass das, was
Sie hier öffentlich erklären, überhaupt nicht möglich ist. Mir
geht es auch um die Konsequenzen Ihres Handelns.
Sie fordern die Rekommunalisierung. Sie wollen also den Netzausbau in Deutschland,
die Milliardeninvestitionen, die notwendig sind, den Kommunen aufbürden. Ich
kann bei dem Vorschlag nur sagen: Gute Besserung. - Das wird dazu führen, dass
wir mit dem Netzausbau nicht vorankommen. Das Ergebnis wird sein, dass die erneuerbaren
Energien nicht marktfähig werden. Übrigens werden auch die Stadtwerke keine
Investitionen in Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung tätigen, wenn Sie ihnen
den Netzausbau in Deutschland aufbürden. Was Sie machen, ist blanke Rabulistik
und nichts anderes. Das hat mit Energiepolitik und Energieversorgung in Deutschland
überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland hat übrigens die größte Netzstabilität in ganz Europa;
Deutschland hat die geringsten Ausfallzeiten in ganz Europa. Es ist nicht ganz ohne,
daran weiter zu arbeiten. Das erfordert Investitionen in das Netz. Die Voraussetzung
dafür ist, dass der Netzeigentümer Rendite erwirtschaftet. Tun Sie doch
nicht so, als müsste ein Netzeigentümer in Zukunft keine ausreichenden Renditen
mehr erwirtschaften! Bei dem, was Sie öffentlich erzählen, kann man den
Eindruck gewinnen, dass das ein Nullsummengeschäft ist. Ich sage Ihnen: Da werden
Milliardeninvestitionen fällig. Deswegen muss in diesem Bereich auch Geld verdient
werden können.
Wir werden über die Eigentümerstruktur zu reden haben. Ich zum Beispiel
will nicht, dass ausländische Staatsfonds zu neuen Oligopolisten werden und die
alten Oligopolisten ablösen. Ich will nicht, dass Arbeitnehmerinteressen gefährdet
werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, aber wir sind doch nicht selber Unternehmer
in dem Bereich. Wenn dem so wäre, dann hieße das, dass unsere Beamtinnen
und Beamten bessere Netzinvestoren wären als diejenigen, die damit Geld verdienen
wollen. Ich will den wirtschaftlichen Anreiz, mit dem Netz Geld zu verdienen, nutzen,
damit mehr Anbieter in das Netz einspeisen können und damit mehr Wettbewerb entsteht.
Es soll am Netz Geld verdient werden und nicht daran, dass man das Netz besitzt und
andere, die einspeisen wollen, außen vor lässt. Darum geht es in der öffentlichen
Debatte. Das wollen wir durchsetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der LINKEN)
- Doch, wir tun das in Deutschland über eine Regulierungsbehörde. Wir haben
nämlich inzwischen so niedrige Netznutzungsentgelte, weil es eine Regulierungsbehörde
gibt, die sich darum kümmert,
(Zuruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE))
und nicht deshalb, weil wir Eigentümer sind. - Wir setzen auf die dezentrale
Energieversorgung, Herr Lafontaine redet darüber.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommarkt beträgt inzwischen 14 Prozent.
Das ist deutlich mehr, als wir erwartet haben. Wir wollen den Anteil auf bis zu 30
Prozent ausbauen. Es sind nicht nur die Kommunen alleine, sondern Hunderttausende
von Menschen in Deutschland, die ihr Geld in erneuerbare Energien investiert haben,
in Windenergie, in Solarenergie, in Wärmepumpen und in Holzpelletanlagen.
(Beifall bei der SPD)
Das ist dezentrale Energieversorgung. Wir setzen auf das Kartellrecht und verschärfen
es. Herr Glos tut das. Wir brauchen Ihre Ratschläge nicht dazu. Wir brauchen
auch, Herr Lafontaine, niemanden, der den Eindruck erweckt, es gehe ihm hier im Bundestag
um Klimaschutz; denn Mitglieder seiner eigenen Fraktion fordern dort, wo sie betroffen
sind, mehr Verschmutzungsrechte für Braunkohlewerke in Deutschland. Das ist die
Doppelzüngigkeit in der Energiepolitik, die Sie und Ihre Fraktion permanent an
den Tag legen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst
Folgendes feststellen: Frau Höhn, wenn Sie mir vor einigen Monaten gesagt hätten,
dass ich einmal Ihre Meinung teile und Ihnen voller Überzeugung hier in diesem
Hause applaudiere, dann hätte ich das in das Reich der Fabel verwiesen. Aber
heute war es so.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann freue ich mich, wenn
es in fünf Jahren wieder so weit ist!)
Sie hatten im Wesentlichen mit dem, was Sie hier ausgeführt haben, recht.
Auch ich möchte auf die Linken und Meister Lafontaine eingehen; denn das ist
in der Tat doppelzüngig und scheinheilig. Es sind schon die richtigen Begriffe
genannt worden. Er stellt sich hier hin und sagt, dass die Preise steigen. In der
Tat, die Preise steigen,
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Eben!)
aber sie steigen auch deshalb, weil 40 Prozent des Preises von Haushaltsstrom staatlich
induziert sind, aus Steuern und Abgaben bestehen. Ihre Fraktion hat schon zig Anträge
gestellt, aber schauen Sie einmal dorthin, wo Sie in Verantwortung sind wie hier in
Berlin. Was passiert dort mit den Abgaben, mit der Konzessionsabgabe und anderen?
Sie erhöhen sie. Das heißt, Sie sind der größte Preistreiber.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben sich als Retter bzw. Hüter des Kartellrechts hingestellt. Ich frage
mich, wo Sie waren, als wir darüber im Wirtschaftsausschuss und hier im Plenum
diskutiert haben. Sie haben gegen die Novelle des Kartellrechts gestimmt, die wir
im letzten Jahr eingebracht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das ist schon etwas doppelzüngig.
Zum Thema staatliche Netze. Das Netz ist ein natürliches Monopol. Ob das natürliche
Monopol in staatlichem oder privatem Eigentum ist - es bleibt ein natürliches
Monopol. Deshalb brauchen wir eine Regulierung, die diesem natürlichen Monopol
entsprechende Rahmenbedingungen setzt und einen Als-ob-Wettbewerb darstellt. Hier
haben wir vor fast drei Jahren gehandelt, und als Folge der seinerzeit eingeführten
Regulierung sinken die Netznutzungsentgelte. Noch im vorletzten Jahr betrug der Anteil
der Netznutzungsentgelte bei Haushaltsstrom 35 Prozent; im letzten Jahr sind die Entgelte
um 1 Cent gesunken. Das heißt, die Regulierung hatte eine preisdämpfende
Wirkung; dies werden Sie durch staatliche Reglementierung mit Sicherheit nicht erreichen.
Insofern ist es unerträglich, wenn Sie hier den Robin Hood, den Rächer aller
Enterbten, geben, in Wirklichkeit aber der Sheriff von Nottingham sind, der die Leute
mit Planwirtschaft und Sozialismus entmündigt und auspresst. Das geht so wirklich
nicht; das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt aber zum Thema des heutigen Tages, der KWK-Förderung und der Liberalisierung
des Zähl- und Messwesens: Die Große Koalition ist keine innige Liebesbeziehung,
wohl aber eine funktionierende Arbeitsbeziehung. Dies zeigt sich auch bei den beiden
Themen, die wir jetzt diskutieren. Es ist schon ein bisschen schwierig, zu erklären,
was KWK überhaupt bedeutet; Herr Kollege Hempelmann und andere haben es versucht.
Wenn man sich mit Leuten, die nicht jeden Tag mit dem Energiebereich zu tun haben,
über Kraft-Wärme-Kopplung unterhält, dann gucken sie einen erst einmal
etwas komisch an. KWK ist in der Tat keine neue Kraftsportart und auch nichts Unanständiges;
es soll niemand verkuppelt werden.
Bei KWK geht es schlicht um die Tatsache, dass bei der Stromerzeugung auch Wärme
entsteht und dass diese Prozesswärme für Heiz- oder Kühlzwecke sehr
effizient eingesetzt werden kann und muss. Eigentlich brauchte KWK gar nicht gefördert
zu werden, weil es jeder von sich aus machen müsste. Leider ist das aber nicht
der Fall. Da aus verschiedenen Gründen KWK nicht im notwendigen Umfang stattfindet,
müssen wir das KWK-Gesetz erneut revidieren, Frau Kollegin Kopp. Es hat zwar
nicht nicht gewirkt, wie Sie gesagt haben, aber es hat nicht in dem Umfang gewirkt,
wie wir es uns vorgestellt haben. Deshalb justieren wir jetzt das KWK-Gesetz neu und
ergänzen es um die Wärmenetze. Es soll also auch die Möglichkeit geben,
über KWK Wärmenetze zu fördern. Ich habe es gerade zu beschreiben versucht:
Wenn jemand in einer Anlage durch Stromerzeugung auch Wärme erzeugt, dann braucht
er einen Abnehmer - eine Senke -, der diese Wärme kontinuierlich über das
ganze Jahr abnimmt.
Bei der Ausstattung mit Netzen gehen wir sehr differenziert vor und fordern keine
Wärmenetze und auch keine Nahwärmepflicht. Bei Neubaugebieten brauchen wir
heute nämlich keine Wärmenetze und auch keine Kraft-Wärme-Kopplung
im großen Stil mehr, weil wir mit dem Passivbaustandard oder gar mit dem Plus-Haus
nicht mehr so viel Wärmebedarf - keine so große Wärmesenke - in einem
Neubaugebiet haben. Dort brauchen wir Klein-KWK, was wir mit diesem Gesetz jetzt auch
fördern wollen. Wir wollen mit diesem KWK-Gesetz neue, innovative Anlagentechniken
einsetzen können, die in Deutschland entwickelt wurden und jetzt zum Exportschlager
werden.
Was wollen wir damit erreichen? Wir haben das Integrierte Klima- und Energieprogramm
und CO2-Reduktionsziele, die wir alle unterstützen und die natürlich nicht
nur mit einem Instrument erreicht werden können. Insgesamt wollen wir bis 2020
CO2 um eine Größenordnung von 220 Millionen Tonnen reduzieren. So, wie
wir das Gesetz jetzt angelegt haben, können wir mit einem Beitrag von 15 Millionen
Tonnen 7 Prozent davon erreichen. Wir machen das aber nicht nur deshalb, sondern auch,
weil es effizient ist. Es ist eine Win-win-Situation, die letztlich allen Beteiligten
etwas Positives bringt.
Nun gehe ich auf den zweiten Punkt, die Liberalisierung des Mess- und Zählwesens,
ein, der etwas technisch daherkommt, aber in seiner Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen
ist. Heute bekommt jeder Bürger einmal im Jahr seine Stromrechnung, und während
des Jahres leistet er Abschlagszahlungen auf der Basis des Vorjahresverbrauchs. Er
weiß also gar nicht, was er monatlich, geschweige denn täglich oder stündlich
an Strom verbraucht. Er kann zwar ab und zu einmal in den Keller gehen und den alten
analogen Zähler ablesen - da läuft so eine komische Drehscheibe -; aber
letztlich hat er keine direkte Beziehung zu dem von ihm verursachten Stromverbrauch.
Mit den neuen Techniken - ich bin überzeugt, dass sie eine Revolution auslösen
werden - erhält der Verbraucher die Hoheit über seinen Stromverbrauch; denn
er kann sich jederzeit am Computer anschauen, wie viel Strom er verbraucht, etwa wenn
er fernsieht, seine Geräte im Standby laufen lässt, sich rasiert oder auch
nicht rasiert, wie mancher hier im Haus; Herr Thierse ist nicht da. Durch die neuen
Techniken entstehen auch neue Geschäftsfelder; es werden neue Produkte und Dienstleistungen
angeboten werden. Es wird sogar so weit gehen - dazu gibt es schon erste Überlegungen
-, dass man einen Kuchen zwei Stunden später backt, weil nicht nur Großverbraucher,
sondern auch Angehörige normaler Haushalte die jeweils aktuellen Strompreise
kennen. Das heißt, der vermeintlich kleine Schritt der Liberalisierung des Zähl-
und Messwesens wird zu großen Umwälzungen führen und Effizienzvorteile
für alle bringen: für den Verbraucher im Haushalt sowie für die Industrie
und das Gewerbe. Der Wettbewerb eröffnet neue Geschäftsfelder. Das ist die
Energiepolitik, die wir betreiben wollen. Wir setzen auf Wettbewerb und erreichen
so das Beste für den Verbraucher und die Wirtschaft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Dirk Becker, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Dirk Becker (SPD):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir Sozialdemokraten
uns die Redezeit solidarisch geteilt haben, möchte ich mich auf einige Eckpunkte
zum Thema Kraft-Wärme-Kopplung beschränken. Zu den allgemeinen energiepolitischen
Themen ist genug gesagt worden. Die Aussagen zur Kraft-Wärme-Kopplung waren übersichtlich.
Ich möchte daher einige Punkte noch einmal betonen.
Frau Höhn und Herr Pfeiffer haben zu Recht von dem Problem berichtet, Kraft-Wärme-Kopplung
zu vermitteln. Das ist nicht sexy. Solarenergie, Geothermie, das sind spannende energiepolitische
Themen. Kraft-Wärme-Kopplung ist eigentlich viel zu einfach: Es geht darum, einen
normalen Verbrennungsprozess, egal mit welchem Brennstoffträger, zu nutzen, um
Wärme und Strom auszukoppeln. Das ist eine ganz einfache Sache. Die höchste
Effizienz, die es auf dem Energiemarkt gibt, zu nutzen und somit einen nennenswerten
Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, ist der Kern der heutigen Diskussion.
Heute Morgen haben beide Energieminister gesprochen - ich sehe gerade keinen von beiden
-;
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Doch! Der eine sitzt auf der Regierungsbank!)
ich will auf den ersten kurz Bezug nehmen. Herr Glos hat natürlich - das ist
in Energiedebatten üblich - einen Schwenk auf das Thema Atomenergie gemacht.
Dass es darüber in der Großen Koalition unterschiedliche Auffassungen gibt,
wissen wir. Eines will ich deutlich sagen: Wenn wir die Energie, die wir verwenden,
um das Thema Atomenergie strittig zu diskutieren, nutzen würden, um die KWK auszubauen,
würde sich die Diskussion über die Atomenergie erledigen; denn die Potenziale
der KWK sind entsprechend groß.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)
- Frau Kopp, Sie schütteln den Kopf: Das ist nicht Beckers Wunschkonzert. Sie
sollten die Gutachten lesen. Sie sollten schauen, was eine Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages ermittelt hat: Die Potenziale sind riesig. - Dass Ihnen das
nicht passt, ist klar. Ihre energiepolitische Linie führt in eine Einbahnstraße.
KWK ist im Endeffekt ein wichtiger Baustein für den Energiemarkt der Zukunft.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE) und Bärbel
Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Die SPD-Fraktion hat schon 2005 begonnen, einen Gesetzentwurf vorzubereiten. Wir haben
ihn letztes Jahr in die Diskussion eingebracht. Das war aufgrund der Haltung des zuständigen
Ministeriums lange Zeit nicht einfach, weil es grundsätzlich andere Ausrichtungen
bezüglich der Fragen ?Ist KWK schon eigenwirtschaftlich darstellbar?? und ?Wie
sieht es mit der Erreichung des Ziels, den CO2-Ausstoß zu vermindern, aus??
gab. Ich möchte mich beim Wirtschaftsministerium ausdrücklich bedanken -
man braucht jetzt nicht zurückzublicken -, dass dort mittlerweile die Einsicht
eingetreten ist, dass es weiterhin einer umfassenden Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
bedarf, damit wir unser gemeinsam vereinbartes Ziel erreichen. Dieses Ziel heißt:
Der Anteil des KWK-Stroms soll bis 2020 auf 25 Prozent steigen.
Ich sage sehr deutlich: Für die SPD ist dieses Ziel das Kriterium, an dem wir
unsere Maßnahmen ausrichten wollen. Wenn wir dieses Ziel verfehlen, ist nicht
nur ein Ziel im IKEP verfehlt. Wenn wir mit dieser Technologie die 25 Prozent nicht
erreichen, scheitert auch das Ziel der Bundeskanzlerin, bis 2020 die Energieeffizienz
in diesem Land zu verdoppeln. Ohne KWK gelingt es nicht. Ohne KWK realisieren wir
auch keine 40 Prozent CO2-Minderung. Das heißt: KWK ist ein Schlüsselbaustein
in der gesamten Klimastrategie, und so sollten wir sie jetzt auch behandeln.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Wirtschaftsministerium Eckpunkte,
die unseren Forderungen entsprechen, gesetzt hat. Dazu gehören Neubau und Modernisierung
ohne Größenbegrenzung. Frau Höhn, an dieser Stelle bin ich anderer
Auffassung als Sie. Wir können nicht sagen, dass KWK toll und effizient ist,
dies aber nur im kleinsten Bereich wollen. Sie sprachen von Hotels, Areal- und Objektversorgung.
Wenn wir die Kapazitäten in diesem Land insgesamt erneuern wollen, gehört
es zur ehrlichen Diskussion, dass wir auch große Anlagen mit dem Brennstoff
Kohle brauchen, die in der Doppelung der Energieauskopplung für Wärme und
Strom wesentlich effizienter sind als konventionelle Kondensationskraftwerke. Das
müssen wir den Menschen ehrlich sagen, um für Akzeptanz größer
Kraftwerke, unabhängig vom Brennstoff, zu werben.
(Beifall bei der SPD)
Für uns Sozialdemokraten sind im Endeffekt drei weitere Punkte wichtig. Die industrielle
KWK muss in Gänze berücksichtigt werden, nicht nur das produzierende Gewerbe.
Wir müssen den Anmeldezeitraum - Rolf Hempelmann hat es gesagt - verlängern.
Man müsste eigentlich sagen: bis die 25 Prozent erreicht sind. Das wird aber
so nicht möglich sein. Wir werden uns über einen anderen Zeitraum verständigen
müssen.
Wir müssen außerdem über die Frage der Finanzen reden. Der Bundesrat
hat einen Antrag gestellt, der eigentlich schlüssig ist. Wir Sozialdemokraten
hatten ursprünglich 850 Millionen Euro gefordert. Das war die Höchstbelastung
im Jahr 2006. Es würde also keine Mehrbelastung der Verbraucher geben, sondern
der Höchstbetrag von 2006 würde entsprechend beibehalten. In jedem Fall
muss es einen Ausgleich zwischen der Förderhöhe und der Höhe des Deckels
geben sowie Flexibilisierung, was Netzausbau und Energieerzeugung angeht. Ansonsten
haben wir ein großes Problem, unser Ziel zu erreichen. Noch einmal: Für
uns steht die Frage der Zielerreichung im Mittelpunkt. Alle Instrumente müssen
darauf ausgerichtet werden.
Eines noch zur Frage der Zielerreichung. Die Große Koalition und die Bundesregierung
haben sich ein hohes Ziel gesetzt: 25 Prozent. Das ist ein Ziel, mit dem man auch
nach außen entsprechend auftreten sollte. Von daher ist es nach meiner Einschätzung
eigentlich selbstverständlich, dass dieses Ziel im Gesetz zu Beginn deutlich
benannt wird. Man braucht es nicht ein bisschen verschämt in der Begründung
zu verstecken; wir haben keinen Grund dazu. Wir sollten dieses Ziel offensiv im Gesetzestext
nennen; das würde ich mir wünschen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Weiter gute Beratungen!
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE))
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Franz Obermeier ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehrfach gesagt worden: Bis
2020 25 Prozent KWK-Strom, das ist die vorgegebene Zielsetzung. Wir Parlamentarier
sollten alles daransetzen, dieses Ziel zu erreichen.
Ich halte das für extrem ambitioniert; denn die KWK-Realisierung war schon in
der Vergangenheit - nicht erst, seit es die Gesetze gibt - mit einem großen
Problem behaftet. Ich verweise auf die Kombination von Strom und Wärme bzw. Kälte
an einer Lokalität - als jemand, der früher Anlagen konzipiert und entwickelt
hat, weiß ich sehr genau, wovon ich rede -; genau dieser Umstand ist die Ursache
dafür, dass die Regelung, die irgendjemand einmal Schläferprämie genannt
hat, nicht den notwendigen Erfolg hatte.
Wir laufen auch mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf Gefahr, die Ziele noch nicht
zu erreichen.
(Beifall der Abg. Gudrun Kopp (FDP))
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Prognos-Gutachten. Es besagt, dass mit
den Möglichkeiten, die im Gesetz vorgesehen sind, 77 Terawattstunden Strom durch
Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt werden können. Das entspricht nicht 25 Prozent
des Stromverbrauchs in Deutschland, sondern ist erheblich weniger. Zugleich besagt
das Prognos-Gutachten: Die Kosten für die Vermeidung von CO2-Ausstoß über
Kraft-Wärme-Kopplung liegen zwischen 33 und 49 Euro je Tonne CO2. - Das ist ein
interessanter Wert und gibt mir die Motivation, für die Kraft-Wärme-Kopplung
zu kämpfen und alles für den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, die anerkanntermaßen
eine ganz hervorragende Art der Energieerzeugung bzw. Energienutzung ist, zu tun.
Wir haben nun die Förderung bei 750 Millionen Euro gedeckelt. Es ist schon von
einer Kollegin bzw. einem Kollegen gesagt worden, dass man diesen Betrag nicht starr
bezogen auf ein Jahr sehen sollte, sondern eine gewisse Flexibilisierung ermöglichen
sollte, damit es zu keinem Abbruch bei der Förderung kommt.
Es ist meines Erachtens gerechtfertigt, die Frage zu stellen, wie der zukünftige
Kraftwerkspark in Deutschland aussehen soll, ob wir die großen fossilen Kraftwerke
in Deutschland überhaupt noch brauchen. Selbst wenn wir es nämlich anlagen-
und planungstechnisch darstellen können, dass die Wärme an mindestens 300
Tagen im Jahr vernünftig genutzt wird, stellt sich immer noch die Frage nach
der Größenordnung, also wie viel Wärme tatsächlich sinnvoll genutzt
werden kann. Deswegen ist es natürlich wichtig, zu überlegen, ob man nicht
mit der Schaffung kleinerer Kapazitäten zu einer besseren Ausnutzung kommt. Ich
könnte mir vorstellen, dass immer dann, wenn eine größere Fabrik errichtet
wird - in meinem Wahlkreis ist das gerade der Fall -, neben der Produktionsstätte
auch eine Kraftwerksanlage gebaut wird, die Prozesswärme für diese Anlage
und eventuell auch für weitere, in der Umgebung liegende Verbraucher erzeugt.
Wenn unsere Gesetzgebung dafür sorgt, dass Betreiber solcher Anlagen einen Anreiz
bekommen, in Kraft-Wärme-Kopplung zu investieren, dann haben wir ein gutes Gesetz
auf den Weg gebracht.
In der vergangenen Woche, Herr Bundeswirtschaftsminister, war Ihre Staatssekretärin
Dagmar Wöhrl bei der Inbetriebnahme einer Brennstoffzellenanlage in meinem Wahlkreis
dabei. Es handelt sich um eine Anlage, die 200 Kilowatt elektrische Leistung und einen
erheblichen Anteil an Wärme erzeugt. Diese Wärme wird dann in einer Kläranlage
für die Trocknung von Klärschlamm genutzt.
Ich meine, wir sind technologisch auf einem sehr guten Weg. Dieses Gesetz wird die
Kraft-Wärme-Kopplung weiter befördern. Wir müssen scharf beobachten,
wie sich die Dinge weiterentwickeln. Wir müssen auch dafür sorgen, dass
wir technologisch weiterkommen und dass neben der Doppelnutzung von Primärenergie
zugleich auch die Energieeffizienz von Anlagen zunimmt. So könnten wir die Kraft-Wärme-Kopplung
zu einem Erfolgsmodell werden lassen und es schaffen, dass bis zum Jahr 2020 ihr Anteil
25 Prozent an der Stromerzeugung beträgt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Klaus Barthel ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Klaus Barthel (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind ja jetzt endlich wieder
bei den Themen angekommen, um die es heute eigentlich geht. Wir sollten dabei die
Schlagzeilen, die die Stromzähler derzeit machen, für unsere Zwecke nutzen.
Auf der diesjährigen CeBIT konnte man sehen, dass die Stromzähler digital
werden; manche Zeitungen schrieben von "Hightech- Stromzählern".
Für uns Verbraucher bedeutet dieser Fortschritt, dass wir dann zu Hause am Stromzähler
oder am PC sehen können, wenn wir stromfressende Geräte betreiben, und unser
Verhalten entsprechend verändern können. Im Kfz ist es ja heute schon zur
Normalität geworden, dass man nicht erst an der Tankstelle, sondern schon während
des Fahrens darauf aufmerksam gemacht wird, wenn man zum Beispiel aufgrund des Fahrverhaltens
zu viel Sprit verbraucht. In Kombination mit den lastabhängigen Stromtarifen
kann intelligente Haustechnik Kosten sparen. Zum Beispiel kann sich die Waschmaschine
erst dann einschalten, wenn der Strom günstig ist, und eben nicht sofort.
Der bisher durchaus schon vorhandene Wettbewerb beim Einbau und Betrieb von Strom-
und Gaszählern hat bisher weder dazu geführt, dass die Preise für die
längst abgeschriebenen Zähler gesunken sind, noch dazu, dass innovative
Zähler eingeführt wurden. Man muss sich ja auch fragen, welches Interesse
der bisherige Zählerbetreiber, nämlich die EVUs, haben sollte, moderne Zählertechnik
einzubauen; denn er lebt ja vom Verbrauch und nicht vom Sparen. Die Bundesregierung
hat in ihrem Evaluierungsbericht aufgezeigt, dass die fehlende Marktöffnung bei
der Messung, also bei dem Ablesen der Messgeräte, ein wesentliches Wettbewerbshindernis
beim Betrieb dieser Messstellen ist. Dieses Hindernis wird mit Umsetzung des vorliegenden
Gesetzentwurfs der Bundesregierung beseitigt.
Auch wenn es in den Berichten wie Science Fiction klingt und die intelligente Waschmaschine
noch nicht auf dem Markt ist, haben wir jetzt auf dem Strommarkt die Chance, intelligente
Zähler im Wettbewerb zu etablieren und den Verbraucherinnen und Verbrauchern
damit eine deutlich erweiterte Kontrolle ihres Stromverbrauchs zu geben. Dahinter
steckt die Zielvorstellung, innerhalb der nächsten sechs Jahre zu einem möglichst
flächendeckenden Einsatz von solchen Zählern und Steuerungen sowie zu lastvariablen
Tarifen zu kommen.
(Beifall bei der SPD)
Nach der E-Energy-Studie, die im Auftrag des BMWi erarbeitet worden ist, geht es hier
um einen Markt von etwa 49 Millionen Zählstellen mit einem Gesamtvolumen von
etwa 5 Milliarden Euro. Das ist eine hohe Investition, aber auf die Dauer sicherlich
lohnend für die Verbraucher, die Volkswirtschaft und das Klima.
Gerade im Zusammenhang mit den künftigen lastvariablen Tarifen kann eine Stromkostenkontrolle
zur Verschiebung der Nachfrage in Schwachlastzeiten genutzt werden. Das Wuppertal-Institut
für Klima, Umwelt, Energie geht von einer Einsparmöglichkeit von 5 bis 10
Prozent des Gesamtstromverbrauchs der Haushalte aus. Das wären etwa 5 bis 10
Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Das ist doch was! Wenn teure Spitzenlastkraftwerke
nicht mehr in gleichem Umfang benötigt werden wie bisher, dann führt das
außerdem zu sinkenden Stromerzeugungskosten und zur Entlastung der Netze.
Es geht darum, den Wettbewerb so zu gestalten, dass ein Anreiz für neue Anbieter
und für die Nachfrage nach deren Angeboten entsteht. Dazu benötigen wir
einfache, schnelle und kostengünstige Geschäftsprozesse. Deswegen brauchen
wir eine Standardisierung und Anwendungsmöglichkeit der Regulierungsinstrumente
der Bundesnetzagentur auf die Beziehung zwischen den Netzbetreibern und den Messstellenbetreibern
und hinsichtlich der Wechselmöglichkeit der Endverbraucher gegenüber den
Messstellenbetreibern. Das mag sich alles technokratisch anhören, aber bei der
Lösung der Energie- und Klimaschutzprobleme führt nur eine Gesamtstrategie
mit vielen Elementen zum Erfolg. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung
zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb ist ein nicht
zu unterschätzendes Element dieser Gesamtstrategie und deswegen hier nicht zu
verachten.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Georg Nüßlein,
CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Als Umweltpolitiker bin ich der festen
Überzeugung, dass wir die Verdoppelung des Anteils von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung
an der Gesamtstromerzeugung bis 2020 im Sinne von Ressourcenschonung und Klimaschutz
brauchen. Deutschland als führende Wirtschaftsnation hat an dieser Stelle eine
nicht zu unterschätzende Vorbildfunktion. Dass wir das im Rahmen der Umlagefinanzierung
tun, halte ich für nicht verkehrt. Die Umlagefinanzierung wird nämlich wie
beim EEG in ganz besonderer Weise der Verantwortung der Stromverbraucher für
eine ressourcen- und klimaschonende Stromversorgung gerecht. Sie ist an dieser Stelle
sehr viel zielorientierter und effizienter als beispielsweise die Ökosteuer,
mit der wir den Stromverbrauch auch belasten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wenn man über das Thema Effizienz redet, dann muss man, wie hier schon mehrfach
angeklungen, klipp und klar sagen, dass man, um die Effizienz zu steigern, die bei
der Stromproduktion entstehende Wärme nutzen muss. Das geht nur durch Dezentralität.
Dezentralität ist unabdingbar. Aus Sicht eines Wirtschaftspolitikers sage ich:
Sie bietet natürlich auch Chancen; denn es geht bei diesem Thema auch um den
Mittelstand, sowohl was die Produktion als auch den Verbrauch angeht. Für den
Mittelstand steht die Union wie kaum eine andere Partei.
(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg van Essen (FDP): Na ja, wir übertreffen
Sie schon ganz schön!)
Die Netze sind reguliert worden. Den Stadtwerken müssen wir zurufen, dass sie
ihr Heil auch in der Stromproduktion suchen müssen, weil dank des Bundeswirtschaftsministers
im Bereich der Netze keine Monopolgewinne mehr möglich sind. Das ist auf der
einen Seite ein entscheidender Erfolg. Auf der anderen Seite müssen wir aber
den Stadtwerken, denjenigen, die auch davon betroffen sind - das sind ja nicht nur
die großen Vier -, entsprechende Geschäftsmodelle aufzeigen. In diesem
Sinne ist das Einspeiserecht, das wir im KWK-Gesetz genauso verankert haben wie im
EEG, ein wichtiges regulatorisches Element, eine Voraussetzung dafür, dass auch
kleine Unternehmen, Mittelständler Zugang zu den Netzen haben. Wir tun hier etwas
ganz besonders Wichtiges und Richtiges.
Angesichts dessen, was Oskar Lafontaine heute zum Besten gegeben hat, frage ich mich
schon, warum er immer dann, wenn unser Wirtschaftsminister handelt, nicht mit dabei
ist, zum Beispiel dann, wenn es um eine Verschärfung des Kartellrechts geht.
Warum stimmen Sie da nicht zu? Als Vertreter der Union sage ich aber auch: Sehr viel
Wert legen wir auf die Stimmen der Linken nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Effizienzförderung ist im Übrigen ein industriepolitischer Eingriff,
um auch in diesem Bereich die Technik voranzubringen. Es besteht die Frage, wo in
Zukunft Klimaschutz gemacht wird und wie über das Thema des Klimaschutzes entschieden
wird. Nur dann, wenn es uns gelingt, technisch voranzukommen, werden wir nicht nur
in Deutschland, sondern auch weltweit etwas verändern.
Nun ist heute mehrfach über den Strompreis diskutiert worden. Grundsätzlich
bin ich der festen Überzeugung, dass wir hier eine Deckelung brauchen, dass wir
aber nicht alles, was mit Klimaschutz zu tun hat, sofort deckeln sollten. Das sage
ich auch in Richtung der eigenen Reihen. Wir können letztendlich nicht unsere
Kanzlerin deckeln. Das sollten wir nicht tun; denn sie ist die Galionsfigur beim Klimaschutz.
(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller (CDU/CSU))
Deshalb bitte ich, dies entsprechend zu berücksichtigen.
Wenn man eine solche Deckelung beschließt, wie man sie im Moment vorsieht -
eine Deckelung der KWK-Zuschlagssumme bei 750 Millionen Euro pro Jahr und eine Deckelung
des Zuschlags für den Neu- und Ausbau von Wärmenetzen bei 150 Millionen
Euro pro Jahr -, dann entsteht ein Problem, wenn der Kreis der zuschlagsberechtigten
KWK-Anlagen- und Wärmenetzbetreiber sehr weit gefasst wird. Darüber sollten
wir im Laufe der Debatte noch einmal nachdenken.
Wir brauchen aus meiner Sicht zum einen Eingrenzungen, was das Thema Netze angeht.
Da dürfen wir uns nicht zu stark auf die großen Netze, die Fernwärmenetze
im großstädtischen Bereich, versteifen. Die Investitionsvolumina sind hier
sehr groß; hier würden wir die Deckelung relativ schnell erreichen. Zum
anderen müssen wir beim Thema der Versorgung über die Frage nachdenken,
ob industrielle Anlagen zur Eigenversorgung wirklich erkennbar förderbedürftig
sind oder ob man da nicht noch etwas nachjustiert, damit wir nicht zu schnell einen
zu großen Druck auf diesen Deckel bekommen, was dazu führen würde,
dass wir ihn relativ schnell anheben würden. Das bringt letztendlich nicht das
gewünschte Ergebnis.
Wir setzen uns für eine zielgerichtete Förderung ein, für eine Förderung,
die Investitionssicherheit schafft, insbesondere im Bereich der kleinen Anlagen unterhalb
einer Leistung von 10 Megawatt; denn hier geht es wirklich darum, einen Anstoß
zu geben, dass dieses Thema vorankommt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/8305,
16/8306 und 16/7872 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen
so beschlossen.